Bei Bernd und Ruth hatte Amor bestimmt seine Hand im Spiele! Natürlich! – Und wenn Günther an Ruth denkt, geistert dieser jagende Jüngling bei ihm auch im Kopf herum! Denn dieser kleine Junge mit Pfeil und Bogen ist nicht nur der liebevolle Gott des Glücks. O, nein! Gerade Eheleute, die mit Treueschwüren an den Einzigen bzw. an die Einzige gebunden sind, haben so ihre Schwierigkeiten mit ihm!
Man sollte Verständnis haben für ihre Schwärmereien. Ein Mitleiden wäre besser, ein Verzeihen das Beste.
Und mit diesem Satz beginnt die erste Geschichte. - -
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Zunächst soll an den lustigen Amtsleiter Günther erinnert werden. Aber als Gegensatz zu interessanten und liebenswerten Frauen zählte dessen Gattin Mia. Günther hatte ein schlimmes Martyrium mit ihr auszustehen. Alle bemitleideten ihn im Stillen, aber da sie zur Truppe gehörte, akzeptierte man sie, als hätte sie sich eingereiht. Kochen konnte sie wirklich gut, aber zum eigenen Verzehr war sie selbst wohl nicht tauglich.
Aber Walters Ruth schon!
Die stürzte die Männer von einer Überraschung in die andere. Ihr Charme riss alle Männer mit. Ihre Verehrung stieg von Tag zu Tag. Und beispielhaft war Walters Haltung dazu.
Und alle verließen sich auf Karins Unternehmungsgeist. Auch sie würde Schwung in die Truppe bringen.
Der Urlaub nimmt seinen Verlauf in einer französischen Kleinstadt am Meer.
Loctudy ist ein lieblicher Ort in der Bretagne. Drei Häuser liegen in der Nähe des Strandes dicht beieinander und bilden einen idealen, fast windstillen Hofplatz mit wunderbarem Blick aufs Meer. Hier verbrachten die drei befreundeten Familien einen Monat lang die Ferien. Sie wollten den Urlaub hier später noch einmal wiederholen, konnten es aber leider nicht, da Günther starb.
Die Menschen passten einfach prima zusammen: Walter mit seiner Ruth und Bernd mit seiner Karin, die immer neue Unternehmungen ersann. Natürlich auch Günther, aber der hatte die Last mit seiner Frau.
Alle waren jung? – denn jeder ist so alt, wie er sich fühlt. Hier konnten sie ihre Sorgen vergessen. Sie wollten einfach nur Urlaub erleben, ausspannen.
Ihre Seelen bekamen Flügel. Sie fühlten sich so gelöst!
Na, ja, bewusste Type sprang schon mal aus der Reihe. Diese Schrulle von Günther! Die war schon eine Katastrophe! Sie war so trocken und so kalt wie ein Salzstock. Sogar in ihrem winzigen Bikini konnte sie nicht die Spur von Leidenschaftlichkeit andeuten.
Die Empfindungen der anderen dagegen erlebten einen neuen Frühling.
Die Männer sahen doch die jungen Mädchen oben-ohne und die Frauen in reizenden Bikinis. – Und die Damen? Kaum anzunehmen, dass sie sich allein mit dem Anblick ihrer Männer zufrieden gaben. Die jungen Franzosen waren recht aufregende Adonis.
Der Taucher von nebenan hatte schon ein aufwendiges Pulverfass zwischen seinen Lenden. Und wenn er dann so lässig die Harpune um seine Hüften schlenkern ließ, dann merkte man deutlich die begehrlichen Blicke der „Mädchen“. Und eine gewisse Dame kümmerte sich, wenn er bei seiner Rückkehr mit drei, vier Seezungen zurückkam, ausnehmend interessiert um die Güte seines Fanges. Sie schmolz bei seinem Blick aus seinen feurigen Augen dahin, und wenn er ihr dann auch noch die beiden besten Exemplare seiner Jagdtrophäen auf ihre Hand legte, wollte sie wohl vor ihm auf die Knie fallen, - so groß war ihr Wunsch, ihn anzuhimmeln. Karin war’s! Natürlich! „Dieses ‚treulose Weib’!“ bemerkte Bernd dann schmunzelnd. – Jeder wusste, er mochte Fisch schon damals gern!
Ja, sie konnten sagen, dass ihr Umgang untereinander und mit anderen Gästen nichts mehr mit dem von normalen, so verklemmten deutschen Bürgern gemein hatte. Er war einer lockeren, freien, aber nie entgleisenden Lebensweise gewichen. Doch eine echt verwurzelte Moral steckte noch tief in ihnen.
