„Wir haben ihn gestochen“, berichtete der Waffenoffizier mit ruhiger Stimme.
Hen-Talar blickte wieder auf den Hauptschirm. Die Panoramascheibe zeigte eine Wolke aus Trümmern, die sich dort ausbreitete, wo vor Augenblicken noch das Walzenschiff im Raum gestanden hatte. Der Anblick brachte dem Hoch-Wort jedoch keine Genugtuung. Der Alarm und sein Verstand sagten ihm, dass das eigene Schiff schwer getroffen war.
Der junge Sker-Lotar war an die Systemkontrolle geeilt, wo er neben der ausführenden Hand der Maschine die Anzeigen verfolgte. Die grünen Lichter zeigten, welche Räume des Schiffes plötzlich ohne Druck waren, da die feindliche Waffe das schützende Metall erreichte und zerfraß.
„Es wird langsamer“, stellte Sker-Lotar fest. „Der Zersetzer verliert deutlich an Kraft, Hoch-Wort.“
„Ausführende Hand der Maschine, wird die Kandahaar überleben?“
Der Systemkontrolloffizier zögerte mit der Antwort. „Für eine Weile… Ja. Doch selbst wenn sich die Kraft des Zersetzers jetzt ganz verliert, so hat er doch Schäden angerichtet, die letztlich die Vernichtung unseres Schiffes zur Folge haben werden.“
„Ich verstehe. Lass die Schäden feststellen und die Mannschaft soll in den betroffenen Bereichen nach Überlebenden…“
„Verzeih, Herr, aber ich halte deine Worte für unüberlegt und unangemessen“, fiel ihm der junge Wissenschaftler ins Wort. „Es ist kein Schaden durch die üblichen Waffen, sondern durch den Zersetzer.“
Hen-Talar knickte zustimmend die Fühler nach vorne. „Dein Widerspruch ist überlegt und angemessen. Wenn jemand die Räume betritt, in denen der Zerrsetzer gewütet hat, so könnte sich sein Luftanzug auflösen und er wäre dem Nicht-Leben geweiht. Ausführende Hand der Maschine, die betroffenen Räume sind zu versiegeln. Ausmaß der Schäden und Verluste schnellstens feststellen. Uns bleibt nicht viel Zeit, um uns in die Sicherheit der Quarantäne-Welt zu bringen.“
Hen-Talar wandte sich dem Piloten und dem Funker zu. „Ausführende Hand des Schiffes, setze Kurs auf die Quarantäne-Welt und gehe in die Schwingung, sobald der Antrieb aufgeladen ist. Ausführende Hand der Sprecher, stelle eine Verbindung mit einer der Stammwelten her und berichte, dass wir dort abgeholt werden müssen.“
Beide Norsun bestätigten, während sich der Systemkontrolloffizier und Sker-Lotar wieder der Schadensfeststellung widmeten.
Hen-Talar überschlug, was er über die Wirkung des Zersetzers gelernt hatte. Wenn die Waffe keinen der Antriebe beschädigt hatte, dann konnte er die Kandahaar auf die Quarantäne-Welt bringen. Sie würde dort als Wrack verrotten, doch die überlebende Besatzung konnte durch ein Rettungsschiff abgeholt werden. Inzwischen wusste man, dass diese Schiffe nicht gefährdet waren, auch wenn man den Grund hierfür nicht kannte.
Die ausführende Hand der Maschine wandte sich ihm zu. „Alle Energieerzeuger und Antriebe sind intakt. Allerdings sind fünfzehn Prozent der Außenhülle und der Räume beschädigt. Die Strukturschwäche kann sich ausbreiten.“
„Deswegen werden wir auch schnellsten in die Schwingung zur Quarantäne-Welt gehen“, meinte Hen-Talar.
Woraus bestand die Waffe, beziehungsweise deren Wirkungsweise? Einige vermuteten eine Strahlung, andere eine Art energetischem Projektil, wieder andere glaubten an eine Art von Sporen, die im Weltraum überlebten und sich von anorganischem Material ernährten. Es war bislang nicht möglich, dies genauer zu analysieren.
„Ausführende Hand der Sprecher an das Hoch-Wort: Es ist mir nicht möglich, mit einer der Stammwelten in Verbindung zu treten. Alle Langstreckensprecher versagen den Dienst. Ich kann nur einen Kurzstreckensprecher aktivieren.“
„Dann wird man nicht erfahren, dass wir die Quarantänezone anfliegen“, meinte der Systemkontrolloffizier betroffen. „Man wird uns nicht vermissen und uns nicht abholen.“
„Das ist falsch“, erwiderte Hen-Talar mit fester Stimme. „Im Orbit um die Quarantäne-Welt gibt es eine Überwachungsstation. Über Kurzstrecke können wir mit ihr sprechen. Sie wird ein Rettungsschiff für uns rufen.“
„Herr, der Schwingungsantrieb ist fast aufgeladen“, meldete der Pilot.
