Natalie Weckwarth
Mit Herz und Recht
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Inhaltsverzeichnis
Titel Natalie Weckwarth Mit Herz und Recht Dieses ebook wurde erstellt bei
Artikel 1 - Herzenswünsche
Artikel 2 - Traue niemals einem Mann!
§ 1
§ 2
§ 3
§ 4
§ 5
Artikel 3 - Familie und andere Katastrophen
§ 1
§ 2
§ 3
§ 4
§ 5
§ 6
§ 7
§ 8
Artikel 4 - Freundschaft mit Extras
§ 1
§ 2
§ 3
§ 4
§ 5
§ 6
§ 7
§ 8
§ 9
§ 10
Artikel 5 - Im Zweifel für die Liebe
§ 1
§ 2
§ 3
§ 4
Artikel 6 - Wie das Leben so spiel
Impressum neobooks
Artikel 1 - Herzenswünsche
Prolog
„Drei … zwei … eins … frohes neues Jahr!“
Klirrend stoßen unsere Sektgläser aneinander. Wir trinken einen großen Schluck, dann nehmen wir uns in die Arme. Meine Schwester Luna fällt mir als Erste um den Hals, sobald sie den ausgiebigen Neujahrskuss mit meinem Schwager Matthias beendet hat.
„Frohes Neues, Schwesterchen. Möge es nur Glück für dich bereithalten“, sagt sie rührselig und strahlt mich mit rosigen Wangen an. Sie ist schon ein bisschen beschwipst, nachdem sie heute zum ersten Mal seit der Geburt von Finn vor vier Monaten nicht bloß zu Wasser und Saft gegriffen hat.
„Danke, gleichfalls! Ich hoffe, du hast dein Glück im letzten Jahr nicht schon aufgebraucht“, ziehe ich sie in Gedenken an ihre erfolgreich beendete Schwangerschaft auf.
„Neidisch?“, neckt sie zurück.
„Wer, Stella?“, fragt mein bester Freund Ben, der zu uns getreten ist und den Arm um meine Schulter legt. „Auf dich ? Die ist doch froh, dass sie keinen plärrenden Säugling am Hals hat.“
„Gar nicht wahr!“, behaupte ich.
„Klar ist das wahr“, grinst Luna, die mich gut genug kennt, um zu wissen, dass ich nur ungern mit ihr tauschen würde.
„Jedem das Seine“, weiche ich aus. Sie kichert und lässt sich mit ihrem Sektglas in der Hand zurück aufs Sofa plumpsen, von wo aus wir in den letzten Minuten den Silvestercountdown im Fernsehen verfolgt haben.
„Lass dich drücken, mein Herz“, sagt Ben und zieht mich feste an sich. Nicht etwa, weil er romantische Gefühle für mich hegt. „Mein Herz“ nennt er mich schon, solange ich zurückdenken kann, und wenn man bedenkt, dass mein Nachname Herz lautet, ist es nicht einmal besonders schmeichelhaft. „Alles Gute fürs neue Jahr.“
„Dir auch“, erwidere ich und löse mich von ihm.
„Das kann ich gebrauchen. Angeblich soll die Welt untergehen.“
„Soll sie das nicht jedes Jahr?“
„Ja, aber diesmal ist es ernst. Wenn man der Prophezeiung glaubt“, scherzt er.
„Ich glaube an nichts, solange es nicht im Gesetz steht.“
„Stella wie sie leibt und lebt“, schmunzelt er kopfschüttelnd. Nachdem ich auch meinem Schwager eine flüchtige Umarmung geschenkt habe, machen wir es uns alle wieder auf dem Sofa bequem.
„Und?“, fragt Luna gutgelaunt in unsere kleine Runde. „Wer hat Lust auf Bleigießen?“
Niemand macht sich bemerkbar.
„Och, kommt schon! Das ist doch lustig!“, beharrt sie.
„Das ist saudämlich“, hält Ben dagegen. „Und total out. Kein Mensch macht mehr Bleigießen.“
„Hast du vielleicht einen besseren Vorschlag?“
„Also ich bin für Flaschendrehen … In der Erwachsenenversion“, grinst er vielsagend und legt erneut den Arm um mich. Ich glaube, er hatte heute auch schon ein Gläschen zu viel. Mit einem Augenverdrehen schüttele ich ihn ab. Bevor er noch auf dumme Gedanken kommt.
„Wie wäre es mit Scrabble?“, wirft Matthias ein.
