Die zwei SS-Soldaten schleifen, einen offensichtlich toten Mann auf den Vorhof und legen ihn neben die verletzte Frau. Inzwischen stürmen weitere Uniformierte in die Scheune. Es bleibt längere Zeit ruhig, dann verlassen sie die Scheune und zeigen an, dass die Aktion beendet ist. Der LKW fährt vor und die Gefangenen müssen aufsteigen. Die Leiche lassen sie liegen. Die verletzte Frau wird am Schluss noch auf die Ladebrücke geworfen. Sie schreit auf, als sie hart aufschlägt.
«Aktion beendet!», tönt es aus dem Kopfhörer von Willis Funkgerät, «bleibt noch fünf Minuten, dann könnte ihr zurück zu eurer Einheit. Heil Hitler!»
Nachdem die SS-Soldaten weggefahren sind, nähert sich ein Motorrad mit Seitenwagen dem Hof. Eine Frau und zwei Männer, wie Slowaken gekleidet, steigen ab. Der Fahrer des Gefährts redet auf sie ein. Die Handzeichen deuten darauf hin, dass der Bauernhof jetzt den beiden Passagieren gehört. Die bedanken sich überschwänglich. Bevor der Fahrer losfährt, deutet er noch auf die Leiche, sie soll verschwinden, wohin scheint ihm egal zu sein.
«Wir können zurückfahren», ruft Willi seinem Fahrer zu, «denen haben wir es gezeigt, diese verdammten Juden, jetzt wird aufgeräumt.»
Der Fahrer Antwort nicht, fährt aber sofort los. Als sie zur Einheit zurückkehren, empfängt sie der Kommandant persönlich.
«Gut gemacht Wolf», ruft er gegen den Motorenlärm ankämpfend, «die SS war zufrieden. Heil Hitler!»
Am nächsten Nachmittag wiederholt sich das gleiche Szenario bei einem anderen Bauernhof. Diesmal ergeben sich die Juden schon, als sie sehen, wie der LKW vorfährt. Die Aktion dauert nur eine halbe Stunde und geht ohne Schusswechsel und Verletzte zu Ende. Einige Schläge bekommen die Juden beim Einsteigen ab, aber sie werden nicht ernsthaft verletzt. Auch in diesem Fall übernimmt ein slowakisches Paar den Hof. Ein kleines Geschenk, weil die Slowaken den Deutschen so freundlich gesinnt sind.
Die nächsten zwei Einsätze finden ohne Willi statt. Der Kommandant legt Wert darauf, dass möglichst viele seiner Truppe, Kampferfahrung sammeln können. Da die Kompanie nur über drei Funker verfügt, ist er schon bald wieder im Einsatz.
Diesmal wird ein kleiner Weiler mit fünf Gebäuden umstellt. Die SS ist diesmal mit drei LKW an der Aktion beteiligt. Die sichert nach Norden ab, da ist es unübersichtlich. Willis Panzer fährt nach Süden, dort liegt ein weites Feld. Nach rund zweihundert Meter folgt ein Wäldchen. Ihre Aufgabe ist, zu verhindern, dass Juden in den Wald flüchten können, denn dann, das hat der SS Offizier deutlich gemacht, würde es schwierig, die Leute aufzuspüren.
Im Weiler geht es nicht so glimpflich ab, wie sonst, es fallen Schüsse. Dann meldet sich der Funk: «Panzer bitte seit wachsam, die wollen abhauen. Feuer frei auf jeden Flüchtenden.»
«Da!», ruft der Fahrer und er zeigt auf zwei Männer die aus einem Haus rennen.
Willi hat sie auch erspäht und richtet das MG auf die beiden. Nur kurz zögert er, dann feuert er die erste Salve ab. Er hat absichtlich rund zehn Meter vor die Männer gezielt, um ihnen die Möglichkeit zur Kapitulation zu geben. Doch die rennen im Zickzack weiter. Die zweite Salve feuert er gezielt ab. Einer ist getroffen, was sein Fahrer mit einem kurzen Jubel belohnt. Die dritte Salve streckt auch den zweiten Mann nieder. Beide winden sich im Gras, können aber nicht mehr weiter. Die SS wird sie einsammeln können.
Bei einem Haus bemerken sie eine verdächtige Bewegung. Nochmal schiesst Willi eine Salve vor die Haustüre. Er wagt nicht direkt auf die Bewegung zu schiessen, vielleicht ist es ja ein SS-Mann.
