Joachim R. Steudel - Traum oder wahres Leben

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Welche Umstände haben dazu geführt, dass sich der erfolgreiche deutsche Unternehmer Günter Kaufmann nun in einem Shaolin Kloster befindet? Was hatte seine Lebenseinstellung so grundlegend geändert und ihn auch noch zu einem hervorragenden Kämpfer gemacht?
Eine Kette unglücklicher Ereignisse im einundzwanzigsten Jahrhundert führt zu einem neuen Leben im mittelalterlichen China. Der Wandel vom erfolgreichen Geschäftsmann, der aus seiner schnelllebigen Zeit gerissen wird, und Körper und Geist in Einklang bringt.
Oder ist alles nur ein Traum?

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Joa­chim R. Steu­del

Traum oder wah­res Le­ben

Dao - Der Weg

Traum oder wahres Leben - изображение 1

In­halts­ver­zeich­nis

Ti­tel Joa­chim R. Steu­del Traum oder wah­res Le­ben Dao - Der Weg

Ver­zweif­lung

Er­wa­chen

Die Kraft des Geis­tes

Eine neue Freund­schaft

Er­fah­run­gen

Auf Wan­der­schaft

Yin und Yang

Der lan­ge Auf­ent­halt

Zu­rück nach Shao­lin

Die Er­kennt­nis

Ver­än­de­run­gen

Är­ger

Schlech­te Nach­rich­ten

Die Ge­sandt­schaft

Buch­lis­te

Impressum neobooks

Verzweiflung

Ein stei­ler, durch den an­hal­ten­den Nie­sel­re­gen schlüpf­ri­ger Weg führ­te in vie­len Win­dun­gen den Berg hi­n­auf. Mit zü­gi­gen und den­noch si­che­ren Schrit­ten streb­te ein etwa drei­ßig­jäh­ri­ger Mann auf die­sem dem Gip­fel ent­ge­gen. Nur noch we­ni­ge Me­ter trenn­ten ihn vom höchs­ten Punkt, als der schma­le Pfad um einen leicht vor­sprin­gen­den Fels­grat bog. Nach­dem er die­se nicht ganz un­ge­fähr­li­che Stel­le pas­siert hat­te, wur­de der Blick frei auf eine klei­ne Ter­ras­se. Bei schö­nem Wet­ter konn­te man von die­ser Stel­le aus weit ins Land schau­en, doch an die­sem Tag war durch das neb­li­ge und reg­ne­ri­sche Wet­ter die Sicht bis auf we­ni­ge Me­ter ein­ge­schränkt. Am Rand die­ses über­hän­gen­den Fels­stückes, nur eine Hand­breit vom Ab­grund, stand eine jun­ge Frau. Die nas­sen, ver­kleb­ten Haa­re hin­gen ihr ins Ge­sicht und an ih­rer durch­näss­ten Klei­dung konn­te man er­ken­nen, dass sie schon län­ger hier stand.

Un­ge­hört von der Frau ging der Mann zu der et­was über­hän­gen­den Fels­wand, die in ei­nem leich­ten Halb­kreis den hin­te­ren Teil die­ses Or­tes um­rahm­te. Nach­dem er sie eine Wei­le be­ob­ach­tet hat­te, durch­brach er die Stil­le.

»Warum wol­len Sie Ihr Le­ben weg­wer­fen, es hat doch ge­ra­de erst be­gon­nen?«

Er­schro­cken fuhr die Frau he­r­um und wäre da­bei bei­na­he ab­ge­rutscht. Das Gleich­ge­wicht wie­der er­lan­gend und einen Schritt vom Ab­grund zu­rück­wei­chend, schau­te sie den Mann mit weit auf­ge­ris­se­nen Au­gen an.

Sein schon fast ganz er­grau­tes Haar schi­en selt­sa­mer­wei­se noch voll­kom­men tro­cken zu sein. Groß und schlank ge­wach­sen, strahl­te er eine Ruhe aus, wie sie es noch nie ge­spürt hat­te. Auf ei­nem Bein ste­hend, das an­de­re an­ge­win­kelt an der Fels­wand, schau­te er ihr freund­lich lä­chelnd in die Au­gen. Die­ser Blick hielt sie für kur­ze Zeit ge­fan­gen.

»Wer sind Sie? Wo kom­men Sie her? Wie lan­ge ste­hen Sie schon hier?«

Er lach­te fast un­hör­bar.

»Mein Name tut hier nichts zur Sa­che. Sie ken­nen mich ja doch nicht.«

»Noch nicht!«, füg­te er lä­chelnd hin­zu. Tief sog er die fri­sche, feuch­te Luft ein und sie hat­te den Ein­druck, dass er bis in ihr In­ners­tes se­hen konn­te.

»Ich ste­he schon lan­ge ge­nug hier, um Ihre Ab­sicht zu ken­nen. Ehr­lich ge­sagt ist es ge­nau das, was mich hier­her ge­führt hat.«

»Was wis­sen Sie schon von mei­nen Ab­sich­ten und was geht Sie das an?!«

Wü­tend dreh­te sie sich zum Ab­grund um, und ein we­nig lei­ser füg­te sie hin­zu: »Sie ha­ben doch kei­ne Ah­nung! Für Sie scheint das Le­ben in Ord­nung zu sein.«

Ihre Ge­dan­ken ras­ten und setz­ten fort, was sie laut aus­ge­spro­chen hat­te.