Ungläubig starren wir ihn an.
„War nur ein Witz“, schiebt er schnell nach, obwohl es nicht wie einer klang. Eine Weile ist es still, während sich wahrscheinlich jeder von uns fragt, ob wir inzwischen so alt geworden sind, dass uns nicht einmal mehr einfällt, wie wir den angebrochenen Silvesterabend herumkriegen sollen.
„Ich hab's“, ruft Luna schließlich und springt auf. „Bin gleich zurück“, trällert sie und schwebt aus dem Wohnzimmer. Fragend sehen wir uns an, doch ehe wir Spekulationen darüber anstellen können, was sie vorhat, kommt sie mit einer Handvoll Papier, ausreichend Stiften und einem zufriedenen Lächeln zurück. Mir schwant Übles.
„Was wird das denn? Stadt, Land, Fluss?“, spottet Ben.
„Viel besser!“, verkündet Luna und legt die Schreibutensilien bedächtig vor uns auf dem Couchtisch ab. „Das haben Stella und ich immer mit unseren Eltern gemacht, als wir noch jünger waren.“ Meine Vermutung scheint sich zu bestätigen. „Also. Jeder schreibt seine drei größten Wünsche für das neue Jahr auf. Anschließend lesen wir sie uns gegenseitig vor, verbrennen das Papier und streuen die Asche in den Wind“, endet sie verträumt.
Mein Schwager blickt sie skeptisch an. „Bist du sicher, dass du dieses Glas noch austrinken willst, Schatz?“ Er deutet auf ihren Sekt.
„Ach, sei still!“ Sie wedelt mit der Hand in seine Richtung, als wolle sie eine lästige Fliege verscheuchen. „Das haben wir wirklich früher gemacht. Stimmt's, Stella?“ Hilfesuchend wendet sie sich an mich.
„Ja, schon“, sage ich. „Aber wie du schon sagtest: Als wir noch jünger waren.“
„Na und?“, meint Luna. „Dürfen Erwachsene etwa von nichts mehr träumen? Außerdem sind meine Wünsche ein paarmal wahr geworden.“
„Ernsthaft?“, hake ich zweifelnd nach. Ich kann mich gut daran erinnern, dass nichts von dem, was ich damals aufgeschrieben habe, in Erfüllung gegangen ist. Weder habe ich je die Sammelausgabe der Brockhaus-Enzyklopädie bekommen, die ich mir als junges Mädchen jahrelang sehnlichst wünschte, noch sind meine Eltern für immer zusammen geblieben. „Welche denn?“
„Zum Beispiel, als ich mir gewünscht habe, dass Fabian Herder mich küsst“, gibt sie unumwunden zu.
„Wer ist Fabian Herder?“, kommt es prompt von Matthias.
„Das war Ewigkeiten vor deiner Zeit“, winkt sie ab. „Was ist jetzt? Macht ihr mit?“
„Schön. Dann gib mal her“, seufzt Ben und streckt die Hand nach Stift und Papier aus. Strahlend überreicht meine Schwester ihm das Schreibwerkzeug, und auch Matthias und ich geben uns geschlagen. Besser als Das Neujahrsfest der Volksmusik , das soeben im Fernsehen begonnen hat, ist es allemal. Wir schalten die nervtötende Hintergrundbeschallung ab und widmen uns unseren Wünschen.
Ich muss nicht lange überlegen, was ganz oben auf meiner Liste stehen soll. Schnell habe ich meinen größten Wunsch zu Papier gebracht. Doch danach weiß ich nicht mehr weiter. Sicher gibt es ein paar Dinge, die ich gerne hätte. Ein größeres Bücherregal zum Beispiel. Für die vielen Gesetzestexte, unter denen sich mein Schreibtisch biegt. Oder eine neue Waschmaschine, die leiser und energiesparender ist. Aber ich fürchte, das lässt Luna nicht gelten. Grübelnd beobachte ich die anderen, die eifrig auf ihren Zetteln herumkritzeln. Offenbar haben sie jede Menge Wünsche und kein Problem damit, die drei größten niederzuschreiben. Ich gehe noch einmal in mich. Gibt es denn wirklich gar nichts, was ich mir von diesem Jahr erhoffe? Nein. Eigentlich bin ich sehr glücklich mit meinem Leben. Bis auf diese eine Sache, die ich bereits aufgeschrieben habe, kann gerne alles so bleiben, wie es ist. Entschlossen lege ich den Stift ab und warte, bis die anderen fertig sind.
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