Christine Kraus - Lintu

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Ihre außergewöhnliche Gabe ist zugleich ihre große Leidenschaft: Im Wind liegen, die Erde von oben betrachten, ein Ziel pfeilschnell erreichen – in jedem unbeobachteten Moment bewegt sich Elli schwebend durch die Welt. Doch sie kann ihre Freude mit niemandem teilen: Schon früh musste sie lernen, ihre Fähigkeit vor anderen zu verbergen. Auch die Frage, warum sie fliegen kann, bleibt unbeantwortet – in ihrer Familie wird nicht darüber gesprochen. Am Rand einer großen Stadt versucht die junge Frau, ein unauffälliges Leben zu führen, bis der Überfall auf eine geliebte Freundin alles verändert. Nicht ganz freiwillig weiht Elli ihren besten Freund in ihr Geheimnis ein und entdeckt gleichzeitig Hinweise zu ihrer Herkunft. Elli schöpft Hoffnung, dem Rätsel endlich auf die Spur zu kommen. Entschlossen, Menschen zu finden, die so sind wie sie, macht sie sich auf die Suche und nimmt mutig jede Herausforderung an, die auf ihrem Weg liegt.

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Christine Kraus

Im Schwebezustand Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015 Bibliografische Information - фото 1

Im Schwebezustand

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte bei der Autorin

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Die Sonne

im Auge des Falken

der zurückgekehrt auf meine Hand.

Yoshiwake Tairo

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel Christine Kraus Im Schwebezustand Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015

Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte bei der Autorin Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

Lintuwörter

1. Kapitel

„Kannst du nicht schneller fahren?“, schrie ich zu Julien hinüber, während ich das Fenster auf meiner Seite herunterließ.

„Der Wagen gibt nicht mehr her“, rief er zurück, trat trotzdem fester auf das Gaspedal, den Blick konzentriert auf die Straße gerichtet. Die alte Schüssel, die er fuhr, war eben nur für Familienausflüge geeignet, nicht für Verfolgungsjagden.

Wir waren bestimmt schon zehn Minuten aus der Stadt draußen und rasten auf der dunklen Landstraße mit hundertsechzig Sachen hinter den Verbrechern her, die Frau Schmidt überfallen hatten – meine Frau Schmidt, die liebenswerteste, klügste alte Dame der Welt. Der Abstand wurde immer größer und wir liefen Gefahr, den Wagen vor uns zu verlieren. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Erstens hatte ich eine Mordswut auf die Typen und zweitens wollte ich unbedingt wissen, was sie bei ihr gesucht hatten – auch wenn fraglich war, ob sie das ausgerechnet mir anvertrauen würden. Ich schnallte mich ab und rutschte auf dem Sitz Richtung Fenster. Julien registrierte meine Bewegung und rief: „Elli, was machst du?“

Bestürzung lag in seiner Stimme, aber darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern. Es musste etwas geschehen, bevor uns die Situation entglitt! Ich hielt mich mit beiden Händen an der Fensteröffnung fest, machte mich leicht und hechtete hinaus. Der Fahrtwind warf mich ein paar Meter zurück, doch ich fing mich rasch und schoss nach vorn über Juliens Wagen hinweg auf das Auto der Verbrecher zu.

Ich musste sie vorhin überrascht haben, denn sie hatten mich über den Haufen gerannt, als ich das Haus, in dem Frau Schmidt ihren Buchladen hatte, durch die Hintertür betreten wollte. Bis ich mich wieder aufgerappelt hatte, waren sie um die Ecke verschwunden. Ich hatte gehört, wie ein Auto anfuhr, und Julien angerufen, während ich in das kleine Lager des Buchladens gestürmt war. Es war total verwüstet. Und Frau Schmidt mitten im Chaos reglos auf dem Boden. Gerade als mich eine Panikattacke erfassen wollte, hatte sie die Augen geöffnet und gemurmelt: „Es ist alles gut, Elli, ruf mir nur einen Krankenwagen …“

Ich war losgerannt – ohne zu wissen, warum eigentlich. Es fühlte sich alles irgendwie gefährlich an und ich hatte Angst um Frau Schmidt. Julien war mit seiner Kiste um die Ecke geschaukelt, ich war in den Wagen gesprungen und wir hatten die Verfolgung aufgenommen. Während wir durch die Straßen gekurvt waren, um die Spur der Verbrecher zu finden, hatte er den Krankenwagen gerufen und seine Kollegen informiert. Julien war Polizist, Kriminalkommissar, besser gesagt. Aber eben noch war er privat unterwegs gewesen. Verabredet mit mir, bei Frau Schmidt. Oh, nicht daran denken jetzt, Elli, sonst wird das hier nichts …

Ich hatte das Auto erreicht, flog mit gleicher Geschwindigkeit über ihm her und warf mich dann quer auf die Windschutzscheibe. Hoffte, sie würden vor Schreck ins Schleudern geraten, doch das passierte leider nicht. Der Fahrer zuckte zwar zusammen, blieb dann aber erstaunlich ruhig und starrte mich böse an. Obwohl er nichts mehr sehen konnte, ging er nicht mit dem Tempo runter.

