Ihre Meinung hätte sich geändert, wäre es ihnen gelungen, einen Blick in die Blackwing zu werfen, zumal sich dieser Kreuzer gravierend von der standardisierten Bauweise der APS-Schiffe unterschied.
Es war offensichtlich, dass der Landungskreuzer auf dem Rumpf eines modernen APS basierte, doch ebenso, dass es wesentliche Änderungen gab. Die Außenhülle war stärker gewinkelt und wirkte kantiger, die beiden großen Kuppeln der Railguns auf der Oberschale und unter dem Rumpf fehlten vollständig. Das erhöhte nicht nur die Effektivität der tetronischen und optischen Tarnung, sondern erlaubte es auch, den Rumpf auf fünf Meter über den Boden abzusenken. Dies erleichterte das Ausschleusen von Bodentruppen und Fahrzeugen.
Dennoch verfügte das Schiff auch über eine der schweren Railguns. Diese war zwar im Bug eingebaut, was ihren Erfassungsbereich reduzierte, doch das Schiff war auch nicht für normale Kampfeinsätze gedacht. Neben der schweren Waffe verfügte es noch über sechs versenkbare Waffentürme, die mit der üblichen Kombination aus Raketen, Hochenergie-Lasern und 20-Millimeter-Gatlingkanonen ausgestattet waren.
Weit unauffälliger als die baulichen Abweichungen war jedoch die besondere Fähigkeit zur Tarnung. D.S. Blackwing , mit der Nummer 84 im offiziellen Flottenregister, war das erste effektive Tarnschiff der Sky-Navy und sie wurde gerade auf eine Mission vorbereitet, die man tunlichst vor den Medien verborgen halten wollte.
Eigentlich war die Blackwing für geheime Landungsoperationen konzipiert und hatte sich erstmals bei der Erkundungsmission auf Regan III bewährt. Als reines Landungsschiff benötigte sie zwar hohe Transportkapazitäten, war jedoch nicht für Langstreckenflüge und einen entsprechend ausgedehnten Aufenthalt im Raum gedacht. Dies machte einige Veränderungen im Schiff erforderlich, was Captain Jen-Li und seinen ersten Offizier, Lieutenant-Commander Hiroshi Yagoda, nicht unbedingt erfreute.
Jen-Li konnte seine chinesische Abstammung ebenso wenig verleugnen, wie Hiroshi Yagoda seine japanische. Obwohl beide inzwischen gut befreundet waren, genossen sie es sichtlich, sich gelegentlich, vor Anderen, mit Anspielungen auf die traditionelle Gegnerschaft ihrer Stammvölker zu reizen. Während Jen-Li an Bord gerne die Kappe eines chinesischen Mandarins trug, war Yagoda oft mit dem geerbten Samurai-Schwert seiner Vorväter zu sehen. Eine Marotte der beiden Navy-Offiziere, die stillschweigend geduldet und belächelt wurde.
Obwohl die Besatzung aus Angehörigen der Navy bestand, war die Blackwing ein Schiff der Cavalry. Dies war eine Kröte, an der die „Vakuumschwimmer“ mächtig zu schlucken hatten, unterstanden sie damit doch dem direkten Befehl des „Schlammfußes“ Hoch-General Omar ibn Fahed. Zumal andere Crews die der Blackwing hinter vorgehaltener Hand gerne als Transportkutscher bezeichneten und nicht als reguläre Kreuzerbesatzung sahen.
Im Augenblick standen Captain und Eins-O außerhalb des Schiffes, an der Trennlinie zwischen beiden Kreuzern, und beobachteten den Transport zahlreicher Kisten und Transportbehälter, die man an Bord brachte.
