Alexander legte Rusty das Halsband an und ging die Treppe von seiner Wohnung nach unten in die Praxis. Es gab noch einen Hinterausgang, bei dem man nicht unbedingt durch die Praxis gehen musste um auf die Straße zu gelangen, aber Alexander hatte es sich angewöhnt diesen Weg zu nehmen und so kamen sie am Tresen des Eingangsbereiches vorbei wo immer eine kleine Leckerei für seine großen und kleinen Patienten vorrätig war. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte seinem neuen Mitbewohner keine schlechten Gewohnheiten beizubringen, brachte er es nicht übers Herz nach draußen zu gehen ohne ihm vorher einen kleinen Hundekeks zu geben. Rusty war erstaunlich gut erzogen. Obwohl seine Vorbesitzer es anscheinend nicht sehr gut mit ihm gemeint hatten beherrschte er alle gängigen Grundbefehle wie: Platz, Sitz, Aus usw. auf Anhieb. War nur fraglich auf welchem Weg er diese Dinge beigebracht bekommen hatte. Alexander konnte nur hoffen das Rusty keine Schläge oder Ähnliches erfahren hatte in seinem bisherigen Leben.
Gemeinsam betraten sie die leicht verschneite Straße und Alexander öffnete den Kofferraum seines Autos. Ohne lang zu überlegen sprang Rusty hinein und sie fuhren los in Richtung Stadtpark. Die Sonne schien noch am Himmel. Es war ein schöner Tag gewesen. Nicht mehr allzu lange, dann würde die Dämmerung einsetzen. Alexander fuhr umsichtig angesichts seiner wertvollen Fracht und lenkte sein Fahrzeug auf einen der Parkplätze in der Nähe des Parks. Er war gespannt ob Sarah auftauchen würde. Einerseits hoffte er es inständig, andererseits wäre es wohl das Beste wenn sie nicht kommen würde und somit eine Entscheidung getroffen wäre. Was wusste er schon von ihr? Vielleicht war sie ja sogar verheiratet oder zumindest in festen Händen. Das wäre bei einer solchen Frau eigentlich anzunehmen.
Nachdem er ausgestiegen war holte er Rusty aus dem Kofferraum und ging mit ihm gemeinsam zum Eingang des Parks. Enttäuscht stellte Alexander fest, dass dort bisher noch niemand auf ihn wartete. Was sollte er tun? Warten? Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er nicht zu früh war. Gab es eventuell noch einen anderen Eingang zum Park? Er lebte noch nicht allzu lange in dieser Stadt und kannte sich noch nicht sehr gut aus hier. Vielleicht war es ja wirklich so. Er beschloss zunächst ein paar Minuten zu warten. Die musste man einer schönen Frau schließlich stets zugestehen. Rusty setzte sich neben ihn und blickte wie fragend zu ihm auf. Alexander bückte sich zu ihm hinunter und streichelte ihm kurz über den Rücken bevor er sich wieder aufrichtete um nach Sarah Ausschau zu halten.
Und da sah er sie. Mit von der Kälte leicht geröteten Wangen kam sie in seine Richtung gelaufen. Anscheinend hatte sie ihn noch nicht gesehen aber gerade in diesem Moment hob sie den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Sofort wurde ihm wieder klar warum er nicht aufhören konnte an diese Frau zu denken. Ihr Gang glich dem einer Katze und ihre Haare wippten bei jedem ihrer Schritte mit. Endlich bei ihm angekommen hielt sie ihm schüchtern ihre Hand entgegen. „Hallo.“, sagte sie nur und bückte sich sofort um Rusty zu begrüßen. „Hallo mein Kleiner. Du siehst aber gut aus. Kaum wiederzuerkennen.“ Rusty wedelte mit dem Schwanz als er scheinbar seine Retterin erkannte. Alexander betrachtete von oben die Szene und amüsierte sich als Rusty versuchte auf Sarahs Schoß zu springen. Sie verlor beinahe das Gleichgewicht und musste sich mit den Händen abstützen. Doch sie schien sich nicht verletzt zu haben, und lachte laut auf. „Hey du. Schmeiß mich nicht um.“ Lächelnd stand sie wieder auf und das Eis zwischen ihnen schien, dank Rusty, gebrochen zu sein. Faszinierend wie entspannt er wirkt wenn er lächelt, dachte sie sich. „Wollen wir?“ Mit einem Nicken in Richtung Parkinneres deutete Alexander an loszulaufen. „Klar. Deshalb sind wir ja schließlich hier, oder?“ Erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr klar wie vieldeutig diese Frage doch geklungen haben musste.
Gemeinsam liefen sie auf den verschneiten Wegen, vorbei am teilweise zugefrorenen See des Parks, und unterhielten sich nach anfänglichem Schweigen erstaunlich gut. Dabei erfuhr Alexander von Sarahs Pech mit der Heizung und er berichtete ihr, dass er vorhatte Rusty zu behalten falls sich kein anderer Besitzer meldete. „Rusty?“, fragte Sarah. „Ja….der Name fiel mir spontan ein. Irgendwie passt er finde ich zu ihm. Ich habe fast schon den Eindruck, dass er sogar darauf hört.“, erwiderte Alexander lachend. Sie verstanden sich überraschenderweise so gut, dass Sarah gar nicht mehr verstehen konnte warum sie ihn anfänglich für arrogant hielt.
