Andreas Parsberg
Die Rückkehr der Dämonen, Teil 3 (Pengersick Castle, 1184 n. Chr.)
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Impressum neobooks
Germering bei München
Anfang Juni 2015
Henri und Chloé betrachteten schweigend das alte Haus. Es wirkte riesig und düster, sogar jetzt im hellen Schein der Mittagssonne.
Die zweigeschossige Villa, an der Germeringer Stadtgrenze, lag versteckt in einem kleinen Park, der aus einem alten Bestand aus Buchen und Kastanien bestand. Das Haus wurde im Stil des Historismus mit Elementen der Neorenaissance erbaut und war ein Vertreter des typischen Landhauses der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Werksteinfassade wurde durch einen sechseckigen Turm bestimmt, dessen verschieferte Haube mit einer Laterne versehen war. Die kostbare Villa stand auf einer kleinen Anhöhe, und erhob sich wie ein dunkler, bedrohlicher Schatten gegen den blauen Himmel.
Chloé bekam eine Gänsehaut, deren Ursprung sie sich nicht erklären konnte. Lag es an der finsteren Atmosphäre des Hauses? Sie saß neben Henri in seinem alten Auto, das er am Straßenrand geparkt hatte.
„Es sieht wirklich unheimlich aus“, meinte Henri und schnitt eine Grimasse in Richtung der Villa. „Bist du sicher, dass du da reinwillst?“
„Klar! Du weißt doch, ich stehe auf alte Häuser und Flohmärkte.“
Sie blickte auf ein großes Holzschild, das an eine Eiche genagelt war, die an der Garageneinfahrt stand.
Haus und Inventar zu verkaufen
Beim Frühstück hatte sie die Anzeige in der Zeitung entdeckt und sie musste den ganzen Tag in der Schule daran denken. Sie hatte eine Schwäche für alte Sachen und konnte stundenlang durch Flohmärkte stöbern.
„Man kann nie wissen, was man da so alles findet. Ich wette mit dir, dass es in der Villa eine Menge schöner alter Dinge gibt.“
„Du meinst wohl Gerümpel“, erwiderte Henri, musste aber grinsen, da er die Leidenschaft von Chloé süß fand.
„Was für dich nur altes Gerümpel ist, sind für mich echte Schätze! Nun komm schon, lass uns endlich reingehen.“
Sie stieg aus und wartete auf Henri.
„Was meinst du denn, was du da findest?“, fragte er, als er neben ihr stand.
„Ich habe mal auf dem Flohmarkt die alte Lampe in meinem Zimmer gefunden. Außerdem die tollen Bilder und alten Bücher.“
„Ja, schon, ich weiß. Aber ...“ Henri brach seinen Satz ab.
„Aber was?“
„Aber du weißt ja nicht, wo all dieser Kram herkommt. Und du weißt auch nicht, wem die Sachen vorher mal gehört haben.“
„Na und?“
„Also, ich finde es ist irgendwie unheimlich.“
„Ach was, dummes Zeug. Nun komm endlich!“
Sie schritt auf das Haus zu. Henri zögerte noch, dann lief er hinter ihr her. Die Haustür stand offen, es befanden sich bereits andere Menschen im Inneren und stöberten durch die Einrichtung.
Die Räume wirkten alle ziemlich dunkel. Schwere Samtvorhänge vor den hohen Fenstern ließen nur einen schmalen Spalt Tageslicht herein. Die Fußböden waren mit dunklem Mahagoni-Parkett verlegt. Sogar die Möbel waren aus dunklem Holz. Das Haus erzeugte eine trübselige Atmosphäre.
Aber das alles störte Chloé nicht. Nur Henri fühlte sich unbehaglich. Sie musste ihn an der Hand hinter sich herziehen, wie eine Mutter, die ihren widerspenstigen Sohn zum Zahnarzt bringt.
„Furchtbar gruselig“, murmelte er leise vor sich hin. Chloé musste lächeln. Wenn man Henris muskulöse Arme und Schultern ansah, würde man ihn für einen harten Kerl halten. Aber sie wusste, er war innerlich sanft und sensibel. Das war einer der Gründe, warum sie sich in ihn verliebt hatte.
