Emmy Schreck
Finnische Märchen in deutscher Sprache
Finnische Märchen übersetzt von Emmy Schreck, mit einer Einleitung von Gustav Meyer
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Emmy Schreck Finnische Märchen in deutscher Sprache Finnische Märchen übersetzt von Emmy Schreck, mit einer Einleitung von Gustav Meyer Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Impressum neobooks
Einleitung.
Die vorliegende Uebersetzung finnischer Märchen ist
durch mich veranlasst worden, und darum habe ich
mich der Aufgabe nicht entziehen wollen, sie beim
Publicum mit einigen wenigen Worten einzuführen,
die es allerdings nur doppelt schmerzlich werden
empfinden lassen, dass nicht ein Besserer, wie sonst
so häufig, auch in dieser Sache das Wort ergriffen hat.
Vor etwa zwei Jahren, wo ich mehr als heut in
Mussestunden folkloristische Thätigkeit pflegen
konnte, hatte sich mir im Verlaufe einer Arbeit die
Wahrnehmung aufgedrängt, dass für eine vergleichende
Behandlung des Schatzes an Thiermärchen bei den
verschiedenen Völkern unsere Quellen, selbst für
europäische Völker, noch bei weitem nicht reichlich
genug fliessen. Bei meinen Bemühungen, diese Lükken
nach Möglichkeit zu ergänzen, erfuhr ich durch
einen sich dafür lebhaft interessirenden Freund, dass
seine Schwägerin, Frau Schreck in Leipzig, eine geborene
Finnländerin, gelegentlich eine Uebersetzung
finnischer Thiermärchen angefertigt habe. Meine
Bitte, mir das Manuscript dieser Märchen zu überlassen,
erfüllte die Uebersetzerin aufs freundlichste, im
weiteren Verlaufe des sich daran knüpfenden, für
mich an Genuss und Anregung überaus reichen Brief-
wechsels machte ich ihr den Vorschlag, eine grössere
Auswahl finnischer Märchen zu übersetzen, und das
Ergebniss davon liegt in dieser Sammlung vor, welche
dank dem freundlichen Entgegenkommen des
Herrn Böhlau in Weimar das Licht der Welt erblickt
hat.
Ich habe mich selbst gelegentlich gegen das Zuviel
ausgesprochen, das mir in der über uns hereinbrechenden
Fluth von Märchensammmlungen hervor zu
treten scheint und das die Verleger sowohl als das Publicum
misstrauisch gegen jeden neuen derartigen
Versuch machen muss. Ich habe darauf hingewiesen,
dass es nun wol an der Zeit sei, die Untersuchungen
wieder einmal im Zusammenhange aufzunehmen, für
welche Benfey die für alle Zeit giltigen Grundlagen in
seiner Einleitung zum Pantschatantra geschaffen hat.
Mit jener Bemerkung sind aber selbstverständlich nur
jene Sammlungen gemeint, welche, immer wieder dieselben
Gegenden ausbeutend, nichts als Varianten
von längst Bekanntem bringen. Eine Uebersetzung
finnischer Märchen ist von vornherein davon ausgenommen,
da sie dem allergrössten Theile der in Europa
für Folklore sich Interessirenden neues Material
zugänglich macht. Denn die finnische Sprache wird,
trotz ihres hohen Wohlklanges und ihrer grossen
Wichtigkeit für linguistische Studien, doch wol für
immer darauf verzichten müssen von einer grösseren
Anzahl Nicht-Finnen verstanden zu werden. Dass
aber der finnische Märchenschatz schon wegen seiner
Beziehungen zu benachbarter germanischer und slavischer
Volksdichtung eine hohe Bedeutung beanspruchen
darf, liegt ohne weiteres auf der Hand.
Märchen der den Finnen am nächsten verwandten
Ehsten und Lappen sind bereits, wenn auch zum Theil
erst in jüngster Zeit, durch deutsche Uebersetzungen
allgemein zugänglich gemacht. Die von Friedrich
Kreutzwald gesammelten ehstnischen Märchen übersetzte
im Jahre 1869 F. Löwe; erst 1881 konnte die
zweite Hälfte dieser Uebersetzung veröffentlicht werden.
