„Schlachthof!“ rief Talea unvermittelt und alle starrten sie überrascht an. Dann aber nickten sie anerkennend.
„Genau!“ Peter war sichtlich zufrieden. „In einem Schlachthof! Also los, Kleine, mach schon! Wir haben echt nicht viel Zeit!“
„Falsch!“ Das war Francesca und sie deutete mit finsterer Miene links aus dem Helikopter heraus in den Himmel. Die Blicke der anderen folgten ihr und als auch sie die drei dunklen Körper erkannten, die ihnen folgten und immer näher kamen, war klar, was sie meinte. „Unsere Zeit ist abgelaufen!“
Im nächsten Moment wandte sich Peter wieder dem Headset zu. „Ja? Okay, prima!“ Er nickte und schaute dann auf den Radarschirm, wo nur einen Augenblick später ein rotes Signal auftauchte. „Ja, es ist auf dem Schirm! Super!“ Er nickte nochmals. „Danke und Ende!“ Er kappte die Verbindung.
„Wie weit ist das?“ fragte Talea sofort.
„Etwa zehn Meilen!“ erwiderte Peter mit gequälter Miene. Dabei warf er Eric einen verstohlenen Blick zu.
„Okay!“ Der Schwarze erhob sich sofort. „Ich kümmere mich um die Dämonen, ihr fliegt zum Schlachthof!“
„Aber…!“ Talea fuhr entsetzt herum. „…nein, das…!“ Sie verstummte mit trauriger Miene.
Eric lächelte aufmunternd. „Hey Baby! Er wartete, bis seine Frau ihn ansah. „Ich bin ein Engel!“ Er grinste. „Engel sterben nicht!“ Er küsste sie kurz, aber heftig, dann schob er sich an ihr vorbei zur Außenseite des Hubschraubers. Dort stand er direkt hinter Peter, der ihn mit ernster Miene ansah.
„Stimmt das?“ fragte er leise.
Eric schüttelte kaum merklich den Kopf. „Aber kein Wort zu…!“
Jetzt nickte Peter. „Keine Sorge!“ Er versuchte ein Lächeln, das ihm aber kaum gelang. „Viel Glück!“
„Euch auch!“ Und damit stieß sich Eric ab und rauschte in bester Superman-Manier direkt auf ihre Verfolger zu.
Während sich Peter wieder auf die Kontrolle des Helikopters konzentrierte, womit er mehr als genug zu tun hatte, beugte sich Talea bedrohlich weit aus der Maschine, um so lange wie möglich ihren Mann im Blick zu behalten. Leider mussten sie gerade in dem Moment einen Hügel überfliegen, als er auf die Dämonen traf. Es blitzte mehrmals grell auf, dann verschwand das Geschehen hinter den Felsen.
Talea wandte sich ab und setzte sich wieder auf die Rücksitzbank. In ihren Augen waren Tränen und ihr Gesicht zeigte große Sorge und noch mehr Zweifel, denn natürlich wusste sie, dass Eric nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Er wurde genau in dem Moment wieder wach, als er rüde und knallhart der Länge nach zu Boden schlug. Ob ihn der Schmerz darüber zurück in die Wirklichkeit holte oder er seine Augen schon eine halbe Sekunde vorher geöffnet hatte, vermochte er nicht zu sagen – es spielte am Ende auch überhaupt keine Rolle.
Allein wichtig war, dass Christopher innerhalb eines Wimpernschlags wieder hellwach war und sein ganzer Körper ein einziger, schierer Schmerz. Vor dem Aufschlag war nur tiefste Dunkelheit gewesen, doch jetzt, da er jeden Knochen im Leib spürte, wusste er auch wieder, was davor gewesen war.
Unter sich konnte er einen harten Untergrund spüren, vielleicht aus Beton. Er war glatt, aber mit einer dünnen Staubschicht überzogen, die jetzt an seinem schweißnassen Gesicht klebte und ihm einen gespenstischen Ausdruck verlieh und sich mit dem Speichel vermischte, der ihm aus dem Mund lief. Tiefe, schwere Atemzüge sollten ihm dabei helfen, den Schmerz besser zu verkraften und schneller wieder klar zu werden. Das Bild vor seinen Augen war anfangs etwas verschwommen. Er konnte zunächst nur den dunklen Untergrund erkennen und einige verzerrte Lichter, wenn er zur Seite blickte. In seinen Ohren war ein dumpfes Hämmern in einem schnellen Rhythmus zu hören und Christopher brauchte ein paar Sekunden, bis er erkannte, dass es sein eigener, wilder Herzschlag war.
Christopher nahm seine Kraft zusammen und drückte sich soweit in die Höhe, dass er sich auf seine Unterschenkel setzen konnte. Nach ein paar weiteren tiefen Atemzügen schärften sich die Bilder vor seinen Augen endlich und er konnte seine Umgebung erkennen.
