Daniela Zörner
Elbenfürstin
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Inhaltsverzeichnis
Titel Daniela Zörner Elbenfürstin Dieses ebook wurde erstellt bei
Gedicht Gedicht Daniela Zörner Elbenfürstin Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien Band 1 Roman Auch als Taschenbuch erhältlich Das ist mein Fenster. Eben bin ich so sanft erwacht. Ich dachte, ich würde schweben. Bis wohin reicht mein Leben, und wo beginnt die Nacht? Rainer Maria Rilke Nur für dich werden die Buchstaben tanzen.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Vorschau auf Band 2 „Elbensilber“
Die Bedeutung der Namen
Lilias Musik
Lilias Gedichte
Das wirklich vorerst Letzte
Impressum neobooks
Daniela Zörner
Elbenfürstin
Die Geschichte der Lilia Joerdis van Luzien
Band 1
Roman
Auch als Taschenbuch erhältlich
Das ist mein Fenster.
Eben bin ich so sanft erwacht.
Ich dachte, ich würde schweben.
Bis wohin reicht mein Leben,
und wo beginnt die Nacht?
Rainer Maria Rilke
Nur für dich werden die Buchstaben tanzen.
Ungefähr 44 Jahre zuvor
Wenn nur diese quälenden Albträume endlich aufhörten. Dafür würde sie alles tun, hatte das verzweifelte Mädchen der alten Dorfhexe versichert und ihr zugleich einen hohen Lohn versprochen. Allein bei Erfolg natürlich, weshalb die Alte eine dreist geringe Anzahlung von Irma bekommen hatte. Das daumenbreite Schinkenstück, geklaut aus dem Vorratskeller des Bauernhauses, würde niemand vermissen. Die Kräuterhexe nahm es mit kehligem Knurren entgegen, was Irma, wie sie sich höchst ungern erinnerte, vor vier Tagen einen kräftigen Schauder über den Rücken jagte. Mit auflodernder Wut dachte sie an ihren Besuch bei der unheimlichen Alten. Irma war nicht umhin gekommen, dort sämtliche Einzelheiten ihrer Albträume zu schildern, bis ungewollt schwächliche Tränen flossen. Die schmeichelnden Gesänge der Göttinnen, ihre Einflüsterungen und verrückten Anweisungen waren nur der harmlose Auftakt gewesen. Denn das Mädchen verweigerte ihnen stur den eingeforderten Gehorsam. Bald schon rächten sich die Göttinnen. Ausnahmslos jede Nacht malträtierten Irma apokalyptische Albträume, bis sie glaubte, dem Wahnsinn zu verfallen.
Nie mehr, schwor sich die 19-Jährige nun, nie mehr würde sie sich solch eine Blöße geben. „Irma wird es euch allen zeigen“, murmelte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. Entschlossen schlug sie die kratzige Bettdecke zurück und schwang ihre Füße auf die groben Dielen. Leise öffnete sie die Schublade des wackeligen Nachttischs. Hinter der verhassten Bibel lag sicher versteckt das zusammengeknotete Taschentuch von der Hexe. Was genau es enthielt, war Irma egal, solange das Zeug seine Wirkung tat. Rasch streifte sie sich die zerschlissene Strickjacke über ihr hässliches lindgrünes Nachthemd, stopfte das Taschentuch in die Jackentasche und griff zuletzt nach den Holzschuhen. Dann lauschte das Mädchen regungslos. Dabei rief es sich sämtliche besonders laut knarrenden Dielen auf dem Weg von der Dachkammer bis zur Küche im Erdgeschoss ins Gedächtnis. Angespannt drückte Irma die Türklinke hinunter. Die kleinen, dreckigen Fensterscheiben des stockdunklen Bauernhauses ließen wenig Licht hinein, obwohl der Vollmond an einem wolkenlosen Nachthimmel leuchtete. „Wie bestellt“ , dachte sie zufrieden. Das uralte Fachwerkhaus, von ihr insgeheim als „Miststall“ beschimpft, knackte und knarzte mit jedem Luftzug leise vor sich hin.