1 Und eine Uebersetzung lappischer Märchen ist
gar erst in diesem Jahre dem deutschen Publicum dargeboten
worden.2 Diesen beiden Werken reiht sich
zunächst das vorliegende an, die erste Sammlung finnischer
Märchen in deutschem Gewande.
Das kleine Finnland beschämt manches grosse
Kulturvolk in Bezug auf die frühzeitig begonnene und
systematisch durchgeführte Sammlung und Ausbeutung
seiner volksthümlichen Ueberlieferungen. Das
Interesse für finnische Volkspoesie ist ungefähr ebenso
alt wie die finnische Landesuniversität Åbo (seit
1828 in Helsingfors), die im Jahre 1640 von der Königin
Christine gegründet wurde. Indessen wurden
während des siebzehnten Jahrhunderts, so viel man
weiss, nur Sprichwörter gesammelt, von denen ein
kleines Heft 1702 erschien. Seit dem Anfange des
achtzehnten Jahrhunderts findet man in Dissertationen
öfters Fragmente von Zauberliedern erwähnt, ein Beweis
dafür, dass man auch mit dem Sammeln dieser
Erzeugnisse des Volksgeistes sich bereits beschäftigte.
Eine grössere Anzahl von Zauberliedern, zusammen
mit epischen und lyrischen Stücken, liess gegen
das Ende des Jahrhunderts der hochgefeierte finnische
Professor Porthan durch seine Schüler und Freunde
sammeln. Gedruckt wurden indess nur Auszüge in
den um jene Zeit verfassten Mythologien von
Lencquist (1782) und Ganander (1789). Eine kleine
Sammlung finnischer Volksräthsel, meistens in poetischer
Form, erschien 1783.3
Bei dem vielseitigen Interesse Goethe's an volksthümlicher
Dichtung darf es nicht wundern, dass wir
bei ihm auch die Uebersetzung eines finnischen Liebesliedes
finden, das er, wie Düntzer nachgewiesen
hat, einem französischen Reisewerke entnommen
hat.4 Im Kanteletar findet sich, so weit ich sehe, das
Original nicht. Herder's Volkslieder, welche Proben
ehstnischer und lappischer Poesie mittheilen, enthalten
kein finnisches Lied. Schon viel früher war jedoch
eine Probe finnischer Volksdichtung in Deutschland
bekannt gemacht worden: Daniel Georg Morhof hatte
1682 in seinem »Unterricht von der teutschen Sprache
und Poesie« ein finnisches Bärenlied, das er der Hi-
storia ecclesiastica Sveo-Gothorum (Åbo 1675) des
Bischofs Bång entnahm, mit einer wenig geschmackvollen
deutschen Uebersetzung mitgetheilt. Ich setze
es her, weil das Buch nicht Jedem gleich zur Hand
sein dürfte:5
O schönes Wild von unsern Pfeilen,
Durch so viel Wunden hier berückt,
Das sich getraut bey uns zu heilen,
Will seyn von unsrer Speis' erquickt,
Durch dich wird uns nunmehr gelingen
Noch hundertmahl dergleichen Beut,
Und du kanst tausend Nutzen bringen,
Bistu zu kommen nur bereit.
Ich könnte hie vielleicht wohl kommen
Selbst von den Göttern hergesand,
Die mir zu meinem Nutz' und Frommen,
Viel guter Beute bracht zur Hand.
Wird dieser Tag denn nun sich enden
So geh ich in mein Hausz hinein,
So will ich zwischen meinen Wänden,
Drey Nächte durch voll Freuden seyn.
Ich habe mich mit Lust und Glücke
Hieher durch Berg und Thal gebracht,
Nun komm ich frölicher zurücke,
All' Unlust habe gute Nacht.
Der Tag ist frölich angefangen,
Mit denen die noch übrig sein,
Bald kömmt er wieder hergegangen
Zu voller Lust und Freudenschein.
Ich ehre dich allzeit indessen
Читать дальше