Ranjid nickte eifrig. „Mister Waldron ist ein wahrhaft großer Unterstützer, Captain McIntosh. Sehen Sie, wir haben hier keinen der üblichen Scanner für die Raumüberwachung, sondern eines dieser ganz neuen Teile. Ein Hiromata-Scanner mit einer Reichweite von dreißig Lichtjahren, der ohne jeden Zeitverlust arbeitet. Ein fantastisches Gerät.“
„Und fantastisch teuer“, stimmte Sean zu. „Ich kenne die Geräte und habe es selbst an Bord. Ich bin ein wenig überrascht, Mister Ranjid, dass Ihre Welt so schnell an solch ein Gerät herangekommen ist. Die Geräte funktionieren ja nur mit Hiromata-Kristall und davon haben wir wenig genug. Derzeit genießt die Navy absoluten Vorrang bei der Ausstattung mit dem neuen Scanner. Ich frage mich, wie Mister Waldron an ein solches Gerät kommt und warum er es so großzügig an Ihre Welt übergeben hat.“
„Mister Waldron hat Verbindungen und er ist ein großer Freund von Fairchild“, antwortete der Chief-Controller im Brustton der Überzeugung.
„Und kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft“, fügte Maurice Margon auflachend hinzu.
„Ein teures Geschenk.“ Sean dachte kurz nach. „Kennen Sie die Geschichte vom ‚Win-win‘, Maurice?“
„Eine Geschichte von der alten Erde?“
„In der Tat.“
Der Chief-Constable zuckte mit den Schultern. „Offen gesagt interessiert mich alte Erdgeschichte nicht besonders.“
„Nun, diese hier sollte Sie interessieren, mein Freund. Sie und alle Bewohner von Fairchild, sonst könnte es ein böses Erwachen geben.“ Sean McIntosh lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Vor einigen Jahrhunderten existierte auf der Erde ein riesiges altes Reich. Innovative Philosophie, innovatives Wissen … Führend gegenüber allen anderen Ländern auf der Erde. Dieses mächtige Reich zerfiel aufgrund von Korruption und Bürgerkriegen und wurde in deren Folge von den anderen Ländern überholt. Irgendwann besann man sich im alten Reich, nannte sich fortan Republik und wollte zu alter Größe zurückfinden. Da man inzwischen weit hinter den anderen Ländern zurückhing, stahl man einfach das Wissen dieser Länder oder bot ihnen an, sehr billig für sie zu produzieren. So kam man sehr bequem an die Produktionsverfahren. Schon bald produzierte die Republik sehr viel mehr und sehr viel billiger, als die ursprünglichen Herstellungsländer, deren Firmen in Folge Pleite gingen oder von der Republik übernommen wurden. Die damaligen hohen Räte waren ziemlich machtlos und die Hoch-Manager der Länder unternahmen nichts gegen die feindliche Übernahme, da sie sehr großzügig von der Republik bedacht wurden. Bald war eine enorme wirtschaftliche Abhängigkeit entstanden.“
„Werter Freund, bitte langweilen Sie uns nicht“, bat Maurice. „Ich sehe keinen Zusammenhang mit unserem neuen Scanner und Ihrer Geschichte.“
„Ja, da kommen wir zu den netten Geschenken. Diese Republik unterstützte kleinere und auch größere Länder sehr großzügig mit Geschenken. Man baute Verkehrswege, Häfen, Flughäfen, Krankenhäuser … Natürlich alles uneigennützig und im Namen der Freundschaft. Man machte den Leuten Geschmack auf mehr, bis die Republik irgendwann sagte, man könne seinen Freunden nicht alles schenken. Aber es sei kein Problem, wenn der Freund kein Geld habe, man könne ihm großzügig Kredit gewähren und dieser dann später bezahlen. Also kauften die kleinen Länder bereitwillig auf Kredit, bis sie irgendwann bemerkten, dass sie die Kredite niemals würden zurückzahlen können. Glücklicherweise sagte der große Freund, das sei doch kein Problem. Man könne die Schulden erlassen und sogar noch ein paar schöne Geschenke für die Räte der Länder obenauf legen, wenn das betreffende Land dafür ein paar unwichtige Rechte an den großen Freund abtrete. Das sei doch eine echte ‚Win-win-Situation‘ für beide Seiten. Tja und dann bemerkten die kleineren und auch größeren Länder plötzlich, dass ihnen ihre Verkehrswege und die Häfen und die Flughäfen überhaupt nicht mehr gehörten und selbst ihre Arbeiter nicht mehr dort beschäftigt wurden. Das gab Unmut und so schickte der große Freund erst seinen Werkschutz, dann die Polizei und schließlich sein Militär, um seinen Besitz und die Freundschaft zu schützen.“
