Herren, Marcadigas ist wegen der gewaltigen Tapferkeit
seines Sohnes Cleomades weit und breit gefürchtet.
Wir werden guttun, wenn wir uns sein Wohlwollen
mit reichen Geschenken erkaufen.« Da verfertigte
Meliocandis eine Henne mit drei Küchlein aus lauterm
Gold, und diese Tierlein sangen so schön, daß
süßere Melodien niemals vernommen wurden. Baldigant
schuf einen Mann aus Gold, der eine Trompete
in der Hand hielt, und jedesmal, wenn jemand Verrat
oder Unbill plante, so blies der Trompeter, daß er ein
ganzes Heer erwecken mochte. König Crompart end-
lich ersann das kostbarste Geschenk. Es war ein Pferd
aus Ebenholz, das seinen Reiter überall hintrug,
wohin er wollte; wenn man einen der stählernen Zapfen
drehte, mit denen es an Stirn und Brust ausgestattet
war, so flog das Tier in die Luft oder zu Tal, zur
Seite oder geradeaus, und es durchschnitt die Luft so
schnell, daß niemand ihm mit den Augen folgen konnte.
Mit diesen drei Geschenken kamen die afrikanischen
Könige in die große Stadt Sevilla, als gerade
König Marcadigas am Ersten des Monats Mai sein
Geburtstagsfest beging. Viele Barone hatten sich zum
Fest am Hofe versammelt und das Volk drängte sich
auf den Gassen, als die drei fremden Herrscher ihren
Einzug hielten. Cleomades, der Königssohn, ging
ihnen entgegen und begrüßte sie mit den geziemenden
Ehren, darauf wurden sie vor den König geleitet. Diesem
boten sie ihre Kleinodien dar, ohne ihm jedoch
den wahren Zweck ihrer Fahrt zu enthüllen. »Wir fordern
darfür«, sprach der listige Crompart, »nur eine
Gegengabe für uns alle drei.« »Und ich bewillige sie
euch,« erwiderte der König, »schont meiner Habe
nicht! Wählt unter meinen Burgen und Städten, unter
meinem Gold und meinen Edelsteinen, fordert kühn,
was euch gefällt, ich verspreche euch im voraus, daß
es euer ist.« Der Bucklige hub wieder an: »Herr, Ihr
macht uns froh, denn Ihr bewilligt uns reiche Gabe.
So wisset: um Eurer Töchter willen verließen wir
unser Land und sie verlangen wir von Euch. Ihr habt
uns unsere Bitte im voraus gewährt, nun nehmt die
Kleinodien, die wir Euch mitbrachten!« Marcadigas
sah, daß er hintergangen war und sein vorschnelles
Versprechen reute ihn wegen der Mißgestalt Cromparts,
aber ein König darf sein Wort nicht brechen.
Auch dem Königssohn mißfiel es, daß der Mann mit
dem Schweinsrüssel eine seiner Schwestern bekommen
sollte, er benachrichtigte die Jungfrauen und
diese spähten durch ein Loch in der Wand in den
Saal. Die beiden ersten gefielen ihnen nicht übel, aber
als sie den kleinen häßlichen Crompart sahen, da
fragten sie sich angstvoll, welcher von ihnen dieser
bestimmt werden sollte. Nachdem alles im Saale Platz
genommen hatte und Ruhe geboten war, nahm Melocandis
die goldene Henne und setzte sie mit ihren
Küchlein mitten in den Saal, und siehe, alle vier ließen
einen wunderlieblichen Gesang hören. Dem Könige
gefiel die Gabe sowohl wie der wohlgestaltete
Spender und auch Cleomades erklärte sich zufriedengestellt.
