1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Das Gebirge setzte sich in alle Richtungen, nur unterbrochen von Tälern, Bach- und Flussläufen, fort. In höheren Lagen, weiter weg vom Wasser, wurde die Landschaft karger, die Vegetation weniger üppig als in dem Flusstal, aus dem wir kamen. Der Weg schlängelte sich ins nächste Tal hinab und nachdem wir ihm ein Stück gefolgt waren, wurde der Blick auf ein höher gelegenes Seitental frei. Meine beiden Begleiter blieben stehen und deuteten, begleitet von einigen Worten, auf einen bebauten Bereich, der aber leider noch zu weit weg war, um genaueres zu erkennen.
Wir setzten unseren Weg, der nun in das Seitental hinein führte, fort. Nach einiger Zeit erkannte ich, dass es eine Tempel- oder Klosteranlage sein musste, der wir uns nun näherten.
Unser Weg führte an einem Gelände vorbei, das nur mit Pagoden in unterschiedlicher Größe bestanden war. Teilweise nahmen diese nicht einmal zwei Quadratmeter Grundfläche ein, waren aber mehrere Meter hoch. Es gab aber auch welche, die schon fast wie ein mehrstöckiges Haus wirkten. Vom Weg aus gelangte man über eine kleine Treppe auf das höher gelegene Terrain. Gleich am Anfang standen kleine, eher säulenähnliche Gebilde, doch ein paar Schritte weiter folgten einige, die sicherlich fünf oder sechs Meter hoch waren. Diese Pagoden waren aus flachen Ziegeln erbaut und hatten immer wieder rundum laufende Simse. Diese wirkten wie kleine Vordächer die nach oben hin in immer kürzeren Abständen eingefügt waren. Doch keine Pagode glich der anderen, die eine hatte nur zwei solche Vordächer und die nächste schon fünf. Bei der einen wurde der Umfang nach jeder dieser Unterbrechungen geringer, bei der nächsten blieb der Umfang bis zum Abschluss gleich. Einige waren quadratisch, andere sechseckig oder rund. Die größten hatten meist kleine Türmchen obendrauf und die kleineren, etwa drei Meter hohen, nur eine kleine Platte als Abschluss der Dachspitze. Es gab Bereiche, in denen nur ein bis zwei Meter Abstand zwischen diesen Pagoden war, aber auch immer wieder freiere Flächen, die mit kleinen Bäumen bestanden waren. Es war ein richtiger Wald aus Pagoden.
Ich war immer langsamer geworden, um das alles in mich aufnehmen zu können, doch meine beiden Führer drängten mich weiter. Nach einer kurzen Strecke erreichten wir das Klostergelände.
Wir betraten den inneren Bereich durch ein mit Schnitzereien und vergoldeten Ornamenten verziertes Tor. Überall waren mir unverständliche Symbole, Schriftzeichen und für ein europäisches Auge seltsam anmutende Figuren angebracht. Die vorherrschenden Farben waren rot und blau, und bei einigen Figuren entstand der Eindruck, dass sie jeden Eintretenden ständig im Blick behielten.
Auf dem Klosterhof, den wir jetzt betraten, waren einige Mönche mit Fegen beschäftigt. Sie schauten auf, bekamen bei meinem Anblick große Augen und begannen miteinander zu tuscheln. So, wie sie sich verhielten, hatten sie sicherlich noch keinen Europäer gesehen.
Wir gingen auf ein großes Gebäude zu, das die Front dieses Platzes dominierte. Eine breite Treppe, die von einem mit Ornamenten verzierten steinernen Geländer begrenzt war, führte auf eine rund um das Gebäude laufende Terrasse. Diese wurde ebenfalls von einem hüfthohen, steinernen Geländer begrenzt. Am Ende der Treppe befand sich ein überdachter Durchgang. Von zwei quadratischen, roten Säulen getragen, überspannte ein mit blauen Dachziegeln gedecktes, schön geschwungenes Dach den Durchgang.
Auf den Ecken thronten, wie am Eingangstor, Wächterfiguren. Rechts vorn war ein grimmig aussehender Krieger mit einem erhobenen Schwert in jeder Hand zu sehen. Auf der dahinterliegenden Ecke war ein Drache mit ausgebreiteten Flügeln und weit vorgestrecktem Kopf angebracht. Die gegenüberliegende Ecke wurde von einer Löwenfigur beherrscht und die linke, vordere Ecke zierte ein weiterer Krieger. Die in einem satten Rot gehaltenen Wände des Tempels wurden direkt hinter dem überdachten Durchgang von einem etwa zwei Meter breiten Eingangsportal unterbrochen. Auf beiden Seiten des Eingangs waren auf kleinen Podesten steinerne Löwen postiert.
In einer Höhe von etwa drei Metern begann das an den Ecken nach oben geschwungene, wiederum mit blauen Dachziegeln gedeckte Unterdach. Auch hier wurden wieder die Ecken von verschiedenen Figuren beherrscht. Nach ungefähr zweieinhalb Metern wurde das Dach wieder von einer etwa eineinhalb Meter hohen Wand unterbrochen. Soweit man das von hier unten beurteilen konnte, waren dort reich verzierte Lichtdurchlässe eingebaut. Vermutlich versorgten sie den großen Innenraum mit einem diffusen Licht. Nun folgte das eigentliche Dach. Auch dieses war wieder mit blauen Ziegeln gedeckt und auch hier fehlten die Wächter nicht.
Durch die offene Eingangstür des Tempels konnte man den goldenen Schimmer einiger Figuren wahrnehmen. Gerade als ich diese besser zu erkennen versuchte, wurden sie von einigen Mönchen, die aus dem Tempel traten, verdeckt.
Alle trugen gelbe, bis auf den Boden fallende Kutten und bis auf den Mönch in der Mitte waren über diese noch rote Überhänge geschlungen. Dieser Mönch in der Mitte strahlte etwas aus, das mich sofort in seinen Bann zog. Auch auf alle anderen schien das so zu wirken, denn man ließ einen gewissen freien Raum um ihn herum.
Er schien schon ein recht hohes Alter erreicht zu haben, doch seine Bewegungen waren frisch und kraftvoll. In seiner rechten Hand hielt er eine Perlenkette und während er mich freundlich musterte, glitten die Perlen unablässig durch seine Finger.
Meine beiden Begleiter verneigten sich ehrerbietig vor ihm und auch ich senkte grüßend den Kopf. Es war, wie ich damals schon richtig vermutete, der Abt des Klosters. Mit ruhigen, bedächtigen Schritten kamen er und seine Begleiter die Treppe herunter auf uns zu. Mit seiner warmen und beruhigenden Stimme sprach er mich an, doch leider konnte ich, wie bei meinen beiden Führern, kein Wort verstehen.
›Tut mir leid, aber ich spreche diese Sprache leider nicht.‹
Er sah mich kurz prüfend an und stellte dann meinen beiden Führern einige Fragen, die diese, immer wieder auf mich deutend, beantworteten. Verstehend nickend schien er kurz zu überlegen, dann sprach er den Mönch zu seiner Rechten an. Dieser schien mit dem, was der Abt sagte, nicht einverstanden zu sein, denn es folgte ein kurzer Wortwechsel, an dessen Ende sich der kräftig aussehende, jüngere Mönch zwar vor dem Abt verneigte, aber man konnte seiner Haltung und dem Gesichtsausdruck ansehen, dass er dem, was der Abt gesagt hatte, nicht zustimmte.
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