Das Gesicht von Maurice hatte sich verfinstert. „Du glaubst doch nicht, dass Waldron uns schlucken will, oder?“
„Ich meine nur, ihr solltet vorsichtig sein, wenn ihr großzügige Geschenke erhaltet. Dieser Fleischtransport zeigt auf, dass der Bursche es mit dem Gesetz ja nicht unbedingt sehr genau nimmt.“
Ranjid schien verunsichert. „Mister Waldron hat viele mächtige Freunde auf Fairchild.“
„Aber bei einem derartigen Verstoß gegen die Direktiven bleibt ihnen keine Wahl, als zu reagieren.“ Maurice Margon war schon lange Polizist und hatte ein Gespür für seinen Beruf. Auch ihm fiel das Verhalten von Ranjid auf. Der Blick des Chief-Constablers wurde drohend. „Jeder von uns weiß, wie das Entladen eines Frachters im Orbit abläuft. Da geht nichts ohne die Hilfe der Area Control, nicht wahr, Mister Ranjid?“
Der Angesprochene schien einem Schlaganfall nahe. Offensichtlich fühlte er sich schuldig oder doch zumindest mitschuldig. Das würde Sean eventuell zu seinem Vorteil verwenden können. Kleine Gesten konnten sich in der Zukunft auszahlen.
Bevor Ranjid reagieren konnte, sprach der Captain in freundlichem Ton. „Nun, Maurice, wir waren noch gute zwei Tage von Fairchild entfernt. Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass der brave Mister Punjabi zu dem Zeitpunkt schon etwas von der Art der Fracht wusste. Er hat sich sicherlich auf die offizielle Deklaration der Fleischlieferung verlassen und an legales Gefrierfleisch gedacht. War doch so, Mister Punjabi, nicht wahr?“
Der Blick des Chief-Controllers verriet pure Dankbarkeit. Wobei ihm bewusst war, dass Margon nur auf die Vorbereitung der drei Shuttles aufmerksam werden musste, um zu erkennen, wie der wahre Sachverhalt war. Gefrierfleisch benötigte keine gepolsterten Einzelboxen. „Äh, ja, Captain, natürlich. Genau so verhält es sich.“
Maurice sah Sean fragend an, der ihm verstohlen zuzwinkerte. Er begriff, unterdrückte ein Grinsen und zuckte mit den Schultern. „Ja, das halte ich für nachvollziehbar. Schön, damit wäre unser Mister Punjabi aus der Sache draußen. Natürlich ebenfalls davon abgesehen, dass auch er künftig bei Waldron genauestens hinsehen wird, c´est ca?“
„Darauf können Sie sich verlassen, Chief-Constabler“, versicherte Punjabi eifrig.
„Erzählen Sie dem Captain von Ihrer seltsamen Beobachtung, Mister Punjabi“, forderte Maurice den Besucher auf.
Der Chief-Controller war sichtlich erleichtert, das Thema wechseln zu können. So berichtete er hastig von dem, was er und seine Kollegen beobachtet hatten und überspielte die Daten von seinem tragbaren Mini-Comp am Handgelenk auf die kleine Tetronik, die in den Arbeitstisch des Chief-Constable eingebaut war. Über der Schreibfläche baute sich ein holografisches Feld auf, welches die Dateien wiedergab.
Sean strich sich nachdenklich durch den Bart. „In der Tat recht ungewöhnlich. Wie oft haben Sie diese ‚Verzerrung‘ beobachtet?“
„Acht Mal, Captain. Zu verschiedenen Zeiten im vergangenen halben Jahr und immer an anderen Positionen, aber alle liegen auf einer Linie. Sie tangiert unseren Sektor und führt in den benachbarten.“
„Ein Eiskomet könnte eine Erklärung sein“, meinte Maurice.
Sean schüttelte den Kopf. „Es gibt Kometen, die eine enorm lange Umlaufbahn einnehmen und deshalb nur alle Jahrzehnte oder noch länger in Erscheinung treten. So hat der Halley’sche Komet, der im solaren System beobachtet werden kann, eine Umlaufzeit von fünfundsiebzig Jahren. Aber für einen Umlauf sind Kometen an ein Gravitationszentrum gebunden, welches sie in einer meist stark elliptischen Bahn umkreisen. Da draußen, wo diese merkwürdige Erscheinung auftritt, gibt es eine ganze Reihe von Gravitationszentren und Sonnensystemen. Ein Komet könnte dort niemals einem derart gradlinigen Kurs folgen.“
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