„Ich kann nicht einschlafen...“, rechtfertigte sie sich ungefragt und überließ Per die Entscheidung, darauf einzugehen oder nicht. Per betrachtete Loreena daraufhin etwas genauer. Wie alt mochte sie sein? Sie erschien ihm noch so jung.
„Ich weiß, dies ist eigentlich kein Unterfangen für eine so junge Dame wie Euch... Wie haben Eure Eltern darauf reagiert?“
Loreena schwieg für einen betretenen Moment. Dann schaute sie hinauf in den Himmel, durch dessen schwarzgraue Wolkendecke die verzerrten Konturen der beiden Vollmonde schimmerten.
„Ich habe keine Eltern mehr... Die Drachen haben sie getötet.“
Nun schwieg Per. Anders konnte er seine Betroffenheit nicht ausdrücken, weckte sie doch auch die eigenen schmerzlichen Erinnerungen.
„Habt Ihr Kinder?“, fragte Loreena plötzlich in diese Stille hinein und Per zuckte zusammen. Nicht, weil ihre Frage so unvermittelt kam, nein, vielmehr, weil sie eine alte Wunde aufriss, die sich in den letzten Monaten bereits neu entzündet hatte. Seine Stimme war belegt, als er antwortete.
„Ich hatte einst welche...“
„Sind sie auch getötet worden?“
Per schüttelte den Kopf.
„Nein, meine Tochter, Mara, ist noch im Kindesalter an Fieber gestorben... Nur ein Heiler hätte sie noch retten können, doch wir waren zu arm, um ihn zu bezahlen.“
Loreena wartete mitfühlend und hoffte, dass Per fortfuhr. Doch er schwieg.
„Ihr hattet von mehreren gesprochen. Was ist aus den anderen geworden?“, fragte sie schließlich leise.
Per seufzte. Die Last der Vergangenheit drückte schon so lange auf seine Schultern, auch wenn er nicht ständig daran dachte. Sie war sein ewiger, stiller Begleiter geworden, seit jenem Tag, als er die Wahrheit erkannte und sie den Stein ins Rollen brachte, der zuletzt nicht nur sein Leben, sondern die ganze Welt verändern sollte.
„Ich hatte noch einen Sohn...“
Ja, er hatte auch einen Sohn gehabt. Selaras und sein Sohn. Zumindest sieben Jahre lang war er es gewesen. Seine Geburt hatte Selara das Leben gekostet und Pers Herz mit großer Trauer erfüllt. Doch zu dieser Trauer hatte sich stets auch die Liebe gesellt. Kein Tag war vergangen, an dem Per nicht stolz auf seinen kleinen Jungen blickte. Vielleicht sogar umso mehr, als dass er in ihm einen Grund sehen wollte, aus dem Selaras Tod nicht umsonst gewesen war. Der Kleine war flink, geschickt und intelligent, und Per hatte ihn gern dabei beobachtet, wie er sich mit seinen Spielkameraden im Kampf probte, denn auch dabei stellte er sich gar nicht schlecht an. Sobald er alt genug sein würde, hatte Per vorgehabt, ihn mit in den Orden zu nehmen, damit er dort seine Lehre als Drachentöter beginnen und zuletzt in seine Fußstapfen treten konnte...
„Wie hieß er?“, unterbrach Loreena Pers Erinnerungen. Müde richtete er seinen Blick in die Dunkelheit.
„Toran... Sein Name war Toran.“
„Und was ist aus ihm geworden?“
Per sog den Atem ein.
„Ich weiß es nicht“, log er.
„Ihr wisst es nicht? Wie kann das sein?“
Per seufzte.
„Das ist eine lange Geschichte...“
„Würdet Ihr sie mir erzählen?“
Warum Loreena ihn darum bat, vermochte Per nicht einzuschätzen. War es Neugier? Oder wollte sie sich lediglich von dem unsichtbaren Schrecken ablenken, der gerade überall lauerte, ohne dass sie in der Lage gewesen wären, ihn zu sehen. Gleich, was es war, Loreena konnte jedenfalls nicht ahnen, was ihre Bitte für Per bedeutete. Für einen Moment überlegte er, ob er das Gespräch nun beenden und sie schlafen schicken sollte, doch dann kam ihm der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht verkehrt war, wenn jemand anderes aus ihrer kleinen Gesandtschaft jene Geschichte ebenfalls kannte. Also beschloss er, sie Loreena zu erzählen.
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