»O.k., bis gleich!« Carina suchte in ihrer Hosentasche nach dem Autoschlüssel.
Sie schloss den Mietwagen auf. »Weißt du, ich lerne Laura erst kennen. Ich habe sie vor unserem Urlaub nur einmal kurz gesehen.« Carinas Blick schien nachdenklich. »Wieso hat Julian diese Frau geheiratet und dazu so plötzlich? Sie passt nicht zu ihm!«
Moritz lächelte: »Habe ich mich auch gefragt, besonders, nachdem ich sie kennenlernte. Vor drei Monaten, wir waren bei ihr zum Essen eingeladen, komische Situation.«
»Das hast du mir nie erzählt!« Carina schob irritiert die Haare hinter die Ohren.
»Da wusste ich nicht, dass Julian sie heiraten will! Es war in der Woche, als du zu deiner Freundin Ulla nach Bremen gefahren bist.«
»Erzähl!«
»Nun, die Einrichtung ihres Domizils war gewöhnungsbedürftig: weiße Schleiflackmöbel, mit Messing, dieser avantgardistisch Stil, flache Schränke, Vitrinen, Regale. Dazu ein hellgraues Parkett, ein weißes Ledersofa, teure Porzellanfiguren, wertvolle Drucke an der Wand, handsignierte, eher moderne Kunst, Miró und so. Alles war so furchtbar stilvoll, mit Niveau, jedoch ohne Persönlichkeit, eher ungemütlich. Du weißt, ich hasse diese Art-Wohnungen, Julian eigentlich auch. Es herrschte eine eiskalte Atmosphäre, nur für Allergiker zu empfehlen, völlig staubfreie Zone!«, griente Moritz.
»Wir waren zum Abendessen bei ihr eingeladen. Ich dachte so an Spaghetti oder eine Kleinigkeit. Auf dem Tisch lagen schon eine gestärkte Damastdecke, edles Geschirr und Besteck, Tischdekoration, Blumenbukett, gestärkte Servietten in silbernen Serviettenringen. Es war sehr komisch, wie ich mit Lederjacke und Jeans dort stand!«
Carina kicherte. »Und Julian, hatte er einen Smoking an?«
»Er kam von der Arbeit, im Jackett, ganz locker.«
»Es gab ein Sieben-Gänge-Menü, vorzüglich, aber wohl fühlte ich mich nicht. Eine Speisenfolge mit drei Soßen am Fleisch, angeordnet in Streifen, Forellenmousse an Meerrettichsahneschaum und frisiertem Rucola und so. Eis gab es zum Nachtisch, selbstgemachtes, ein Mohnsorbet an frischen Früchten und Kiwimousse mit Erdbeerstreifchen.« Sie parkten vor dem Supermarkt, die beiden stiegen aus.
»Hört sich doch toll an!«, Carina hakte sich ein.
»Es war fantastisch! Jedoch gab es keinen Anlass für den Aufwand, einfach so, weil sie gerne das Essen zubereitet! Du weißt, sie kocht immer so abgehoben!«
»Das stimmt, hier hat sie den erbosten Bocuse gespielt, dem das Küchenequipment fehlt! Die Tomatensuppe gestern dauerte sechs Stunden, war lecker, aber ich bin vorher fast verhungert! In zehn Minuten haben wir das Zeug hinuntergeschlungen.«
»Sie hat sich zehn Mal entschuldigt, da ihr das Menü ohne Geräte nicht so richtig gelungen sei. Ob Laura einen bescheidenen Eintopf kochen könnte oder Bratkartoffeln mit Spiegelei?«
»Klar«, grinste Carina, »mit hausgemachter Edelsülze, Gürkchenstreifen, selbstgemachter Remoulade an Salatblattvariationen!«
»Zumindest bestand Julian darauf, die gemeinsame Wohnung neu einzurichten, sie hat sich gefügt!«
»Eben, das passt doch nicht die Bohne zusammen!«, zischte Carina. »Mein Bruder spinnt!«
Moritz nahm Carina in den Arm. »Es ist sein Leben! – Gedanken habe ich mir selbstverständlich auch gemacht. Julian erzählte mir, er habe sich lange mit einem Headhunter unterhalten. Er verstand nicht, warum immer die anderen die guten Jobs bekommen, obwohl er die besseren Qualifikationen besitzt!«
»Ja und?«, fragte Carina. Sie schlenderten durch die Gänge im Supermarkt und arbeiteten systematisch den Einkaufszettel ab.