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Ruth, Walters Frau, war die hübscheste aller Damen. Sie war der Stern der Mannschaft, allein schon wegen ihres Temperamentes. Ihr Ehemann konnte stolz auf sie sein, war er natürlich auch! - Nicht nur, aber auch wegen ihrer Figur mit den weiblichen Rundungen und wegen ihres festen, kräftigen Busens. Dann die Haare! – fast schwarz, leicht gewellt, aber dick und fest wie ein Besen, mit silbernen Spangen gezähmt – und die langen Beine erst! Sie war einfach klasse!
Selbst die bravsten Ehemänner warfen schon mal versteckte Blicke auf sie. Dann betörte sie mit ihren feurigen Augen ihre Anbeter. Und wenn sie ihre Reize spielen ließ, bekamen die Herren echte Stielaugen.
Das war nun völlig überraschend für alle. Diese hochfeine Dame aus bester Gesellschaft, sonst so überaus förmlich freundlich lächelnd, gab sich hier so menschlich, manchmal sogar recht kreatürlich wild und ausgelassen. In Loctudy kam sie aus sich heraus. Hier ließ sie ihre Funken sprühen!
Sie erntete größtes Erstaunen. Ja, die Welt steckt voller Wunder!
*
Jede Familie richtete während dieser Zeit ein großes festliches Essen für alle aus.
Die Freunde liebten diese Abende, wenn die Sonne nicht mehr so heiß am Himmel stand und es draußen nur noch mollig warm war. Dann schmeckten Essen und Wein in froher Runde besonders gut.
Die Gruppe lernte sich selbst von einer ganz anderen Seite kennen. Denn ausgelassen zu sein, war in dieser Form neu für sie. Alle hatten ihr Lachen wieder gefunden. Sie konnten sogar ihren besten Freund durch den Kakao ziehen. Denn einer von ihnen, aber je nach Gelegenheit ein anderer, musste für ihre Späße herhalten.
Natürlich eigneten sich die Damen dafür besonders. Sie haben doch zu gern, wenn sie im Mittelpunkt stehen – und bewundert werden. Und hier, bei all den Späßen wussten sie, dass sie geachtet und geehrt blieben. Hohn und Spott auf andere waren für die Gruppe ein absolutes Tabu. Jeder, der von der Meute gejagt wurde, konnte vor jeglicher böser Häme sicher sein. Ausgenommen die Schrulle, die kriegte schon mal ihr Fett ab.
Schlug ihre Ausgelassenheit hohe Wellen, gesellten sich auch andere Gäste aus den Nachbarhäusern zu ihnen. Die gehörten schon bald „zur Familie“. Natürlich auch Pierre, der aufregende Taucher, mit seinen Freunden und deren hochkarätigen Begleiterinnen.
Mit der Tauchergruppe waren es jetzt zwölf Erwachsene! Dazu gehörten noch etwa sechs Jugendliche und auch einige Kinder.
Jetzt waren Ruth und der ziemlich unbedarfte (koch-unbedarfte!) Jurist an der Reihe, ihr neues Menü zu kreieren.
Der Ruth schwante Unheil. Es hatte sich nämlich unmerklich die Regel eingeschlichen: „Der Köchin wird immer das Fell über die Ohren gezogen!“
Was dieser Spruch bedeuten sollte, fragte sich jeder. Woher dieser Spruch kam, wusste keiner. Vielleicht vom Fest vorher?
Niemand kann heute noch zurückverfolgen, wie damals aus dem Sprichwort: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!“ unter dem doch so belebenden Rosé Schritt um Schritt ein weitaus inhaltsträchtigeres Wort mit viel mehr Lebensweisheit zurechtgebastelt wurde: „Der wahre Herr im Hause schweigt – und dient in Demut!“ Ein Slogan, den alle noch heute gern gebrauchen.
Dieser neue Spruch sagte nun aus, dass man mit der Köchin – die galt aber nur als eine Möglichkeit – jeden Ulk anstellen durfte, Hauptsache, alle konnten fröhlich sein. Denn allein wichtig waren dabei der Spaß selber und auch die Reaktionen der vorgeführten Personen. Beleidigungen durften nicht sein. Nur wer schnell und witzig reagierte, bekam Pluspunkte zugesprochen. Alle hatten herausgefunden, Ruth würde ihr Bestes geben.
Bei diesem Essen unter freiem Himmel wollte das Ehepaar zwei große, lachsfarbene Seeforellen servieren, in einem Stück und mit vielen Kräutern gebacken. Die Gäste waren bass erstaunt. Konnte Ruth überhaupt selbständig ein Gericht zusammenbrauen?
Es roch bald sehr verführerisch!
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