Als der Summer der Kabinentür ertönte, wandte sie sich von der Scheibe ab. „Herein.“
Der Eintretende trug drei silbernen Balken auf den Schulterstreifen. Captain Basker wusste, dass Rahami lieber auf Förmlichkeiten verzichtete, wenn die Umstände dies zuließen und so nickte er seiner Vorgesetzten nur knapp zu, bevor er Meldung machte. „Wir schwenken in einer halben Stunde in die Umlaufbahn um Nummer Fünf ein, Ma´am. Sie hatten mich gebeten, Sie diesbezüglich persönlich zu informieren.“
Sie deutete auf einen der beiden Stühle vor ihrem kleinen Arbeitstisch. „Nehmen Sie Platz, Captain. Ich bin mir über mein Vorgehen noch nicht ganz schlüssig“, gab sie offen zu. „Daher werde ich mein Vorrecht nutzen und mich mit Ihnen beraten.“
Basker nickte mit einem leichten Lächeln. „Ich hoffe, ich kann behilflich sein, Ma´am.“
Sie seufzte. „Wenn wir unter uns sind, Basker, verzichten Sie bitte auf dieses ständige „Ma´am“. Dies ist ein Vier-Augen-Gespräch, bei dem ich um Offenheit bitte. Und keine Sorge, ich werde mich in meinen Entscheidungen nicht auf Sie berufen.“
Basker runzelte die Stirn. „Ich habe das Gefühl, dass Ihnen diese Mission nicht unerhebliche Kopfschmerzen bereitet.“
„Sogar ganz erhebliche Kopfschmerzen“, gab sie unumwunden zu. „Aus dem einfachen Grund, weil wir es hier mit einem Volk zu tun haben, von dem wir praktisch nichts wissen, außer, dass es uns hier ausgesprochen feindselig gegenüber tritt. Wir wissen nicht, warum sie feindselig sind, wir wissen nicht, wie stark sie sind und wir kennen ihre Absichten nicht. Sehen Sie, Captain, wir haben das Volk der Negaruyen auf ihrer Heimatwelt kennengelernt. Jener Welt, welche die Piraten der schwarzen Bruderschaft als Hauptbasis benutzten, bis wir ihr Nest ausgeräuchert haben. Zwischen den Piraten und den Negaruyen gab es Handel und gewisse, äh, zwischenmenschliche Kontakte. Immerhin unterscheiden sich die Negaruyen nur in soweit von uns, dass sie an Stelle unserer Nasen nur über zwei senkrechte Schlitze verfügen. Ansonsten gibt es keine anatomischen Unterschiede.“ Rahami setzte sich nicht hinter ihren Arbeitstisch, sondern in den freien Stuhl neben dem des Captains. „Doch das spielt keine Rolle. Interessant ist vielmehr, dass die Negaruyen einst die interstellare Raumfahrt beherrschten, sie jedoch vor Jahrhunderten wieder aufgaben. Seitdem leben sie in einer eher mittelalterlichen Kultur und fahren mit ihren Dampfschiffen auf das Sandmeer hinaus, um dort nach Krebsen zu jagen.“
„Das klingt nicht danach, als seien sie unsere Feinde.“
„Die Negaruyen auf ihrer Heimatwelt sind das sicherlich nicht. Sie waren froh, dass wir sie von den Sternenmenschen, wie sie die Piraten bezeichneten, befreit haben und erlauben uns einen ständigen Handelsposten auf ihrer Welt. Wobei sie keinerlei Wert darauf legen, in den Genuss unserer technischen Errungenschaften zu gelangen.“ Rahami legte die Hände über ihr Knie und blickte nachdenklich zu Boden. „Sie sind keinesfalls mit jenen Angreifern identisch, die uns von der Nanjing gemeldet wurden.“
„Viel konnte man dem Hilferuf von Captain Tyne nicht entnehmen“, meinte Basker. „Seine Nanjing reagierte auf den Notruf eines Forschungsschiffes, welches auf Planet Fünf einem physikalischen oder auch geologischen Phänomen nachging. Nummer Fünf soll absolut erdähnlich sein, weist aber in einem Gebiet einen seltsamen blinden Fleck von rund zweitausend Kilometern Durchmesser auf, der nicht von Scannern erfasst werden kann. Das Forschungsschiff wollte diesen Bereich erforschen, landete in einer Art undurchdringlichem Nebel und rief um Hilfe. Die Nanjing flog hierher, landete ebenfalls im Nebel und schickte schließlich jenen Notruf an die Navy, in dem von einem Angriff der Negaruyen die Rede ist.“
