1 ...8 9 10 12 13 14 ...36 Ihre Liebe zu ihm, ihre Sehnsucht und ihr Verlangen nach ihm waren doch noch immer ungebrochen und so unendlich groß, dass sie diese unmögliche Hoffnung niemals ganz verdrängen konnte.
Und jetzt – urplötzlich, vollkommen unerwartet, in einem Augenblick der totalen Panik - war dieser unmögliche Moment tatsächlich eingetreten.
„Ich bin...!“ Er stockte, doch dann trat er einen halben Schritt nach vorn und stand jetzt direkt vor Talea, die er um fast einen ganzen Kopf überragte und im selben Moment wich das grelle Licht von seinem Körper und sein Gesicht kam zum Vorschein. „...Jemand, der dich mehr liebt, als Worte es je ausdrücken könnten!“ Dabei umspielte seine Mundwinkel ein Lächeln, das teils strahlend, teils aber auch sehr traurig war.
„Oh mein Gott!“ rief Talea und innerhalb eines Wimpernschlages entglitten ihr alle Gesichtszüge. Augenblicklich begannen ihre Beine zu zittern und gaben unter ihr nach, sodass sie auf die Knie sackte. Eric folgte ihr mit besorgter Miene. „Eric!“ stieß sie hervor. Und dann schossen ihr auch schon die Tränen ins Gesicht, während sie mit bebenden Lippen ihre zitternden Hände anhob, um ihn zu berühren. „Ich…!“ begann sie, doch ihre Stimme brach ab.
Einen Augenblick später schoss Erics Kopf nach vorn und schon berührten sich ihre Lippen. Sie waren weich und warm, so wie immer, doch durchzuckte Talea ein solch wuchtiger Schauer, dass sie wieder erzitterte und kurz aufschrie. Ein tiefes Stöhnen brach all ihre Schmerzen auf und ein unglaubliches Verlangen jagte nach außen. Sie schob ihre Zunge nach vorn und erkannte, dass Eric es geschehen ließ, ebenfalls aufstöhnte, während sie beide ihre Körper aufrichteten. Talea, als auch Eric streichelten mit ihren Händen über die Wangen ihres Gegenübers und nutzen auch diesen Sinn, um den anderen zu spüren.
Es sollte ein langer, leidenschaftlicher, unfassbar erregender Kuss werden, der all die Sehnsucht, all das Verlangen und all die Liebe widerspiegelte, die sie stets umgeben hatte.
Francesca und Peter standen einige Meter von ihnen entfernt und hatten ihre Blicke auf sie gerichtet.
Doch während Peter eher noch immer erstaunt und beeindruckt zu sein schien, strahlte Francesca ein ehrliches, offenes Lächeln mit tränenfeuchten Augen.
Ja, sie empfand große Freude bei diesem Anblick, beinahe hätte sie aufgelacht, denn auch ihr war nicht entgangen, mit welch unbändiger Kraft und Konsequenz diese junge, zierliche Frau an ihrem Vorhaben zur Rettung Silvias gearbeitet hatte. Ihr Anteil daran war erheblich gewesen und sie alle standen tief in ihrer Schuld. Natürlich war auch Francesca klar gewesen, dass Talea all dies mit einer gewissen Hoffnung verbunden hatte, die sie zwar niemals offen ausgesprochen hatte, die ihr jedoch alle von ganzem Herzen gegönnt hatten.
Dass diese Hoffnung jetzt tatsächlich Realität geworden war, war umso erfreulicher, doch zeigte es einmal mehr, dass hier Dinge abliefen, die so jenseits jeder Vorstellungskraft waren, dass es schwierig war, dabei nicht den Verstand zu verlieren.
In diesem Moment aber empfand Francesca einfach nur große Freude für eine echte, ehrliche und aufrechte Freundin.
Doch nur für wenige Augenblicke, dann mischte sich auch ein wenig Traurigkeit dazu, denn natürlich vermisste auch sie den liebsten Menschen, den sie kannte, wahnsinnig doll.
Talea hatte nicht vor, jemals damit aufzuhören. Zu schön, zu wunderbar war dieses Gefühl, Eric auf diese erregende Weise wieder spüren zu dürfen. Seine Lippen – weich und warm, seine Zunge – heiß und fordernd, sein Gesicht - so altvertraut und doch so neu, so wunderschön und attraktiv, seine Arme – so kräftig und beruhigend. Niemals würde sie all dies wieder hergeben. Doch schon im nächsten Moment schob sie Eric sanft von sich. Talea erschrak und öffnete ihre Augen. Sie sah in die über alle Maßen traurigen Augen ihres Mannes und die Realität holte sie viel zu schnell und unglaublich hart wieder ein.
„Das war ein Fehler!“ meinte Eric und er blickte sehr schuldbewusst.
„Nein!“ erwiderte Talea sofort und wartete, bis er sie wieder ansah. „Das war einfach nur…wundervoll!“
„Aber ich kann nicht bleiben!“ Eric schüttelte den Kopf.