„Dann spreche ich das Wort.“ Hen-Talar sah die Anwesenden entschlossen an. „Wir gehen in die Schwingung und retten uns.“
Kapitel 2 Das Trump-Prinzip
Hangar 12-C, Flotten-Basis Arcturus, Hauptliegeplatz der Sky-Navy
Arcturus war die größte der drei Flottenbasen, welche die Hauptwelt des Direktorats und das solare System in der ungefähren Anordnung eines gleichschenkligen Dreiecks umgaben. Die Basen Arcturus, Rigel und Arantes waren allesamt künstliche Satelliten im Orbit um einen Planeten oder, wie im Fall von Arcturus, die Sonne. Arcturus Navy Base bestand aus einer diskusförmigen Scheibe von fast zehn Kilometer Durchmesser, aus deren oberen und unteren Polen die hohen Nabentürme aufragten, in denen unter anderem gewaltige Ortungs- und Kommunikationseinrichtungen enthalten waren. Riesige hydroponische Gärten dienten der Versorgung mit Lebensmitteln. Zwei Decks waren vollständig bewaldet und wurden zur Erzeugung der Atemluft genutzt. Der Bau hatte sich über fast zwanzig Jahre hingezogen und war nur möglich gewesen, da man die Basis nur zu einem geringen Teil aus Tri-Stahl errichtet hatte. Genau genommen bestand lediglich ihr Skelett aus Metall, der Rest war aus jenem Bauschaum geformt, der auch auf dem Mars und in den Kolonien als Hauptbaumittel für alle Gebäude diente. Der Schaum war billig, leicht herzustellen, feuerfest und, abhängig von seiner Dicke, auch strahlungsabschirmend. Kleinstmeteoriten wurden von dem dicken Material förmlich verschluckt, welches sich hinter den kosmischen Projektilen wieder schloss. Wirklich gefährliche Brocken wurden von den Geschützen der Basis abgewehrt. In den Hangars und an den langen Pylonen, die wie die Arme eines Kraken vom Diskus in den Weltraum hinaus ragten, dockten oder ankerten zivile Schiffe und die der Sky-Navy. Kern der hier stationierten Flotte waren drei der gewaltigen Trägerschlachtschiffe, von denen stets eines als Rettungsträger für Katastropheneinsätze bereitgehalten wurde.
Mit Entdeckung des Hiromata-Nullzeit-Sturzantriebs war die Bedeutung von Arcturus als Umschlagplatz für Waren und Menschen zurückgegangen. Handel und Personentransport wurden häufig durch Fast Landing Vehicles wahrgenommen, die man mit einem Hiromata für Langstreckenflüge umrüstete. Trotzdem nutzten die Handelsgesellschaften die Basis gerne, da man hier seine Schiffe überholen und warten lassen konnte.
Die Medien interessierten sich in den vergangenen Jahren nur noch mäßig für die Vorgänge auf Arcturus, doch nun lag die Menschheit im Krieg mit den Greens. Wie es ein Sergeant der Sky-Cavalry so treffend formulierte: Jeder Darmwind des Militärs wurde plötzlich zum Tornado, über den sich die Medienvertreter in aller Breite ausließen.
Medien besaßen ein Gespür dafür, wenn etwas vor sich ging. Was im Hangar 12-C der riesigen Flottenbasis Arcturus geschah, sollte ihnen jedoch verborgen bleiben. So wandte Hoch-Admiral John Redfeather das Trump-Prinzip an, bei dem die Medien durch alternative Informationen von den wahren Ereignissen abgelenkt wurden.
Hangar 12-C war hierfür ideal, da er als Doppelhangar konzipiert war, in dem zwei Schiffe gleichzeitig gewartet oder versorgt werden konnten. Momentan lagen hier die beiden APS-Kreuzer D.S. Marseille und D.S. Blackwing . Während die Marseille für einen weiteren Patrouillenflug neu ausgerüstet wurde, erfolgten an der Blackwing kleinere Umbauten, um ihre tetronische Ausstattung zu modernisieren.
Die Reporter hatten einen kurzen Vid-Bericht über die Vorgänge im Hangar an ihre jeweiligen Medien gegeben, aber bezweifelt, dass es überhaupt eine Erwähnung geben werde, da die Ausrüstung zweier Kreuzer schlicht zu banal war.
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