„Wenn es sich auf Planet Fünf wirklich um Negaruyen handelt, dann haben sie mit denen auf ihrer Heimatwelt nichts gemein.“ Rahami beugte sich zur Seite, öffnete ein Fach ihres Arbeitstisches und zog einen Thermobehälter und zwei Becher heraus. Basker nickte, als sie ihm anbot und sie schenkte ein. „Hier haben wir es mit definitiv feindlich gesinnten Negaruyen zu tun, die sich zudem auf einer hohen Technikstufe befinden müssen, da sie die interstellare Raumfahrt beherrschen“, fuhr sie fort. „Wir wissen, dass die Nanjing angegriffen wurde, kennen aber ihren Status und den der Besatzung nicht. Wir wissen nur, dass sie da unten irgendwo im Nebel stecken und dass sich da unten auch feindselige Negaruyen befinden, deren Motiv und Stärke uns ebenfalls unbekannt sind.“ Sie nippte an ihrem Heißgetränk. „Und mein Job ist es, herauszufinden was mit Tyne und seiner Nanjing los ist, beide, wenn irgend möglich, zu retten und den Angreifern in den Hintern zu treten.“
Basker lächelte erneut. „Was uns mit vier APS kaum schwer fallen dürfte.“
Rahami schüttelte den Kopf. „Seien wir nicht voreilig, Captain. Wie schon erwähnt, durchmisst dieser blinde Fleck über zweitausend Kilometer… Darin kann man eine ganze Flotte verbergen.“
„Hm, das ist natürlich richtig. Zumal der Notruf der Nanjing besagt, dass dieser blinde Fleck aus einem merkwürdigen Nebel besteht, der alle Scanner und Sensoren außer Funktion setzt. Das gilt wohl auch für die Kommunikation, wie die Funkboje des Schiffes übermittelte. Anhand der wenigen Informationen, die uns Tyne übermittelte, sind wir überwiegend auf Vermutungen angewiesen.“
Sub-Admiralin Rahami nickte bedauernd. „Wir wissen nicht, was sich da unten im Nebel abspielte oder noch abspielt. Wir kennen nicht einmal die exakten Positionsdaten der Nanjing .“
„Captain Tyne hat uns aber doch Positionsangaben übermittelt.“
„Keine wirklich exakten, wie man sie üblicherweise mit dem Planetary Positioning System, PPS, bekommt. Wir haben nur eine Richtungsangabe, bezogen auf den magnetischen Pol von Planet Fünf, und die geplante Landeposition, bezogen auf deren Abstand zum exakten Mittelpunkt dieses Nebelfeldes.“
Captain Basker blickte nachdenklich zur Panoramascheibe, die den größer werdenden Planeten zeigte. „Ein Nebelfeld, welches einen Krater oder eine Ebene ausfüllt, welche zwanzig Kilometer tief in die Oberfläche hinein reicht. Wirklich ein Phänomen. Kein Wunder, dass die Forscher es untersuchen wollten. Im Grunde müssen wir nach zwei Schiffen und dem Feind suchen, nicht wahr? Der Notruf von Tyne sagte nichts über das vermisste Forschungsschiff aus.“
„Richtig. Bedauerlicherweise hat Tyne dazu keine Angaben gemacht.“
Der Kommunikator summte. „Admiral, hier Brücke. Das Zielgebiet kommt durch die Eigenrotation von Nummer Fünf jetzt in Sicht.“
Rahami dankte und tippte an ihre rechte Schläfe, in der das Implant, dicht unter der Haut, befand. Alle Angehörigen der Streitkräfte und viele Zivilisten trugen diese winzigen Implantate, welche in der Lage waren, elektrische Hirnströme für Steuerungsimpulse zu übermitteln sowie Sprache zu übertragen oder zu empfangen. Die Geräte wurden vom Körper mit Energie versorgt und besaßen nur wenige Meter Reichweite, doch in fast allen Raumschiffen und Stationen gab es Transmitter, welche die Signale des Implants, gemeinsam mit dem Individualcode, an eine tetronische Kommunikationszentrale leiteten, die es verstärkte und dem gewünschten Empfänger zuleitete. „Raumsteuerung: Panorama auf Planet Fünf ausrichten. Maximale Vergrößerung des Objektes mit der Bezeichnung „blinder Fleck“.“
Auf der Panoramascheibe erschien eine Ausschnittsvergrößerung der Planetenoberfläche. Gerade drehte das Zielgebiet des Geschwaders in den Sichtbereich der Optiken. Planet Fünf war eine Welt, die tatsächlich sehr stark an die Erde der Menschen erinnerte. Kontinente und Wasserflächen mit intensivem Blau, üppigem Grün und den zahlreichen Zwischentönen, die auf vielfältige Landschaften und Vegetation schließen ließen. Die Luft war atembar, der Luftdruck an der Oberfläche im richtigen Bereich und es gab zahlreiche Anzeichen für Leben, mit Ausnahme jenen, die für das Vorhandensein intelligenten eingeborenen Lebens sprachen. Es war eine Welt, die ideal für die Besiedlung schien, bis man den „blinden Fleck“ zu Gesicht bekam.
Читать дальше