Daniela Hochstein
Gebrochene Flügel
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Inhaltsverzeichnis
Titel Daniela Hochstein Gebrochene Flügel Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog Prolog Gebrochene Flügel von Daniela Hochstein Für Marco: Die Drachen erhoben sich, breiteten ihre Flügel aus, warfen sich dem Wind entgegen und glitten auf seinen stürmischen Wogen, geschmeidig wie Delphine. Böe um Böe peitschte ihren Flug, hob sie in die Höhe, drückte sie in die Tiefe. Doch es war ein Spiel für sie, das sie zum Lachen brachte. Solange bis der Wind genug hatte, bis er wütend wurde und zu mächtigen Schlägen ausholte. Der Spaß verging ihnen bald und einer nach dem anderen zog sich zurück. Eisiger Regen stach in ihre Augen, machte sie beinahe blind, sodass sie glücklich waren, als sie auf dem sicheren Boden landeten, und von dort aus erleichtert dem Sturm entgegen spotteten. Bloß einer von ihnen landete nicht. Die anderen riefen ihm zu, warnten ihn, doch er lachte bloß. Er, der König der Lüfte. Er, dessen Kraft noch kein Wind gebrochen hatte. Er, dessen Flügel die Prächtigsten waren, die ein Drache je besessen hatte. Er würde dem Wind trotzen, ihn nicht feige von der Erde aus verspotten, sondern von hier oben, inmitten der zornigen Wolken, die nach ihm schlugen und kratzten. Doch er hatte sich verschätzt.
Kapitel 1
Zwischenspiel
Kapitel 2
Zwischenspiel
Kapitel 3
Zwischenspiel
Kapitel 4
Zwischenspiel
Kapitel 5
Zwischenspiel
Kapitel 6
Zwischenspiel
Kapitel 7
Zwischenspiel
Kapitel 8
Zwischenspiel
Kapitel 9
Zwischenspiel
Kapitel 10
Zwischenspiel
Kapitel 11
Zwischenspiel
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Zwischenspiel
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Epilog
Zum Abschluss
Impressum neobooks
Gebrochene Flügel
von
Daniela Hochstein
Für Marco:
Die Drachen erhoben sich, breiteten ihre Flügel aus, warfen sich dem Wind entgegen und glitten auf seinen stürmischen Wogen, geschmeidig wie Delphine. Böe um Böe peitschte ihren Flug, hob sie in die Höhe, drückte sie in die Tiefe. Doch es war ein Spiel für sie, das sie zum Lachen brachte.
Solange bis der Wind genug hatte, bis er wütend wurde und zu mächtigen Schlägen ausholte. Der Spaß verging ihnen bald und einer nach dem anderen zog sich zurück. Eisiger Regen stach in ihre Augen, machte sie beinahe blind, sodass sie glücklich waren, als sie auf dem sicheren Boden landeten, und von dort aus erleichtert dem Sturm entgegen spotteten.
Bloß einer von ihnen landete nicht. Die anderen riefen ihm zu, warnten ihn, doch er lachte bloß. Er, der König der Lüfte. Er, dessen Kraft noch kein Wind gebrochen hatte. Er, dessen Flügel die Prächtigsten waren, die ein Drache je besessen hatte. Er würde dem Wind trotzen, ihn nicht feige von der Erde aus verspotten, sondern von hier oben, inmitten der zornigen Wolken, die nach ihm schlugen und kratzten.
Doch er hatte sich verschätzt.
Sarah hatte von Anfang an kein gutes Gefühl gehabt. Und daran war nicht bloß ihr Bruder Tobias Schuld, der viel zu spät mit Mutters Auto zurückgekommen war und nun viel zu schnell über die Landstraße Richtung Stadt raste. Nein, auch die schwarzen Wolken, die sich bedrohlich an dem Abendhimmel auftürmten, sowie der Regen, der mit tausend nassen Fingern auf die Windschutzscheibe trommelte und selbst der höchsten Geschwindigkeitsstufe des Scheibenwischers nichts als Verachtung entgegenbrachte, säte eine finstere Ahnung in ihre Brust.
Trotzig nahm sie einen tiefen Atemzug, denn eigentlich wollte sie sich freuen, war sie doch auf dem Weg zu ihrem ersten Blind Date in ihrem Leben. Zero. So zumindest hieß er in seinen E-Mails, die er ihr schrieb.
