Daniela Hochstein
Im Schatten der Prophezeiung
Die Geschichte eines Drachen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Daniela Hochstein Im Schatten der Prophezeiung Die Geschichte eines Drachen Dieses ebook wurde erstellt bei
Im Schatten der Prophezeiung Die Geschichte eines Drachen Von Daniela Hochstein
Prolog
Teil 1 – Sieben Jahre später
Kapitel 1 – Der stumme Junge
Kapitel 2 – Im Kinderheim
Kapitel 3 – Der Anruf
Kapitel 4 – sieben Jahre später
Kapitel 5 – Die Wandlung
Kapitel 6 – Der Bruch
Kapitel 7 – Die Flucht
Kapitel 8 – Die Heimat
Teil 2 – Vierzehn Jahre später
Kaptiel 1 – Der alte Mann
Kapitel 2 - Aufbruch
Kapitel 3 – Torans Geschichte
Kapitel 4 – Abschied
Teil 3 – Vierzehn Jahre zuvor
Kapitel 1 – Die Rettung
Kapitel 2 – Ambaraks Burg
Kapitel 3 – Die Drachen
Kapitel 4 – Das Leben auf der Burg
Kapitel 5 – In der Stadt
Kapitel 6 - Der dreizehnte Drache
Kapitel 7 – Die dritte Reife
Kapitel 8 – Die Feier
Kapitel 9 – Trügerische Freiheit
Kapitel 10 - Bruderschaft
Kapitel 11 - Iriney
Kapitel 12 – Das Erntefest
Kapitel 13 – Das Zerwürfnis
Kapitel 14 – Fort
Kapitel 15 – Die verkaufte Seele
Teil 4 – Zehn Jahre später
Kapitel 1 - Zmaydrak
Kapitel 2 – Torans Erinnerung
Kapitel 3 – Besinnung
Epilog
Impressum neobooks
Im Schatten der Prophezeiung
Die Geschichte eines Drachen
Von Daniela Hochstein
Selara wartete. Sie hatte sich unter dem Vorwand, Beeren suchen zu wollen, von zu Hause fortgestohlen und nun war sie hier und wartete. Ein kleines geflochtenes Körbchen, pflichtschuldig gefüllt mit wilden Erdbeeren, stand zu ihren Füßen, während sie ungeduldig auf dem Stamm eines umgestürzten Baumes hin und her rutschte und Ausschau hielt. Ihre Schuld war ihr dabei wohl bewusst, doch ihre Begierde und ihre Leidenschaft hatten über sie gesiegt. Nicht, dass sie zu Hause nicht glücklich gewesen wäre. Ihr Mann war stets gut zu ihr; er war ein angesehener Bürger in ihrer kleinen Stadt, ein Drachentöter. Ihre Mutter wäre stolz auf Selara gewesen, wenn sie noch lebte. Und ihr Vater... Nun, an ihn wollte sie nicht denken. Er war ein begabter Magier gewesen und sie hätte nur zu gern von ihm gelernt. Doch als er ihr diese Gunst versagte – einer Frau stand diese Gabe einfach nicht zu, auch wenn sie genau wusste, dass sie sie in sich trug – hatte sie ihm und ihrer Heimat auf immer den Rücken gekehrt. Ob ihr Vater um sie trauerte oder nicht, war ihr gleichgültig. Inzwischen jedenfalls.
Als Unbekannte war sie damals in die Stadt gekommen und Per war es gewesen, der sie gesehen und sich in sie verliebt hatte. Durch ihn hatte sie es so angenehm leicht gehabt, hier heimisch zu werden. Nach ihren Wurzeln wurde sie nie gefragt und bald hatte auch sie gelernt, sie zu vergessen.
Ein paar Jahre waren seither vergangen. Per hatte den Lebensbund mit ihr geschlossen und es schien, als fehlte bloß noch das ersehnte Kind zu ihrem Glück. Doch so sehr Selara Per schätzte, ja auch liebte, so war sie erleichtert um jeden Mond, an dem ihre Blutung einsetzte. Zu endgültig wäre das Urteil einer Schwangerschaft gewesen, und sie wollte sich so gern wenigstens die Hoffnung bewahren, dass es noch etwas anderes in ihrem Leben geben könnte. Etwas, das sie mit Sehnsucht erfüllte; etwas, das sie nicht beim Namen zu nennen vermochte, was aber immerzu an ihrem Herzen zog. Etwas, das jetzt, vor wenigen Tagen erst, plötzlich vor ihr aufgetaucht war und diese gewöhnliche Lichtung von einem Moment auf den anderen in einen Ort der Verheißung, einen Ort des Zaubers verwandelt hatte.