Er befand sich in einer riesigen, rechteckigen Halle. Die Breite schätze er auf rund zwanzig Metern, die Länge auf etwa einhundert. Die Höhe vermochte er nicht zu bestimmen, denn die vermeintliche Decke war ein einziges blutrotes Etwas, dass pulsierte, wie Wolken im einem heftigen Sturm, sodass er nicht sicher war, ob er nicht wirklich direkt in den Himmel sah und dieser Raum am Ende gar keine Decke besaß.
Auf der rechten Wandseite konnte er nur wenige Meter von sich entfernt mehrere monströse Gestalten ausmachen, die er sofort als Dämonen klassifizierte, wenngleich sie etwas anders aussahen, als die, gegen die er noch vor wenigen Minuten gekämpft hatte. Zusammen mit seinen Freunden (alten – Gott, Douglas und Cynthia waren tatsächlich auch hier! und neuen – Bim, Horror, Terror und… Heaven …) und zusammen mit… Moonlight – Silvia – seiner über alles geliebten Silvia. Doch wenn er jetzt an sie dachte, sah er sie auf diesem gottverdammten Razor sitzen, um sich von ihm nach allen Regeln der Kunst durchvögeln zu lassen. Zorn stieg in ihm auf, aber auch tiefer Schmerz, denn ihm war klar, dass Silvias Verhalten nur die Konsequenz seines langjährigen Betrugs an ihr war, er es sich also mehr als alles andere selbst zuzuschreiben hatte. Deshalb durfte er Silvia jetzt auch nicht böse sein, sondern musste ihr Verhalten als das akzeptieren, was es war: Das Resultat seiner Schuld.
Augenblicklich verspürte Christopher das große Verlangen, sofort zu ihr zu gehen, um ihr genau das zu sagen, doch in dem Moment, da er sich aufrichten wollte, bekam er einen knüppelharten Schlag ins Kreuz und er sackte mit einem Stöhnen nach vorn, wo er sich gerade noch auf seine Arme abstützen konnte, bevor er erneut unliebsamen Kontakt mit dem Boden gemacht hätte. Als er aufschaute, sah er einen weiteren Dämon schräg hinter sich stehen, der ihn hasserfüllt anfunkelte und bösartig grollte, ihn jedoch nicht anfiel.
Sofort war Christopher zurück in der Realität . Gottverdammt, sie hatten gegen diese Bestien gekämpft und er war dabei überwältigt worden. Daher seine Ohnmacht. Warum zum Teufel aber lebte er überhaupt noch? Wenn er von Dämonen gefangen genommen wurde, warum feierten sie jetzt nicht mit seinem Rückenmark eine Orgie? Warum stand diese furchtbare Kreatur nur ein halben Schritt von ihm entfernt und griff ihn dennoch nicht an, obwohl er im Gesicht der Bestie ihre Blutgier mehr als deutlich erkennen konnte?
Christophers Gehirn arbeitete auf Hochtouren, doch so sehr er sich auch bemühte, eine Erklärung hierfür zu finden, gelang ihm genau das nicht.
…weil ich es so befohlen habe!
Christopher erstarrte und seine Augen zuckten nervös umher. Die Stimme war unglaublich tief und schien sowohl die komplette Halle, als auch seinen Körper vollkommen einzunehmen und ihn zum Vibrieren zu bringen. Doch den Verursacher dieser Worte auszumachen, vermochte er nicht. Er blickte sich um und konnte erkennen, dass die Blicke der anderen Dämonen nach vorn zum Ende der Halle gerichtet waren. Christopher folgte ihnen, konnte dort jedoch keine Gestalt erkennen, lediglich ein ähnlich pulsierendes Licht, das deutlich dunkler war, als das an der Decke, jedoch auch irgendwie intensiver und kräftiger.
Du suchst mich… Die unendlich kraftvolle Stimme klang ein wenig belustigt. Die Richtung stimmt ! Christopher blickte wieder an das Ende der Halle und bemerkte, dass das Licht dort, für einen Augenblick ein wenig heller geworden war. Aber du wirst mich nicht finden. Nur… Das Licht am Ende der Halle blitzte kurz auf, dann schoss ein armdicker, tiefschwarzer Strahl aus dichtem Rauch blitzschnell auf Christopher zu, senkte sich zu Boden, stoppte nur wenige Zentimeter abrupt vor ihm ab, schoss soweit in die Höhe, dass er direkt vor seinem Gesicht zum Stehen kam und quoll dann zu einer Art Blase auf, die ungefähr doppelte Kopfgröße besaß. Der ganze Vorgang dauerte keine Sekunde und Christopher hatte überhaupt keine Chance, zu reagieren. Er erschrak und versteifte sich, doch konnte er sich – selbst, wenn er es gewollt hätte – nicht einen Millimeter bewegen, weil er das Gefühl hatte, sein ganzer Körper wäre wie aus Fels gemeißelt.
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