Lina Lintu
Heimat der Greifen
HertzFlattern
Jede Geschichte ist in sich geschlossen und kann ohne Vorwissen gelesen werden.
1. Auflage: April 2021
Text: Lina Lintu
Umschlaggestaltung: Lina Lintu, mit einem Foto von Dylan Ferreira
Verlag: L. Thull
Planckstraße 44
42549 Velbert
Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
ISBN: 978-3-754112-85-4
www.twitter.com/lintu_lina
www.facebook.com/LinaLintuAutorin
Aus dieser Reihe Aus dieser Reihe: Heimat der Greifen HertzFlattern Jede Geschichte ist in sich geschlossen und kann ohne Vorwissen gelesen werden.
Impressum Impressum 1. Auflage: April 2021 Text: Lina Lintu Umschlaggestaltung: Lina Lintu, mit einem Foto von Dylan Ferreira Verlag: L. Thull Planckstraße 44 42549 Velbert Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin ISBN: 978-3-754112-85-4 www.twitter.com/lintu_lina www.facebook.com/LinaLintuAutorin
Triggerwarnung Triggerwarnung Dieses Buch behandelt mehrere Themen, die unter Umständen traumatische Erinnerungen beim Lesen hervorrufen können. Wenn du weißt, dass das bei dir der Fall sein kann, wirf bitte einen Blick auf die folgenden Triggerwarnungen und lies mit Vorsicht. Behandelte Themen: Mord Xenophobie Diskriminierung Manipulation/Lügen Alkohol
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Danksagung
Mehr Geschichten aus dieser Welt
Dieses Buch behandelt mehrere Themen, die unter Umständen traumatische Erinnerungen beim Lesen hervorrufen können. Wenn du weißt, dass das bei dir der Fall sein kann, wirf bitte einen Blick auf die folgenden Triggerwarnungen und lies mit Vorsicht.
Behandelte Themen:
Mord
Xenophobie
Diskriminierung
Manipulation/Lügen
Alkohol
Für all jene, die bereit sind,
aus ihren Fehlern zu lernen,
und die die Welt ein bisschen
besser machen wollen.
„Heute vor fünf Jahren fand der sogenannte Zombie-Anschlag in Osnabrück statt. Der Nekromant Oskar Adlerson erweckte drei Leichen auf dem Johannisfriedhof und verursachte mit ihnen den Tod von vier Menschen. Achtzehn weitere wurden verletzt.“
Der Regionalexpress fuhr mit quietschenden Bremsen in den Bielefelder Hauptbahnhof ein und übertönte kurz die Stimme des Radiosprechers. Tessa schulterte ihren Rucksack und wartete, bis der Gang frei wurde, bevor sie der Karawane zur Zugtür folgte. Sie rückte ihre Kopfhörer zurecht.
„… gab den Anstoß zur Registrierungspflicht aller Nekromanten in der EU und in Großbritannien. Dieser Entschluss ist bis heute nicht unumstritten. Auch heute finden in mehreren europäischen Städten Demonstrationen gegen dieses Gesetz statt.“
Tessa ging den Bahnsteig entlang, folgte der Treppe nach unten, zu der Unterführung, und bog dann nach rechts ab, wie die meisten Menschen vor ihr auch.
„In Osnabrück findet gleichzeitig eine Gegendemonstration statt, organisiert von den Angehörigen der Opfer. Die Polizei ist vor Ort, um die beiden Gruppen voneinander fernzuhalten.“
Die nächste Treppe führte nach oben in die Bahnhofshalle. Mit jeder Stufe wurde der Geruch von McDonald’s, dem Bäcker und den rauchenden Menschen auf dem Vorplatz intensiver. So schnell wie möglich ließ Tessa all das hinter sich und lauschte nur halbherzig den Sportmeldungen, die jetzt folgten. Sie war mehr darauf bedacht, nicht mit den Absätzen ihrer Schuhe in den Spalten zwischen dem Kopfsteinpflaster stecken zu bleiben. So sehr sie ihre neuen Sandalen auch liebte, gerade verfluchte sie sie.
Zum Glück wurde der Bodenbelag bald besser. Dafür hatte sie gleich das Problem, dass sie in der U-Bahn-Station keinen Empfang mehr haben würde. Doch da der Sprecher gerade den Wetterbericht ankündigte, würde sie nichts Wichtiges mehr verpassen. Sie wusste schon, dass es in den nächsten Tagen sonnig und warm bleiben würde.