Der Zufall hatte sie zusammengeführt. Oder besser: Eine gemeinsame Leidenschaft und die Erfindung des Internets, das erst vor wenigen Jahren seinen Weg in die privaten Haushalte gefunden hatte, bereit, der Gesellschaft eine neue Welt zu eröffnen. Sarah hatte diese Errungenschaft sogleich genutzt, um endlich ihre selbst verfassten Geschichten mit Gleichgesinnten zu teilen. Menschen, die sie in ihrem alltäglichen Umfeld stets so vermisst hatte. Und so war sie auf Zero gestoßen. Sie mochte seine Texte und er liebte ihre, obgleich sie sich so sehr unterschieden. Aber vielleicht war es auch genau das, was sie verband.
Bald schon hatten sie sich E-Mails geschickt und als sie darin zufällig entdeckten, dass sie in der gleichen Stadt lebten, war der Beschluss schnell gefasst, sich auch persönlich zu treffen.
Sarah wusste nicht viel über Zero. Allein seine Texte kannte sie und sein ungefähres Alter. Das aber war auch schon alles. Nicht einmal seinen richtigen Namen hätte sie nennen können, und wie er aussah, konnte sie sich anhand seiner Beschreibung nur ungefähr vorstellen. Aber genau das machte es so reizvoll, so spannend, so aufregend, dass sie nun mit kalten, feuchten Händen neben Tobias auf dem Beifahrersitz saß und mit klopfendem Herz aus dem Fenster starrte, bemüht, gegen ihr inneres Zittern und diese seltsam unheilvolle Ahnung anzukämpfen.
„Siehst du, Sarah, dort vorne ist schon die Stadt. In fünf Minuten sind wir da und du bist nahezu pünktlich.“ Tobias warf Sarah ein schräges Lächeln zu. Ein für ihn typisches Lächeln. Eines, über das sie sich schon so oft geärgert hatte, weil es bloß seine Fehler überdecken sollte und in diesem Fall seine Unzuverlässigkeit. Nahezu pünktlich. So nannte er also zwanzig Minuten Verspätung. Was, wenn Zero nicht so lange warten wollte? Was, wenn er bereits wieder gegangen war? Hätte sie zwanzig Minuten auf ihr Date gewartet?
Sarah verzichtete auf eine Antwort und weil Tobias seine Schwester kannte, trat er noch ein wenig fester auf das Gaspedal. Sarah versah ihn daraufhin mit einem kritischen Blick, doch bevor sie zu einem Protest anhob, schaute sie auf die Uhr und entschied sich zu schweigen.
Sie waren gute zwanzig km/h zu schnell, als sie die Stadtgrenze passierten. Wie ein Wasserfall prasselte der Regen auf die Scheiben und verwandelte die Welt in ein Zerrbild aus Schatten und bunten Lichtern. Sarah sah das gezackte Grün einer Ampel auf sie zufliegen, das sich viel zu früh in ein Orange verwandelte, und während Tobias das Gas der Bremse vorzog, drückte sie instinktiv ihren rechten Fuß auf den Boden; als könne sie damit das Unheil aufhalten, das sich vor ihnen anbahnte, obgleich es noch keiner von ihnen wissen konnte.
Erst als Tobias die Ampel bei rot überfahren hatte, nahm er seine Geschwindigkeit zurück und bog rechts ab, wobei Sarah sich an den Türgriff klammerte, um der Fliehkraft zu widerstehen. Und da plötzlich tauchte er auf, aus dem Nichts voll Nacht und Regen. Ein geisterhafter Schatten im Augenwinkel, der sich dann jedoch in eine Regenjacke mit Reflektorstreifen verwandelte. Grell warfen sie das Scheinwerferlicht zurück, auf dass es sich in den Regentropfen auf der Scheibe brach und in tausend Splitter zerbarst. Mit einem lauten Fluch stieg Tobias auf die Bremse, die Reifen quietschten, das Auto rutschte über den nassen Asphalt, während Sarah bloß bleich vor Schreck dasaß, die Hände mit aller Kraft gegen das Handschuhfach gestemmt, und in die aufgerissenen Augen des Radfahrers starrte, der unfähig war, dem unvermeidlichen Aufprall zu entgehen.
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