„Ich komme nicht umhin zu bemerken, dass unser Schiff den Eindruck vermittelt, als würde ich es für einen Umzug deiner zahlreichen Familie missbrauchen“, sagte Jen-Li in Anspielung auf die Großfamilie, zu der sein Freund gehörte. „Du hast selbst das Klavier eingepackt.“
„Ich wiederum komme nicht umhin, meinen verehrungswürdigen Captain und Freund zu korrigieren. Es ist ein Koto und das ist ein traditionelles Zupfinstrument aus der alten Heimat meiner Vorfahren.“ Hiroshi Yagoda deutete eine Verbeugung an. „Möge mein verehrter Freund mir Dankbarkeit erweisen, dass ich keine schottischen Verwandten habe und nicht meine Sammlung an Dudelsäcken einladen lasse.“
Jen-Li erwiderte lächelnd die kurze Verneigung. „Jedenfalls ist es ein ziemlicher Aufwand, den wir hier betreiben müssen.“ Er seufzte leise. „Offiziell werden Arbeiten an unserer unteren Railgun-Kuppel ausgeführt, welche wir, wie ich beiläufig erwähnen möchte, überhaupt nicht besitzen. Inoffiziell werden Quartiere für einhundert Sky-Troopers eingerichtet. Nebst Vorräten für einen Flug, der sich über viele Monate erstrecken kann. Ein immenser Aufwand für diesen Auftrag.“
„Immerhin eine bedeutsame Mission“, meinte Yagoda. „Wüsste die Presse davon, so würde man den verehrten Hoch-General bestürmen, zusätzlich eine Schwadron Reporter an Bord zu nehmen. Die Medienvertreter werden sich die Haare büschelweise ausreißen, wenn sie später erfahren, dass wir vielleicht den Grundstein für eine Verständigung mit den Greens gelegt haben.“
„Jedenfalls bin ich froh, dass die Umbauten endlich abgeschlossen sind“, knurrte Jen-Li. „Die Blackwing wurde für kurze Flüge entworfen. Start von der Basis, acht Stunden Flug zum Ziel, dort anschleichen und die Schlammfüße absetzen, und dann wieder acht Stunden zurück zur Basis. Ein Job für einen Tag und nicht mehr. Damit wir genug Energie für die extrem starken Antriebe, die Tarnvorrichtung und unsere Waffen haben, haben die verehrten Konstrukteure auch nur einen Tag Bordaufenthalt für die Besatzung und die Passagiere kalkuliert. Bestenfalls vielleicht auch drei.“
„Ja, dadurch ließ sich vortrefflich am unnötigen Luxus für die Besatzung einsparen, um den erforderlichen Raum zu schaffen. Immerhin, verehrter Freund, hatte man bei der Konstruktion eine kleine Bordküche und sogar Toiletten berücksichtigt. Ich glaube mich zu erinnern, dass man uns sogar ein paar Betten bewilligte.“
Hiroshi übertrieb schamlos, dennoch steckte einiges an Wahrheit in seinen Worten. Obwohl man bei den gerade durchgeführten Umbauten auch nicht unbedingt an den Luxus der Menschen an Bord gedacht hatte, waren die Veränderungen für einen Langstreckenflug doch erheblich. Eine Truppe, die lediglich einen kurzen Flug vor sich hatte, um dann auf einem Planeten abgesetzt zu werden, benötigte keine Quartiere, Aufenthaltsbereiche und Raum für umfangreiche Vorräte. Genau dies war nun geschaffen worden. Dies war allerdings nur gelungen, in dem man den Raum nutzte, der zuvor den Kampffahrzeugen zugedacht gewesen war. Leider mussten nun auch drei der vier Landungsboote und beide Jagdbomber zurückbleiben, da ihr Hangar ebenfalls für den Aufenthalt der Menschen, Vorräte und Zusatzausrüstung benötigt wurde.
„Es kommen sogar zwei Ärzte an Bord.“ Yagoda betrachtete die Mannschaftsliste auf seinem tragbaren Mini-Comp.
„Keine Ärzte“, korrigierte Jen-Li. „Doktor Lennerson ist Linguist und soll nach einer Verständigungsmöglichkeit mit den Greens suchen, sofern diese zu einer Unterhaltung aufgelegt sind. Und Doktor Braunfels ist Alien-Psychologe.“
„Alien… Was?“
„Alien-Psychologe. Spezialisiert auf außerirdische Völker.“ Der Captain zuckte mit den Schultern. „Das High-Command hat ihn an Bord befohlen, da Braunfels wohl schon intensive Studien bei den Hanari und den Shanyar durchführte. Wenn sich jemand in der Psyche von Aliens zurechtfindet, dann wahrscheinlich Braunfels.“ Jen-Li sah seinen Freund ernst an. „Keine dumme Idee, mein verehrter Freund. Denk einmal an die unterschiedlichen Bräuche der alten irdischen Völker. Was bei dem Einem als freundliches Lächeln galt, war bei einem Anderen eine Kriegserklärung.“
„Dem muss ich zustimmen. Es wäre unschön, wenn eine friedliche Kontaktaufnahme scheitert, weil jemand eine falsche Geste macht. Unser geschätzter Hoch-General ibn Fahed scheint jedoch sicher gehen zu wollen, da er uns einen Troop der siebten Raumkavallerie an Bord schickt. Auf meiner Liste steht ein Captain Custer. Wird Zeit, dass er anrückt. Die letzten Vorräte gehen an Bord und ich möchte nicht länger mit dem Start warten, als unbedingt erforderlich. Ich hoffe, der Mann verläuft sich nicht. Offiziell schifft sich seine Abteilung ja auf der Marseille ein.“
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