Doch in der U-Bahn-Station war es noch angenehm kühl. Fast sogar zu kühl, denn eine leichte Gänsehaut kroch Tessa über die Arme.
Sie wickelte ihre Kopfhörer auf und verstaute sie in der Tasche. Gedanklich war sie noch bei dem Radiobericht über Oskar Adlerson. Sie fühlte sich mit dem Vorfall gleich doppelt verbunden.
Zum einen durch Herrn Ali, ihren alten Mathelehrer, der unter den Verletzten gewesen war. Einen Monat lang hatte er sich vertreten lassen und war danach ungewohnt schreckhaft gewesen.
Zum anderen durch Inci Koudsi, die Reporterin, die damals zufällig vor Ort war. Sie war eine Studentin der Universität Bielefeld, genau wie Tessa auch. Geistesgegenwärtig hatte Inci bei Radio Bielefeld angerufen und um eine Live-Schaltung gebeten. Innerhalb kürzester Zeit lauschten mehrere tausend Menschen ihrem atemlosen, aber souveränen Bericht über den Vorfall.
Und so wurde aus ihrem Volontariat eine Festanstellung beim Radio, bis Inci vor drei Jahren von Bielefeld nach Hannover gezogen war und die Karriereleiter immer weiter emporstieg.
Ein Weg, wie Tessa ihn sich auch für sich selbst wünschte, aber solche Gelegenheiten waren selten. Ohne das Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, musste man sich mühsam nach oben kämpfen, um es in der Medienwelt zu etwas zu bringen.
Doch die Bewunderung für ihr großes Vorbild blieb.
In diesem Moment fuhr die Linie 4 ein und unterbrach Tessas Gedanken.
Tessa suchte sich einen Platz am Fenster, schräg gegenüber von einer Frau mit Schäferhund. Auf der anderen Seite des Gangs hatte ein Mann einen dunkelgrünen Drachen an der Leine.
Die Frau warf den beiden immer wieder missmutige Blicke zu und fasste die Leine ihres Hundes noch kürzer. Doch der Hund machte nicht den Eindruck, als würde er sich freiwillig näher Richtung Drache begeben wollen. Er hatte das Nackenfell aufgestellt und hechelte nervös.
Zwei Haltestellen lang ignorierte der Mann mit dem Drachen ihre Blicke und ihr Räuspern gekonnt, dann wechselte die Frau ihre Strategie und machte ihrem Ärger Luft.
„Sie wissen schon, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maulkorbpflicht für Drachen gilt?“, fragte sie laut in das monotone Rattern der Stadtbahn hinein.
Der Mann zuckte mit den Schultern. „Der tut doch keinem was.“
„Das kann jeder sagen. Und dann passiert wieder was. Die Regeln gelten für alle!“
Auch wenn Tessa den Tonfall der Frau anstrengend fand, musste sie ihr doch zustimmen. Der Blick des Drachen sah eindeutig hungrig aus. Und das, obwohl er kaum größer war als seine Mahlzeit in spe.
Die Stadtbahn hatte inzwischen den unterirdischen Teil der Strecke hinter sich gelassen und das Licht des noch jungen Tages drang durch die zerkratzten Fensterscheiben.
Vielleicht war es wirklich seine Haltestelle, vielleicht wollte er aber auch nur der Diskussion entgehen, denn beim nächsten Halt stieg der Mann kommentarlos aus. Der Drache folgte widerwillig.
Erst als sich die Tür geschlossen hatte und sich die Bahn wieder in Bewegung setzte, lockerte die Frau den Griff um ihre Leine. Ihr Hund wirkte allerdings immer noch nicht entspannter.
Die Bahn hielt bei der Universität, doch Tessa blieb auf ihrem Platz sitzen. Sie hatte noch Zeit, bevor sie zur Besprechung musste und wollte vorher noch nach Hause fahren. Deshalb stieg sie erst zwei Stationen später aus, bei der Endhaltestelle.
Es war eine ruhige Wohngegend, wo trotz der Nähe zur Uni hauptsächlich Familien wohnten. Helle Häuser mit rötlichen Dächern, ein paar Supermärkte und ein Blick auf die Wipfel des Teutoburger Waldes.
Читать дальше