Chloé sah sich um. Es kommt immer darauf an, wie man die Dinge betrachtet, sagte sie zu sich selbst. Die dunklen Farben und die Schatten in den Räumen hatten schon ihren eigenen Reiz. Dieses Haus hätte aus einem alten Buch oder Film stammen können. Es wirkte elegant, prunkvoll und erhaben.
„Hier herrscht ja schon totales Gedränge“, meinte sie.
Ein junges Ehepaar interessierte sich für eine Tiffanylampe, eine ältere Frau schien von einer Sammlung alter Porzellanfiguren in einer Vitrine fasziniert zu sein und ein älteres Paar betrachtete eine Kaminuhr aus Messing auf einem Sockel.
„Wem gehört denn dieses Haus?“, fragte Henri so laut, dass es alle hören konnten. „Einer bösen Hexe?“
„Du spinnst ja!“
„Na, es ist jedenfalls jemand, der es gerne dunkel hat. Vielleicht Graf Dracula? Wo stehen denn die Särge? Im Keller?“
„Blödmann!“, antwortete Chloé grinsend, da ihr die erschrockenen Gesichter der anderen Interessenten gefielen. „Hier ist aber nichts für mich. Lass uns mal in ein anderes Zimmer gehen.“
Bevor Henri etwas erwidern konnte, war sie schon auf dem Weg ins Esszimmer und zog ihn hinter sich her. Sofort fiel ihr der große Mahagonitisch auf, über dem ein schwerer Kronleuchter hing.
„Ist er nicht fantastisch?“, rief sie begeistert aus.
„Wer ist er?“
„Na, der Kronleuchter, Dummerle. Er sieht unheimlich teuer aus. Ich glaube, wenn sie etwas Sonne ins Zimmer ließen, würden alle diese Kristalle noch mehr glitzern.“ Sie seufzte ergriffen. „Ich wünschte, ich hätte auch mal eines Tages so einen tollen Kronleuchter in meinem Haus hängen.“
„Aber sie lassen niemals Sonne in dieses Zimmer, weil sie es dunkel haben müssen. Die Sonnenstrahlen verbrennen Vampire!“
„Du widerholst dich, Schätzchen.“
„Ich kann nichts dafür. Ich finde dieses Haus so ... ach, vergiss es.“
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte plötzlich jemand mit einer sanften Stimme hinter ihnen. Chloé und Henri drehten sich überrascht um. Eine junge blonde Frau mit weichem Lächeln und tiefgrünen Augen stand dort. Sie wartete geduldig, bis die beiden ihr antworteten.
„Sind Sie die Besitzerin?“, fragte Henri verwundert, da die junge Frau so gar nicht in sein Bild eines Vampirs passen würde.
„Ja, ich bin Louise von Armannsperg. Dieses Haus gehörte meiner Mutter, bevor ...“ Sie unterbrach sich und zwang sich dann, weiterzusprechen. „... bevor sie starb.“
Henri sah zu Chloé hinüber.
„Gibt es etwas Besonderes, das Sie sehen möchten?“, fragte die junge Eigentümerin. Ihre Stimme klang so weich und zerbrechlich, wie auch ihre ganze Erscheinung wirkte.
„Nichts Spezielles, Frau Armannsperg“, erwiderte Chloé mit einem warmherzigen Lächeln. „Aber ich hoffte, etwas zu finden, das nicht zu teuer ist. Zum Beispiel Bücher, Modeschmuck oder so etwas.“
„Ja, ich verstehe. Vielleicht finden Sie etwas Interessantes im Keller. Meine Mutter war eine eifrige Leserin, sie hatte kistenweise Taschenbücher und, ja, ich glaube, auch Modeschmuck. Bitte, sehen Sie sich ruhig alles an.“ Sie zeigte lächelnd auf eine Schwingtür. „Der Weg zum Keller geht durch die Küche. Die Tür dort vorne.“
„Vielen Dank“, erwiderte Chloé, aber die junge Frau hatte sich schon einem anderen interessierten Kunden zugewandt.
„Von wegen Vampir“, flüsterte Chloé zu Henri. „Pah! Die junge Frau sieht doch völlig harmlos aus.“
„Aber du willst jetzt nicht wirklich in den Keller gehen, oder?“, fragte Henri skeptisch.
„Klar, warum denn nicht?“
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