Er hatte einen fast viereckigen Schädel, kurze Haare und helle Augen, soweit das in der Dunkelheit zu erkennen war. Auf dem Beifahrersitz saß ein zweiter Mann, sonst befand sich niemand im Wagen. Sein Gesicht konnte ich aus meiner Position nicht genau sehen, nur, dass er kahl rasiert war und nicht viel älter sein konnte als ich. Wie aus einem Fernsehkrimi die beiden, das reinste Klischee.

Der Kahlkopf schrie irgendetwas und versuchte, dem Fahrer ins Lenkrad zu greifen. Der bellte zurück, und der Kahlkopf zog die Hände wieder ein. Dann ließ der Quadratschädel das Fenster herunter und angelte nach mir, während er weiterfuhr, als könne er durch mich hindurchsehen. Ich rutschte ein Stück Richtung Beifahrer, doch der hatte inzwischen auch den Arm draußen. Es wurde verdammt eng auf der Windschutzscheibe. Fieberhaft überlegte ich, was ich tun könnte. Währenddessen gelang es dem Fahrer, an mir vorbei auf die Straße zu schauen. Er grinste triumphierend. Das machte mich noch wütender, als ich sowieso schon war, und ich bewegte mich schnell wieder ein Stück auf ihn zu. Leider hatte ich seine Reichweite unterschätzt. Seine Finger krallten sich wie eine Beißzange in meine Schulter. Ich hatte das Gefühl, die Löcher, die er mir ins Fleisch grub, würden für immer bleiben. Plötzlich riss er an mir, als wollte er mich in den Wagen zerren. Das hätte er besser nicht getan.

Für einen kurzen Moment trübte ein roter Schleier meinen Blick, dann wurde es eiskalt in mir. Ich löste mich von der Scheibe und ließ mich vom Fahrtwind zurückwerfen. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte der Quadratschädel mich nicht mehr loslassen können. Im nächsten Augenblick war ein scheußliches Geräusch zu hören. Sein Arm war entweder gebrochen oder ausgekugelt. Jedenfalls hing er schlaff aus dem Fenster und ich war frei. Sicherheitshalber ließ ich mich erst einmal hinter den Wagen fallen und beobachtete die beiden. Der Kahlkopf lenkte jetzt, während der Quadratschädel fluchend versuchte, den verletzten Arm ins Wageninnere zu ziehen. Dabei stand er weiter auf dem Gaspedal und dachte offensichtlich nicht daran, langsamer zu werden. Oh Mann, ich hatte keine Ahnung, wie ich sie stoppen konnte. Doch ich war nicht gewillt aufzugeben. Dafür war meine Wut zu groß.

Julien fiel immer weiter zurück, obwohl er bestimmt aus dem Wagen herausholte, was ging. Ich warf mich noch einmal auf die Windschutzscheibe. Das musste einfach funktionieren! Die konnten nicht auf Dauer blind fahren. Jetzt wurde der Quadratschädel doch langsam nervös. Der Schmerz schien ihn zu beeinträchtigten. Trotzdem übernahm er mit der rechten Hand wieder das Steuer. Der Kahlkopf hatte auf einmal einen Schlagstock in der Hand, lehnte sich aus dem Fenster und schlug nach mir. Diesmal war ich in einer besseren Position – und vorsichtiger obendrein. Ich hockte mich komplett vor den Fahrer und wich den Schlägen des Beifahrers aus. Er traf nur die Windschutzscheibe. Dann versuchte er, sich aus dem Fenster zu lehnen – und wäre fast rausgefallen. Nachdem er so nichts ausrichten konnte, schleuderte er den Stock nach mir. So ein Idiot! Was er sich davon wohl versprochen hatte? Ganz gewiss hatte er nicht damit gerechnet, dass ich den Stock fangen würde. Ich übrigens auch nicht. Tat ich aber. Der Fahrtwind bremste seine Wucht und irgendeine Geistesgegenwart ließ mich nach ihm schnappen.

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