„Katja steht leider auf Unholde.“
„Arbeiten Sie jetzt auch noch als Kupplerin?“
„Nur für meine liebste Freundin.“
Amüsiert kam er auf den entscheidenden Punkt: „Wie sieht denn nun Ihre Strategie aus?“
„Erst bringe ich Sie zum Lachen, Sie vergessen Ihre Furcht vor mir, ich öffne meinen Zauberkasten, Sie buchten endlich Ihre cleveren Täter ein. Als Happy End feiern wir ausgelassen Weihnachten.“
Pause.
Konny saß mit aufgestützten Ellenbogen hinter seinem hässlichen achtziger Jahre Furniertisch und ließ seine gespreizten Finger aneinander tippen. „Gans oder Truthahn?“
„Truthahn.“
Richtige Antwort.
„Na, dann zeigen Sie mal Ihren Zauberkasten her.“
Später fragte Konny zum Abschied leicht spöttisch: „Und Sie spielen den Racheengel? Können Sie überhaupt schießen?“
„Ich trage keine Waffen.“
Das stimmte zwar nur für irdische Verhältnisse. Aber ich genoss seine, leider kaum in Worte fassbare, komplett entgleitende Mimik, als ich ohne weitere Erklärung davonging.
Spiel, Satz und Sieg!
Die Zugfahrt nach Hamburg nutzte ich, um über passende Geschenke für meine Kollegen und Weihnachtsgäste zu grübeln. Jeder sollte etwas ganz Besonderes bekommen. Ungeniert spannte ich die Lichtwesen mit ein. Die Abwechslung schien ihnen sogar zu gefallen.
Zumindest bis zu der Frage: „Und was wünscht sich Elin?“
Erst wollten sie mal wieder nicht mit dem Sound heraus. Unwirsch erinnerte ich die Sternelben an unsere Vereinbarung. Wobei es sich dabei ehrlicherweise um meine einseitige Forderung nach Offenheit und Ehrlichkeit handelte, egal.
„ Elin möchte den Unterricht mit dir fortführen.“
„ Ach! Und wieso verschweigt sie mir das?“
„ Weil wir dich pausenlos in Beschlag nehmen.“
„ Der Unterricht ist wichtig, oder?“
„ Ja, ausgesprochen wichtig.“
„ Also, dann strengt euch mal an, dass wir nach Neujahr irgendwie Zeit dafür finden.“
„ Sehr wohl, Lilia!“
Auf den letzten Drücker besprachen wir hintendrein noch hastig meine Vorgehensweise in Hamburg.
Nach Ankunft des ICE in Hamburg-Altona gegen 18 Uhr lotsten mich die Lichtwesen durch ein Gewirr unbekannter Straßen bis zu einer Bar. Deren Eingangstür erinnerte an einen riesigen Fassdeckel. Unschlüssig blieb ich davor stehen. „Eine Bar? Um diese Uhrzeit?“
„ Sie gehört ihrem Vater. Du hast gerade noch Zeit, um Katja die Aufklärung des tödlichen Unfalls mit Fahrerflucht zu übermitteln, der sich zwischenzeitlich ereignete.“
Ich hörte kaum, mein Hinterkopf dafür umso präziser zu. Während ich die Fasstür anstarrte, klickten in meinem Gehirn einige Denksteine aneinander. „Machen die Dämonen das? Treiben sie die Menschen zu solch perversem Handeln?“
„ Ja, Lilia, daraus saugen sie ihre Befriedigung – sofern sie satt sind.“
Die wichtigste Info unseres Gesprächs überhaupt, nämliche ihre Anmerkung „sofern sie satt sind“, landete zu meiner Schande direkt im Langzeitspeicher.
„ Aber wussten die Dämonen im Gegensatz zu euch schon vorher von der hirnlosen Fahrerflucht?“
„ Nein, sie greifen ein, wenn sie zufällig in der Nähe lauern.“
„ Am Nachmittag?! Bedeutet das, im Winter mit seinem ständigen, wolkenverhangenen Zwielicht und seinen ewig langen Nächten laufen die Monster zur Hochform auf?“
„ Gut mitgedacht.“
„ Aber wie manipulieren sie die Menschen?“
„ Die Dämonen hauchen ihre Opfer an.“
Eine widerlich abartige Vorstellung, die mir Brechreiz verursachte. „Kann das jeden treffen?“ , fragte ich würgend und betrat dabei sichtlich überstürzt die schummrige Bar.“
„ Nein, nur jene Menschen mit sehr wenig Gutem in ihrer Seele.“
Über die Horrormonster vergaß ich glatt Katja anzurufen. Und bevor ich das ebenfalls vergesse: Die Bar bot keinerlei Schutz vor Dämonen.