Es war ein Mann gewesen, nicht viel älter als sie selbst mit ihren sechsundzwanzig Jahren. Selara hatte Brennholz gesammelt und sich gerade noch am Rande einer einsamen Lichtung nach einem trockenen Ast gebückt. Doch als sie sich wieder aufrichtete, hatte sie sich diesem Mann gegenüber gefunden, der ihr mit einem belustigten Lächeln ein Stück Holz entgegenhielt.
„Kann ich dieser hübschen jungen Dame behilflich sein?“, fragte er und Selara war unmittelbar in den Bann seiner vollen Stimme geraten. Verlegen erwiderte sie sein Lächeln, vergaß dabei jedoch völlig ihre Sprache. Fasziniert starrte sie in seine Augen, die wie zwei hellblaue Gletscher leuchteten, wobei dieser Eindruck sicherlich noch durch sein pechschwarzes Haar verstärkt wurde. Es fiel ihm in widerspenstigen Strähnen über ein Band, das er um die Stirn trug und das am Hinterkopf zusammengeknotet war. Stumm griff sie nach dem Holz und ertappte sich dabei, wie sie den Zufall herausforderte und seine Hand währenddessen scheinbar flüchtig berührte. Noch nie hatte sie so etwas getan. Aber ebenso wenig hatte sie jemals solch eine Begierde in sich gespürt, wie sie jetzt innerhalb weniger Augenblicke aus dem Nichts heraus ihren ganzen Körper in Flammen gesetzt hatte. Verwirrt zog sie ihre Hand zurück und ließ das Holz dabei fallen.
Der Mann lachte, als wisse er um seine Wirkung auf sie, und dafür schämte Selara sich.
„Vielen Dank, aber ich brauche keine Hilfe“, wies sie ihn schroff zurück und wollte sich fluchtartig davon machen.
„Es tut mir leid, wenn ich Euch zu nahe getreten bin. Das war nicht meine Absicht.“
Selara hielt inne.
„Ich hatte dort vorne gesessen und meine Gedanken schweifen lassen, als ich Euch das Holz sammeln sah...“ Der Mann führte den Satz nicht zu Ende, bedachte Selara aber stattdessen mit einem Blick, in dem sie glaubte, die gleiche Bewunderung lesen zu können, wie sie für ihn empfand. Scheu wich sie seinen Augen aus.
„Es wäre mir eine Freude, Euch zu helfen. Allein, um vielleicht ein paar Worte mit Euch wechseln zu können...?“ Erwartungsvoll schaute er Selara an. Dann streckte er plötzlich seine Hand aus und ergänzte hastig: „Oh, Verzeihung, mein Name ist Garion.“
Selara blickte auf seine Hand herab und schlug schließlich zögerlich ein.
„Ich bin Selara. Das Holz kommt in diesen Korb.“ Sie hielt Garion den Korb entgegen, worauf er grinsend das Holz wieder aufhob und hinein plumpsen ließ.
Es folgten viele Tage, an denen Selara sich heimlich auf dieser Lichtung mit Garion traf, und jedes Mal war sie aufgeregt wie ein kleines Mädchen. Anfangs sprachen sie bloß miteinander. Gebannt lauschte Selara Garions Worten und nahm dabei den Klang seiner Stimme in sich auf, wie ein wohlschmeckendes, sprudelndes Getränk, das ein herrliches Kitzeln in ihrem Bauch hinterließ. Doch bald genügte ihr die Stimme nicht mehr und sie verzehrte sich danach, einmal bloß seine Haut zu berühren. Wie hätte es anders sein können: es kamen die Momente, in denen sie auf ihren Spaziergängen durch den Wald so eng nebeneinander her schritten, dass sich gelegentlich rein zufällig ihre Hände streiften, und irgendwann wurde es zu einer Absicht. Eine Absicht, die auf einem sonnigen Fleckchen Wiese mit dem ersten Kuss endete.
Das war bei ihrem letzten Treffen gewesen. Nun wartete Selara hier auf dem Baumstamm auf Garion. Sie wartete auf seine ungewöhnlich warmen Hände, die ihre Wangen, ihren Hals, ihren Busen streicheln würden. Sie wartete auf die elektrisierenden Wellen, die dabei durch ihren Leib rollen würden. Sie wartete auf das Ungewisse, das sich daraus ergeben würde. Sie wartete auf das Verbotene, das sie tun würde. Sie wartete auf den Hauch von Abenteuer, das Garion in ihr Leben gebracht hatte.
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