Nach einer atemlosen Ewigkeit schlich das Mädchen durch die Küchentür zu dem verriegelten Hintereingang. Es beglückwünschte sich zu seiner Klugheit, als der frisch geölte Türriegel ebenso geräuschlos aufglitt wie die gefetteten Türangeln. Draußen schlüpfte Irma in die Holzschuhe und betrat den verwüsteten Küchengarten. Am Vortag hatten die Schweine das nachlässig angelehnte Gartentor genutzt, um sämtliche Gemüsebeete umzupflügen. Das würde ihr Vorhaben, den Lohn für die Kräuterhexe zusammen zu stehlen, nicht eben leichter machen. „Soll die Hexe am Schinken ersticken!“ Doch nach einer Denksekunde hakte Irma den Punkt kalt berechnend ab. Solange sie niemand erwischte, würde der Bauer seinen Knecht verdächtigen. Dass der Knecht zugleich ihr Vater war, scherte sie nicht weiter.
Am hinteren Gartentor schlug sie den sommerlich staubigen Pfad zu einem Birkenhain ein, der hinter der Kuhweide lag. Unablässig beleidigte kloakiger Gestank nach Schweinekot und Kuhfladen ihre Nase. Bald, sehr bald sollte ihr elendes Dasein der Vergangenheit angehören. In wenigen Monaten, mit abgeschlossener Lehre, wollte Irma dem miesen Kuhdorf endgültig den Rücken kehren. Sie kannte nur ein Ziel: ein richtiges Leben in der Stadt beginnen.
So plötzlich sauste der Schatten haarscharf an ihrem Kopf vorbei, dass sie beinahe laut aufgeschrien hätte. „Ruhig, Irmaschatz, bloß eine eklige Fledermaus.“ Um ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen, erinnerte sie sich ihrer wichtigsten Siege: „Gegen alle Widerstände habe ich mir den Besuch der Realschule erkämpft. Gegen meine Rivalin habe ich die Lehrstelle als Apothekengehilfin im Nachbardorf erobert.“ Bei der Erinnerung an das Wie huschte ihr ein verächtliches Grinsen übers Gesicht. Ebenso hartnäckig würde sie gleich ihre Albträume beseitigen. Energischen Schrittes stapfte sie auf dem Pfad weiter.
Der Birkenhain begrüßte das Mädchen mit seinen sanft raschelnden Blättern und den melodischen Unkenrufen des nahen Teiches, ihrem Ziel. Ein letztes Mal rief es sich die Anweisungen der alten Kräuterhexe in Erinnerung: Geh bei Vollmond zum Froschtümpel. Öffne dort das Tuch und zieh die Nadel heraus. Lass einen Tropfen deines Blutes auf die weiße Wurzel fallen. Dann knote das Tuch wieder fest zusammen und knete es kräftig durch. Gib acht! Kein noch so kleiner Krümel darf herausfallen. Nun wirf das Tuch in den Tümpel. Sobald die Unken erneut rufen, sprich laut und deutlich deinen Willen in das Spiegelbild des Mondes.
Penibel, wie Irma es aus der Apotheke gewohnt war, befolgte sie jetzt Schritt für Schritt. Kurz darauf versank das Taschentuch langsam in der grützegrünen Brühe. „Wieso rufen die dämlichen Unken nicht?“ Unwillig erstarrte Irma zur Salzsäule, damit die glibberigen Viecher ihre Anwesenheit vergaßen. Gegen die sanfte Stille am Tümpel drängte ihr Seelenleid umso heftiger, sich endlich Gehör zu verschaffen, bemächtigte sich mit der Gewalt eines Orkans ihrer Sinne. Mit dem ersten Unkenruf brach albtraumhafter Wahnsinn als explosive Wucht eines Urschreis heraus: „Es gibt keine Göttinnen!“
Mit eingefrorenem Lächeln für gardinenverborgene Augen schob Irma den Kinderwagen entlang der schlammigen Dorfstraße. Sie kochte innerlich bis kurz vor dem Bersten. Heute war der Tag, dem allein sie entgegengefiebert und der ihre Geduld auf die härteste Probe ihres Lebens gestellt hatte. 21 Jahre alt, endlich volljährig. Doch statt des herbei gesehnten Lebens in der Stadt mit schicken Kleidern, Tanz und Theater und eigener Wohnung und… Sie unterdrückte die stetig lockenden Bilder heimlicher Tagträume, indem sie sich kräftig auf die Unterlippe biss. Seit dieser verhängnisvollen Vollmondnacht, in der sie die Göttinnen verleugnete, wandte sich das Schicksal gnadenlos gegen Irma. „Verfluchte Götter!“, stieß die junge Frau unbeherrscht aus, zuckte zusammen und blickte sich schnell um. Verkniffen lächelnd nickte sie der stocktauben Greisin vom Nachbarhof zu.
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