Talea versuchte zu lächeln und trotz ihrer Empfindungen gelang es ihr beinahe auch. „Ich weiß! Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dich gehen zu lassen oder dich zu küssen und dann gehen zu lassen, ich würde immer …den Kuss wählen!“
Jetzt musste Eric tatsächlich lächeln. „Du bist unglaublich!“
Taleas Blick wurde plötzlich aber sehr ängstlich. „Musst du jetzt schon wieder gehen?“
Eric sah sie einen Moment ausdruckslos an, dann huschte ein Lächeln über seine Lippen. „Nein!“ Er schüttelte den Kopf und schloss sie kurz in seine Arme. „Ich kann noch nicht!“ Schon im nächsten Moment wurde sein Blick sehr ernst und hart. „Ihr seid noch immer in größter Gefahr!“ Er wartete, bis er in Taleas Augen Erkenntnis sehen konnte, dann wandte er sich an Peter und Francesca. „Wer hat das Tor zur Hölle?“
Francesca reagierte nicht sofort, denn sie war in Gedanken sehr weit weg.
„Francesca?“ fragte Peter.
Die Stimme ihres Nebenmannes holte sie zurück. Sie erschrak mit einem leisen Aufschrei und blinzelte etwas verlegen. „Ich! Ich habe es!“ Sie spürte, dass sie die Pyramide tatsächlich in ihrer linken Hand hielt und hob sie an.
Eric nickte, dann blickte er auf den Hubschrauber und schließlich zu Peter. „Fliegt der noch?“
Peter verzog das Gesicht. „Ich denke schon. Aber sicher nicht mehr lange!“
„Das muss reichen!“ Eric zog Talea sanft mit sich zu den anderen und schaute dabei mit besorgtem Blick zum Himmel. „Los geht’s!“ Als er sah, dass ihn alle aber nur fragend anschauten, anstatt sich zu bewegen, fügte er hinzu. „Wir müssen zuerst einmal von hier weg. Alles Weitere gibt es während des Fluges!“ Wieder blickte er zum Himmel und es schien, als würde er finsterer werden. Ohne zu zögern, schob er Talea in das Innere der Maschine und setzte sich neben sie.
Peter schaute ihn einen Moment etwas überrascht an, doch dann nickte er der Alten zu, die daraufhin neben ihm Platz nahm. Peter startete die Maschine, die nur würgend und ächzend ansprang, dann jedoch schnell auf Touren kam, wenngleich sie sehr laut blieb und irgendwie blubberte. Als Peter das Höhenruder aktivierte, verzog sich sein Gesicht wieder zu einer gequälten Grimasse, doch letztlich war er ein viel zu guter Pilot, als dass er es nicht schaffte, den Helikopter in die Luft zu bekommen. Dass er jedoch beständig mit dem Heck hin und her torkelte, eine deutliche Schlagseite nach links besaß und teilweise dichter Qualm aus dem Motorblock waberte, konnte er natürlich nicht verhindern.
„Wohin?“ rief er dann nach hinten, als er sich einigermaßen an die maroden Flugeigenschaften gewöhnt hatte.
Francesca drehte ihren Kopf zurück und sah Eric mit großen Augen an. Auch Talea blickte zu ihm.
„Wo ist das nächste Kühlhaus?“
„Kühlhaus?“ Francesca zog ihre Augenbrauen zusammen.
Doch Eric nickte nur. „Wir müssen das Tor in Sicherheit bringen!“
„In Sicherheit?“ Peter musste einmal verächtlich lachen. „Ja klar!“
„Wie sollen wir das denn machen?“ Talea schaute ihren Mann direkt an. „Das verdammte Ding zieht diese Biester an, wie Mücken das Licht. Egal, wo wir sind!“ Ihre Stimme und ihr Gesichtsausdruck zeigten Hoffnungslosigkeit.
Doch Eric musste sich ein Lächeln verkneifen. „Nicht ganz!“ Alle starrten ihn an. „Wenn man die Pyramide herunter kühlt, werden ihre Signale schwächer!“ Er schaute Talea wehmütig an. „Aber du hast Recht. Gänzlich ausschalten kann man es nicht!“
Für einen Moment trat Stille ein, dann meinte Peter. „Ein Kühlhaus also!“ Er verzog säuerlich die Lippen, betätigte jedoch sofort sein Headset und stellte eine Verbindung zu Mainstream her. „Ja, Peter hier!“ sagte er und lauschte kurz. „Ja, alles okay. Aber auch reichlich…!“ Er blickte zurück zu Eric. „…irrsinnig!“ Er lauschte nochmals, dann brummte er. „Ja, peil mein Signal an und dann such mir das nächste Kühlhaus heraus!“ Er verstummte, dann hob er genervt an. „Was weiß denn ich? In einem….!“ Sein Gesicht zeigte Unsicherheit. „…einem…!“
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