Trotz der frühen Uhrzeit bestellte ich an der Theke einen Gin Tonic.
„ Achtung, Lilia, deine Kandidatin betritt die Bar.“
Rachel, eine rothaarige Mittzwanzigerin, schlenderte lässig auf den Tresen zu. „Hi Paps.“
„Na, wieder erfolgreich Verbrecher gejagt?“
„Geht so. Im Grunde genommen bräuchte man dafür einen siebten Sinn. Dann müssten wir nicht pausenlos hinter solchen Typen her humpeln.“
Ungeniert mischte ich mich in ihr Gespräch ein. „Siebter Sinn? Und wenn Sie den besäßen?“
Cool abschätzend guckte sie herüber. „Verstehen Sie einen Funken von Polizeiarbeit?“
„Kripo Berlin“, gab ich ebenso lässig zurück.
„Ach nee, die mit dem Racheengel! Stimmen die Gerüchte?“
Die Story zog anscheinend langsam Kreise.
„Ja, absolut.“
Sie blinzelte irritiert und rückte zwei Barhocker näher. „Eher weniger gesetzestreu, euer Treiben, was?“
Ich sah ihr direkt in die grünen Augen. Prompt begann ihre coole Fassade zu bröckeln.
„Der Racheengel arbeitet erstens unbewaffnet, zweitens verübt er, anders als der Name behauptet, niemals Rache.“
„Und wer steckt hinter dieser mysteriösen Person?“
„Ich.“
Rachel schnappte verärgert nach Luft. „Sie sind doch höchstens mal 20 Jahre alt. Verarschen kann ich mich selber!“
„Rufen Sie an“, forderte ich die Kommissarin auf und hielt ihr mein Handy hin.
Unwillig raunzte sie: „Weiß die Nummer nicht.“
„Chefin ist Katja Rainer, für die Durchwahl drücken Sie einfach auf ihren Namen im Adressbuch.“
„Und wie heißen Sie?“
„Lilia.“
Drei am Telefon gelauschte Minuten später hatte sich eine gewisse Blässe in Rachels sommersprossigem Gesicht breitgemacht.
„Können wir uns in Ruhe unterhalten?“
Langsam wies sie auf eine halbrunde, plüschrote Couch in einer düsteren Ecke der noch leeren Bar. „Möchten Sie einen Kaffee?“
„Danke, ich bin versorgt“, deutete ich auf mein halb volles Glas.
„Paps, bist du so lieb und machst mir einen Espresso?“
„Kommt sofort.“
Kaum saßen wir, fragte Rachel mit spürbarer Verwunderung: „Warum sind Sie überhaupt hier?“
„Um Sie für Katjas Team abzuwerben.“
Erstaunt schossen ihre Augenbrauen hoch. „Wieso ausgerechnet mich, eine Anfängerin?“
„Sie sind jung, engagiert und verfügen über einen wachen Instinkt. Aber vor allem besitzen Sie eine ausgeprägte Antenne für Mystizismus.“
Erschrocken wollte sie wissen: „Wie haben Sie das herausbekommen?“
„Reine Begabung, tut hier nichts zur Sache. Entscheiden Sie sich für Berlin, werden Sie garantiert mehr Geheimnisvolles oder Irrationales erleben, als Sie sich im Moment vorstellen können.“ Mit voller Absicht stellte ich den Mut der blutjungen Kommissarin auf die Probe.
„Ich – muss mir Ihre Geschichte erst mal durch den Kopf gehen lassen.“ Wie ein Stehaufmännchen schwankte sie zwischen krasser Neugier und unbestimmter Furcht.
Beschwichtigend unterbreitete ich Rachel einen Vorschlag. „Nutzen Sie Ihren morgigen freien Tag und erscheinen Sie im Berliner Präsidium. Um Punkt 9 Uhr beginnt unsere Teambesprechung.“
Die Adresse kritzelte ich auf einen Bierdeckel und erhob mich. Ernst fügte ich hinzu: „Sie sind unsere erste Wahl.“
„ Wird Rachel kommen?“
„ Natürlich.“
Vom Zug aus informierte ich Katja – auch über den flüchtigen Todesfahrer. Sie war mit ihrem Kopf ganz woanders und schimpfte: „Wir machen uns gerade für die Operation Supermarkt startklar. Warum müssen die bis Mitternacht geöffnet haben? Irgendwann wollen wir auch mal schlafen.“
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