Plötzlich erklang ein verräterisches Geräusch aus Sarahs Körpermitte, das ihr sichtlich peinlich war. „Sorry.“, sagte sie zähneknirschend und ihr Gesicht änderte wieder einmal seine Farbe. „Ich habe ganz vergessen etwas zu essen. Mein Frühstück war die letzte Mahlzeit.“ „Dann schlage ich vor, dass wir ein Restaurant aufsuchen und etwas essen gehen. Ich habe heute auch keine Lust gehabt zu kochen.“, schlug Alexander spontan vor. Und als Sarah zögerte fügte er hinzu: „Kommen sie. Sie haben doch sowieso nur eine kalte Wohnung. So entkommen sie der noch für eine Weile.“ „Okay. Warum nicht. Wo gehen wir also hin?“ „Sagen sie´s mir. Ich kenne mich hier noch nicht allzu gut aus. „Dann schlage ich vor wir gehen zum Italiener hier ganz in der Nähe. Sie mögen doch italienisches Essen, oder?“ „Das soll mir recht sein .. “
So verließen sie den Park und gingen die paar Straßen zu Fuß. Das „Roma“ war eines der beliebtesten Lokale der Stadt und dementsprechend für einen Sonntagabend auch gut besetzt. Aber sie hatten Glück und bekamen vom Kellner einen gemütlichen Tisch in einer leicht abgelegenen Nische zugewiesen. „Ahhh. Perfetto….eine romantische Platz für ein hiebsch verliebtes Paar.“, grinste er sie an während er Sarah den Stuhl zurechtschob. Sarah wollte schon widersprechen, doch Alexander hielt sie amüsiert davon ab indem er sie anlächelte und leicht seinen Kopf schüttelte. Sie nahmen Platz und bestellten zuerst die Getränke. Nachdem sie die Karte studiert hatten wählte Sarah, wie konnte es anders sein, eine große Portion Spaghetti während Alexander sich für eine Pizza entschied. Rusty bekam eine Schüssel mit frischem Wasser unter den Tisch gestellt und legte sich friedlich zu Alexanders Füßen. „Gemütlich hier…wenn jetzt noch das Essen schmeckt.“ „Oh ja…sie werden begeistert sein.“, lächelte sie ihn vielversprechend an.
Ja. Sie verstanden sich wirklich prächtig. Und auch wenn keiner der Beiden es zugeben wollte so knisterte es mächtig zwischen ihnen. Trotzdem vermieden sie es, jeder auf seine Art, über eine gewisse Grenze hinauszugehen. Alexander weil er es sich selbst geschworen hatte keine Beziehung mehr einzugehen und Sarah weil sie gerade erst aus einer gescheiterten Beziehung entkommen war und immer noch mit ihrem Ex und seinen ständigen Belästigungen zu kämpfen hatte. Der Abend neigte sich dem Ende zu und sie machten sich auf den Weg zu ihren Fahrzeugen. Alexander begleitete Sarah bis zu ihrem kleinen Auto. Dort angekommen wusste keiner der Beiden so recht wie sie sich voneinander verabschieden sollten. Eine beinahe peinliche Pause entstand und Sarah bekam eine Gänsehaut als Alexander auf sie herabblickte und ihr dabei tief in die Augen sah. „Das war ein sehr schöner Abend Sarah.“, sprach er endlich leise in die Stille hinein. „Ja das war er.“ Konnte sie darauf nur antworten. Obwohl sie es eigentlich nicht wollte so hoffte sie doch, dass er ein weiteres Treffen vorschlug. Sarah war an sich kein schüchterner Mensch. Es hatte schon Zeiten in ihrem Leben gegeben da hatte sie die Initiative ergriffen wenn ihr jemand gefiel aber nicht bei einem Mann wie Alexander Lorenz. Gerade als Alexander über seinen Schatten springen wollte um Sarah tatsächlich nach einem weiteren Treffen zu fragen meldete sich ihr kleiner Begleiter mit einem gelangweilten Winseln. Sarah bückte sich nach ihm. Strich ihm noch einmal über sein mittlerweile kurz geschorenes und nicht mehr so struppiges Fell um sich von ihm zu verabschieden. „Tschüs Rusty mein Kleiner. Vielleicht sehen wir uns ja mal zufällig wieder.“ Alexander sog hörbar die Luft ein und noch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte hielt Sarah ihm die Hand entgegen. „Auf Wiedersehen Alexander. Ich wünsche ihnen viel Glück mit unserem kleinen Freund.“ Und noch ehe er etwas erwidern konnte drehte sie sich auf dem Absatz um, schloss ihr Auto auf und setzte sich hinein. Sie startete den Motor und mit einem kurzen Winken fuhr sie eiligst davon.
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