Melocandis verneigte sich vor dem König
und erhielt die älteste Tochter, die durch das Loch mit
Wohlgefallen den edlen Ritter betrachtete. Dann trat
Baldigant vor und überreichte dem König den Mann
aus Gold, indem er ihn dabei über dessen Eigenschaften
unterrichtete. Er erhielt die zweite Tochter und
neigte sich dankend vor dem Herrscher. Da geriet die
jüngste, welche Marina hieß, in große Not, denn ihr
blieb nur der häßliche Zwerg übrig. Cleomades, der
ihre Tränen sah, versprach, er wolle es so einrichten,
daß Crompart sie nicht zur Frau erhalten solle, und
über diese Worte wurde sie wieder ein wenig froh und
lächelte. Während sie solches in der Kammer besprachen,
hatte aber der Bucklige schon so geschickt mit
dem König geredet, daß dieser ihm seine Tochter zugebilligt
hatte. Cleomades verbarg seinen Zorn und
sprach leise zu seinem Vater: »Wollt Ihr Eure Tochter
ewiger Trauer überliefern, indem Ihr sie diesem mißgestalteten
Geschöpf zum Weibe gebt?« »Ich nahm
sein Geschenk und gab ihm mein Versprechen. Könige
lügen nicht.« »Herr,« wandte Cleomades ein,
»woher wißt Ihr, daß das Pferd die Eigenschaften besitzt,
die er an ihm rühmt? Erprobt zunächst die
Wahrheit seiner Worte und den Wert der Gabe!« Der
König war damit einverstanden und Cleomades setzte
dem Zwerg seine Zweifel auseinander. »Wenn Ihr das
Pferd besteigen wollt,« sagte Crompart mit hämischem
Lachen, »so sollt Ihr erfahren, ob ich log. Ertappt
Ihr mich auf Unwahrhaftigkeit, so mögt Ihr mit
mir machen, was Ihr wollt.« Der Treulose hatte wohl
gemerkt, daß Cleomades die Heirat hintertrieb, und er
suchte nach einer Gelegenheit, sich an ihm zu rächen.
Während der Bucklige diese Worte sprach, blies der
goldene Trompeter in sein Horn, weil gegen Cleoma-
des Verrat geplant wurde, aber niemand achtete auf
den Ton. Das Roß wurde in den Hof geführt und die
Menge drängte sich gaffend herum. Ein Sattel aus
Ebenholz deckte das Zauberpferd und seine Steigbügel
hatten die Eigenschaft, daß sie sich der Größe
eines jeden Reiters anpaßten. Cleomades, begierig,
das Geheimnis zu erfahren, bestieg den Rücken des
Tieres und drehte an einem Zapfen an dessen Stirn.
Wie der Sturmwind sauste das wunderbare Flugzeug
durch die Luft davon, und die Zurückbleibenden verloren
es alsbald aus den Augen. Der König wandte
sich zornig an Crompart: »Laßt das Pferd umkehren,
es ist schon zu weit fort. Mir scheint, es ist nun hinreichend
erprobt.« »Herr,« entgegnete der Verräter
mit unschuldiger Miene, »es steht nicht in meiner
Macht, das Roß zurückzurufen, denn ich vergaß,
Euren Sohn, als er aufstieg, zu lehren, wie er umkehren
könne. Erst als er fort war, fiel es mir ein. Es
schmerzt mich sehr, doch kann ich ihn Euch nicht
wiedergeben.« »Freund,« sprach der König, »du wirst
nicht das Licht des Tages sehen, bis ich meinen Sohn
wiederhabe. Wahrlich, übel war ich beraten, da ich
die Warnung des Bläsers nicht beachtete, und töricht
handelte ich, daß ich Euch nicht selber Euer Roß versuchen
ließ.« Der Zwerg suchte sich zu verteidigen,
aber das nützte ihm nichts; er wurde gebunden und
ins Gefängnis geworfen, wo er Gelegenheit hatte,
seine Hinterlist zu bereuen.
Den Königssohn indessen trug das Zauberroß in
kurzer Zeit so weit, daß er nicht mehr wußte, welche
Länder und Meere unter ihm vorübereilten. Wohl
merkte er, daß Crompart ihn hintergangen hatte, um
sich seiner zu entledigen, aber sein tapferes Herz verzagte
darum nicht. Er erinnerte sich, daß er den Buckligen
einen Zapfen an der Stirn des Rosses habe drehen
sehen, er tastete oben und unten und fand schließlich
einen Zapfen auf der rechten Seite des Tieres, den
er bewegte: da wandte sich das Pferd augenblicklich
nach rechts. Nun versuchte er einen Zapfen nach dem
andern, bis er wußte, wie er die Maschine, die durch
die Zapfen ihre Bewegung erhielt, steuern müsse.
Schließlich fand er auf der Brust des Holzpferdes
einen Zapfen, der veranlaßte, daß das Flugzeug sich
so sanft, wie ein Aprilregen auf die junge Saat fällt,
zur Erde herabließ und stille stand. Er wußte jetzt,
wie er in die Höhe und abwärts, wie er vorwärts und
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