»Er bewarb sich für Arbeitsstellen in USA, für erstklassige Projekte in den Scheichstaaten, überall beste Bezahlung, aber nirgends haben sie ihn genommen. Der Typ meinte, ein Mann über dreißig, unverheiratet, das kommt nicht an. In den USA, dem Spießerland, glauben sie, du bist noch nicht reif genug, unzuverlässig beziehungsweise nicht verantwortungsbewusst oder schwul. In den Scheichstaaten gibt es Verträge für fünf bis sechs Jahre, bloß die Möglichkeit mit Frauen in Kontakt zu kommen ist gleich null. Sie bieten Familien tolle Häuser in Siedlungen für Ausländer an. Die Firma zahlt eine qualifizierte Privatschule für die Kinder, die Ehepartnerinnen pflegen ausgezeichnete Verbindungen untereinander, somit ebenso die Männer, der Kreis schließt sich. Ein Junggeselle ist fast isoliert, hält das nicht aus, kündigt frühzeitig oder säuft, das wollen sie vermeiden.«
»Du meinst, mein Bruder glaubte, heiraten zu müssen, um einen erstklassigen Job zu bekommen?«, fragte Carina ungläubig. »Warum ausgerechnet Laura?«
»Den Verdacht werde ich nicht los!« Moritz lehnte sich nachdenklich auf den Einkaufswagen und starrte auf die Thunfischdosen.
»Warum sie? Tja? Eine Karrierefrau will selbst vorwärts, die lässt sich nicht mitschleifen, in eine Enklave von Hausfrauen stecken! Er war letztes Jahr sehr verliebt, Daniela, sie ist in die USA gegangen, medizinische Forschung, das war ihr wichtiger als Julian, hat ihn schwer getroffen!«
»Laura ist eine hübsche Frau mit den allerbesten Umgangsformen, nur unvorteilhaft gekleidet, kocht exzellent, spielt Cello und ist nicht dumm. Braves Mädel, man kann sie trotzdem als Karrierefrau vorzeigen, sie schreibt Kinderbücher! Optimal für Julian, du hast recht, aber wo bleibt die Liebe?«, Carina schüttelte den Kopf.
»Sympathisch findet Julian sie bestimmt, vielleicht auch mehr, wer weiß?«, griente Moritz. »Sie wird sicher den Mund halten, wenn er weiterhin sein Leben lebt, ohne sie mitzunehmen, in seine Männerwelt.« Moritz lachte laut. »Er geht einen saufen, sie ins Kammerkonzert, nur, er kommt erst zum Frühstück nach Hause.«
»Er fährt das Wochenende zum Surfen und Tauchen, während sie Marmelade entwickelt?«
Carina kicherte, »ähm, einweckt, wollte ich sagen.«
»Entwickelt ist gut definiert. Todsicher bekommst du bei ihr die beste Konfitüre deines Lebens. Damit könnte sie garantiert ein Geschäft im Internet eröffnen.«, Moritz gickerte.
»Genug gelästert! Julian ist dein Bruder und mein Freund! Wir fallen hier schon unangenehm auf!« Moritz stellte sich am Käsestand an.
»Sag mal, was meinst du als Journalist zu ihren Büchern, ich habe eins gelesen, fand es furchtbar!« Carinas Gesichtszüge nahmen ihre ernste Seite an, sie legte die Stirn in Falten.
»Me pone doscientos gramos de queso blanco y doscientos gramos de Manchego, per favore«, stotterte Moritz, an die Verkäuferin gewandt.
»Das heißt por favor, per favore ist italienisch. Du sagst auch immer il conto, anstatt la cuenta, wenn du die Rechnung haben willst!«, zischte Carina.
»Ist doch egal, die verstehen mich.« Moritz stöhnte. Und die Bücher, ehrlich? Kaufhausliteratur verkauft sich gut!« Moritz schaute Carina an. »Ein einfacher Text, der bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe gut ankommt. Heile, heile Gänschen!«
»Ich habe Hasenkind gelesen, vom Häschen, das sich verläuft, von der Sonne getröstet wird, vom grimmigen Mond, der es anschnauzt, vom garstigen Donner, der es erschreckt, vom bösen Fuchs, der es einsperrt, um es zu essen, vom schlauen Mäuschen, das den bösen Fuchs zum Vegetarier bekehrt, und alle essen glücklich Salat. Zum Schluss begleitet der Fuchs das Häschen nach Hause. – Das würde ich meinem Kind nicht vorlesen!«
»Wir werden die Bücher vor unseren Kids verstecken, ihnen Grimms Märchen und Wilhelm Busch geben! So ist das Leben!« Moritz lachte. »Richtig, es ist stilistisch und inhaltlich arg schwach, jedoch in Kaufhäusern auf der Bestsellerliste. Lauras Onkel ist Lektor in einem Verlag, der nur solche Schmöker produziert! Die entwickeln sogar eine Hörbuchreihe zu ihren Hasengeschichten.«
»Ich frage mich, wie ich den Urlaub überstehen soll, das ist doch unsere Hochzeitsreise!«, meinte Carina.
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