Die beiden verwundeten Männer, winden sich vor Schmerzen. Doch der eine wird immer ruhiger, dann liegt er plötzlich still da. Der andere kriecht zu ihm rüber und streicht ihm über den Kopf, dann schreit er auf, sein Freund scheint tot zu sein. Seine Hand fährt über das Gesicht des Toten und schliesst ihm die Augen. Dann ist er wieder mit seinem schmerzenden Bein beschäftigt und versucht das Blut zu stillen.
Im Weiler wird es ruhig. Die SS hat die Lage unter Kontrolle. Zwei Soldaten schleppen den verwundeten ins Haus. Von seinem Standort aus, können sie die LKW nicht einsehen. Sie wissen nicht wie die Aktien weiter abläuft. Nach einer Stunde kommt die Meldung über Funk.
«Aktion beendet, danke gut gemacht! Heil Hitler!»
«Los du kannst nach Hause fahren», befiehlt er seinem Fahrer.
«Denen hast die gegeben», dann fährt er los und man versteht kein Wort mehr.
Im Standort ihrer Einheit werden sie diesmal von niemandem empfangen. Die Einsätze sind zu Routine geworden.
Beim Antrittsverlesen der Kompanie, hält der Kommandant eine kurze Rede. Er informiert, dass die Wehrmacht in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt ist. Die Polen werden immer dreister und verweigern den Korridor zur Stadt Danzig. Das will sich unser Führer nicht bieten lassen. Er wird es ihnen zeigen!
«Ich mache nochmals darauf aufmerksam, dass wir auf unseren Führer die Treue geschworen haben.»
Danach lässt er die Kompanie den Eid wiederholen. Es herrscht eine ernste, aber feierliche Stimmung. Mit mehreren Heil Hitler Rufen, wird die Kompanie in den Ausgang entlassen.
Die Hilde erwartet Willi auf der Strasse mit einem heftigen Kuss. Danach geht's zu ihr nach Hause auf den Bauernhof. Heute muss Willi nicht arbeiten, es geht direkt auf das Zimmer. Sie hat Radio gehört und weiss, dass die politische Lage schwierig ist.
Als Willi ins Lager zurückkehrt, wird er informiert, ab sofort gilt Alarmstufe zwei. Dies heisst, abmarschbereit in zwei Stunden.
Am Freitag wird die Kompanie um drei Uhr früh geweckt.
«Um vier Uhr antreten!», meldet der Soldat, welcher die Aufgabe des Weckens übernommen hat.
Nun entsteht Hektik. Waschen, Frühstück und packen, alles muss schnell gehen. Um drei Minuten vor vier Uhr meldet der Feldwebel die Kompanie als bereit.
«Der Führer hat eine wichtige Meldung angekündigt», informiert der Kommandant seine Leute. Am Fenster des Kompaniebüros wird das Radio aufgestellt. Nun rückt jeder Zug der Reihe nach vor, um sich rund um das Radio zu postieren, so dass alle mithören können. Nach zahlreichen Anschuldigungen an die Adresse von Polen, kommt er auf den wichtigen Punkt.
«Seit fünf Uhr fünfuhrfünfundvierzig wird zurückgeschossen!», brüllt der Führer aus dem Radio, «ab jetzt wird Bombe mit Bombe vergolten!»
Die Kompanie bricht spontan in Jubel aus. Auch Heil Hitler Rufe werden skandiert. Endlich geht es los. Den Polen werden wir es heimzahlen. Danzig gehört zu Deutschland, das war immer so.
Der Rede von Hitler hört schon lange niemand mehr zu, man versteht eh kein Wort mehr. Die Kompanie gleicht eher einer Menge auf einem Volksfest, als einer Einheit der Wehrmacht. Einige liegen sich in den Armen, andere recken den Arm zum Hitlergruss.
«Soldaten!», ruft der Kommandant zu seinen jubelnden Männer, «ich unterbreche nur ungern, aber wir müssen in einer halben Stunde Marschbereitschaft melden. Also, jeder auf seinen Posten marsch.»
Schnell löst sich der jubelnde Haufen auf und es beginnt ein durchorganisiertes, systematisches Durcheinander, welches eine halbe Stunde später in einer abfahrbereiten Kolonne von Fahrzeugen aller Art endet.
Wie hundert Mal geübt, steht der Panzer von Willi an dritter Stelle am Rande der Hauptstrasse, welche zur nahen Grenze nach Polen führt.
Das Warten ist unerträglich, alle möchten losfahren, doch der Kommandant wartet auf den Einsatzbefehl aus dem Divisionsstab. Dieser trifft erst nach einer guten Stunde ein. Nun setzt sich die Kolonne Richtung Polen in Bewegung.
Drei Kilometer ausserhalb Rabca kommt der Befehl über Funk.
«Strasse nach rechts verlassen und auf dem Feldweg in Richtung des Berges Gabis Bora vorrücken.»
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