»Aber für mich ist es nicht mehr le­bens­wert. Ich habe al­les ver­lo­ren, selbst zer­stört! Ich habe ja selbst kei­ne Ach­tung mehr vor mir, wer soll­te mich denn noch mö­gen nach dem, was ich ge­tan habe!?«

Trä­nen misch­ten sich ins Re­gen­was­ser, das ihr im Ge­sicht he­r­un­ter­lief. Trau­rig und tief ver­letzt stand sie da und wag­te doch nicht, die­sen einen Schritt zu tun. Der Zwie­spalt in ih­rem In­ne­ren war rie­sig, sie schäm­te sich, fühl­te sich aus­ge­nutzt, ekel­te sich vor sich selbst. Und doch wehr­te sich ihr Ver­stand, ihre See­le ge­gen die Selbst­ver­nich­tung.

»Si­cher­lich sieht es so aus, als ob das Le­ben für mich in Ord­nung wäre, aber das war nicht im­mer so. Auch ich woll­te mei­nem Le­ben am liebs­ten ein Ende set­zen, und glau­ben Sie mir, es war zwar aus ei­nem an­de­ren Grund, aber für mich war in die­sem Mo­ment das Le­ben auch nicht mehr le­bens­wert. Doch nichts auf die­ser Welt kann recht­fer­ti­gen, dass je­mand sein Le­ben weg­wirft. Ich den­ke, ich weiß wo­von ich spre­che, denn ich habe ge­nug er­lebt. Und das, wes­we­gen Sie Ihr Le­ben weg­wer­fen wol­len, ist es nicht wert, die­sen Schritt zu tun! Nicht Sie müs­sen sich schä­men für das, was Sie ge­tan ha­ben, son­dern die, die Sie aus­ge­nutzt und be­nutzt ha­ben! Ei­gent­lich sind Sie doch ein Op­fer, das Op­fer des Be­darfs, der Wün­sche und Fan­tasi­en an­de­rer.«

Lang­sam, wie die Trop­fen des Re­gens, dran­gen die Wor­te in sie ein und nur zö­gernd wur­de ihr be­wusst, dass er sprach, als ob er all ihre Ge­dan­ken ken­nen wür­de. Sie dreh­te sich wie­der um, sah ihn mit ih­ren ver­wein­ten, tief­trau­ri­gen Au­gen an und ver­such­te zu er­grün­den was, wie viel und wo­her er es wuss­te.

»Ich ken­ne Sie nicht und doch spre­chen Sie so, als ob Sie alle mei­ne Ge­dan­ken ken­nen wür­den. Wo­her wol­len Sie wis­sen, warum ich hier ste­he, wes­halb ...«

Plötz­lich durch­zuck­te ein Ge­dan­ke ihr Ge­sicht, ihre Au­gen blitz­ten auf und zor­nig, ag­gres­siv, ja feind­se­lig fuhr sie ihn an.

»Au­ßer«, sie dehn­te die Wor­te und wirk­te wie ein Pan­ther vor dem Sprung, »au­ßer, Sie sind auch ei­ner von de­nen, die sich die­sen Dreck an­schau­en und sich dran auf­gei­len!«

Lau­ernd sah sie ihn an und war­te­te auf sei­ne Re­ak­ti­on. Doch die­se fiel ganz an­ders aus, als sie er­war­tet hat­te. »Eine lo­gi­sche Schluss­fol­ge­rung, doch weit da­ne­ben. So ohne Wei­te­res kön­nen Sie es doch nicht ver­ste­hen. Aber viel­leicht soll­te ich Ih­nen eine Ge­schich­te er­zäh­len, da­mit Sie das Le­ben, auch Ihr Le­ben, bes­ser ver­ste­hen. Ihr Zorn ist ver­ständ­lich, da Sie sich aus­ge­nutzt und miss­braucht füh­len und doch ha­ben Sie es frei­wil­lig und bei vol­lem Be­wusst­sein der Fol­gen ge­tan. Eine Zeit­lang hat es Ih­nen ja auch Freu­de be­rei­tet. In mei­nen Au­gen ist auch nichts Ver­werf­li­ches da­bei, so­lan­ge man sei­ner See­le kei­nen Scha­den da­mit zu­fügt. Viel schö­ner und er­fül­len­der ist es aber, wenn es aus Lie­be ge­schieht.«

»Wo­her …«, zö­gernd und im­mer noch ab­leh­nend ka­men die Wor­te über ihre Lip­pen, »wo­her wis­sen Sie das al­les, mit wem ha­ben Sie ge­spro­chen, wer hat Ih­nen das al­les über mich er­zählt?«

Halb­laut, mehr zu sich ge­spro­chen, füg­te sie noch hin­zu: »Aber ei­gent­lich, ei­gent­lich habe ich doch mit kei­nem dar­über ge­spro­chen?! Kei­ner weiß, wie ich mich füh­le, was mich be­wegt, wo­nach ich mich seh­ne.«

Ihre Au­gen wur­den wie­der feucht.

»Nein! Sie ha­ben mit kei­nem dar­über ge­spro­chen, ha­ben al­les in Ih­rer See­le ein­ge­schlos­sen! Sie schä­men sich. Se­hen in je­dem Blick Ab­leh­nung. Ha­ben das Ge­fühl, dass an­de­re Sie ver­ach­ten und sind ver­bit­tert, weil Sie den­ken, alle re­den schlecht von Ih­nen. Doch die, die am meis­ten mit dem Fin­ger auf Sie zei­gen und läs­tern sind viel­leicht die Schlimms­ten, und schau­en vol­ler Wol­lust, zwi­schen den Fin­gern, ge­nau hin. Ei­gent­lich soll­ten die Men­schen nur über an­de­re rich­ten, wenn sie es selbst bes­ser ma­chen, eine Lö­sung für einen Kon­flikt ha­ben oder ein leuch­ten­des Vor­bild sind. Doch lei­der ist das nicht so!«

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