Für die wilden Spiele seiner Geschwister zeigte er kaum Interesse, was vor allem Vater Hervín missfiel.
"Was hat es mit diesem merkwürdigen Nachzögling, dieser Nr. 13 , nur auf sich?"
Vaters „Erziehungsversuchen“ gegenüber zeigte sich der kleine Willi vollkommen resistent.
„Meine liebe Margót, was hast Du da nur ausgebrütet?“ fragte er seine Gattin einigermaßen vorwurfsvoll nicht nur einmal und ziemlich ratlos. Er ahnte jedoch mittlerweile, dass er wohl einen Weißen Drachen zu den Seinen zählen musste.
Aber die Zeiten hatten sich ja geändert und manchmal geschahen zunächst unverständliche Dinge, die sich später als schicksalhaft herausstellten. Vielleicht könnte ein neuer Weißer Drache endlich wieder einen dauerhaften Frieden in diese Welt bringen, der dauerhaft ihr Überleben sicherte.
Hervín El Dragón hatte ja bereits angefangen, wieder bessere Beziehungen zu den Menschen aufzubauen. Sein Clan hatte es allmählich eingesehen, dass dies der einzig mögliche Weg war.
Aber Freunde und Verwandte, die zu Besuch kamen, beäugten dennoch den so aus der Art geschlagenen, kleinen Drachen mit entsprechendem Misstrauen und sparten nicht an guten Ratschlägen, wie man ihn „auf die Reihe“ bekäme.
Hervín und Margót fügten sich in das Unabänderliche; Vater widmete sich dem "hoffnungsvolleren" Dutzend, dass ausnahmslos zu „normalen“, also schwarzen Drachen werden sollte, auch wenn sie nicht wie bisher als solche wüten durften.
Der Friede mit den Menschen musste unbedingt gewahrt bleiben!
Die Drachenmutter hatte indessen alle Hände voll zu tun, zu verhindern, dass ihr Kuckuckskind mit seiner Neugier und seinem Entdeckungsdrang allzu oft für unangenehme Überraschungen sorgte.
Sie war zwar sehr geduldig, aber mit der Zeit ging ihr der kleine Willi ganz schön auf die Nerven und die ganze Familie atmete erleichtert auf, als er eines Tages, im seinem für einen Drachen noch recht jugendlichen Alter von etwa 250 Jahren, spurlos verschwunden war.
Allerdings hatte Liliana auch da die Hand im Spiel!
Sie alleine wusste ja um die wahre Herkunft und die Besonderheiten dieses quirligen, weißen Nachwuchsdrachens – und über seine Potenziale.
Eines Tages sollten diese das Kräfteverhältnis zwischen Licht und Dunkel wieder ausgleichen und Zastro's Macht in dieser Welt endgültig brechen.
Eines Tages, als er alt genug und die Zeit reif war, "rief" sie Willi........... da zog es den jungen Drachen mächtig in die Ferne. Ohne Gepäck und ohne sich zu verabschieden flog er einfach davon. Weil er sich als ungeliebter Außenseiter fühlte, hielt ihn sowieso nichts mehr zuhause.
In seinem Leichtsinn ahnte er natürlich nicht, dass nun ein schicksalhaftes Geschehen seinen Lauf nahm, in dem er eine entscheidende Rolle spielen sollte.
Von ihm unbemerkt wachte indessen die mächtige Feenkönigin liebevoll über ihn und manchmal, wenn es nötig war, gab sie ihm einen kleinen Schubs in die "richtige" Richtung.
So endete Willis Jugend mit seiner Flucht aus dem Elternhaus.
Aus dem untergeschobenen Drachenei war endlich ein Weißer Drache geworden, dem eine große Aufgabe zugedacht war - aber davon hatte er selbst glücklicherweise noch keine Ahnung.
Erst einmal war er sehr damit beschäftigt, zu sich selbst zu finden.
Und dieser Weg war sehr lang......
Ende
der Ersten Geschichte
Wie es mit dem Drachen Willi weiter erging, erzähle ich in der
Zweiten Geschichte:
Es war schon eine Plage mit dem alten Drachen in der Höhle hoch oben auf dem Berg!
Die Bewohner des kleinen Dorfes im Murmeltal konnten da einiges erzählen.
Heute war es aber besonders schlimm.
Schrecklicher Krach, Rumoren, Stöhnen und gelegentlich aufsteigende, grauschwarze Rauchwolken, mit einem leichten violetten Schimmer, drangen aus der Drachenhöhle bis zu den Dorfbewohnern, die des nachts mit Pfropfen in den Ohren, die Köpfe unterm Kissen, vergeblich einzuschlafen versuchten.Der Drache war verliebt - aber das wusste ja keiner.
Er war zwar in den Gefühlsstürmen der Liebe nicht unerfahren, aber sein neues Liebesabenteuer mit dieser hübschen Dörflerin brachte in völlig aus dem Häuschen. Außerdem war ihm verheißen worden, dass die Liebe zu einer Menschenfrau sein Leben schicksalhaft wenden, geheimnisvolle Kräfte in ihm wecken und ihn zu einem wahren Zauberwesen verändern würde.
War das für einen nach Ruhe und Beschaulichkeit suchenden Drachen nicht Grund genug, sich aufzuregen?
Im schönen Buchenland, wo Wunderbares noch einen Platz hatte, lag das kleine Dorf Buchenhausen am Murmelbach, der seinen Lauf von halber Höhe des gewaltigen Drachenbergs durch eine enge, dunkle Schlucht zum sich lieblich nach Süden weit öffnenden Murmeltal nahm.
Zu beiden Seiten wurde es durch sanft ansteigende und mit uraltem Buchenwald bedeckte Höhenzüge begrenzt. Das Tal weiter unten hatte der dort schon recht breite und immer viel Wasser führende Murmelbach mit einigen kleinen Nebenflüsschen zu einer lieblichen Auenlandschaft gestaltet, mit Teichen, Sumpfgebieten und zum Dorf hin herrlichen Wiesen.
Am Fuße des die ganze Umgebung überragenden Drachenberges war es hügelig, mit einem lockeren, breiten Saum aus Buschwerk, Hecken und vereinzelten, frei stehenden, meistens sehr alten und knorrigen Bäumen.
Das Dorf war zu beiden Seiten des Wasserlaufs gebaut, und weil der Murmelbach hier schon fast die Breite eines Flusses hatte, waren einige große Brücken aus Holz oder Stein für den Dorfverkehr nötig.
Buchenhausen war umgeben von den Wiesen und nur eine kleine, staubige Landstraße in Richtung Süden führte aus dem sich immer mehr weitenden Tal.
Der nächste größere Ort, drei Tagesreisen entfernt, war die Stadt Sonnenburg am Klaren See, dort mündete der Murmelfluss, wie er nun genannt wurde, in das fast binnenmeergroße Gewässer, um es mit seinem klaren Gebirgswasser zu speisen.
Sonst gab es nur noch zwei andere Dörfer weit und breit; der nächstgelegene Ort war Kieselbach, eine Tagesreise weiter südlich. Hier traf die staubige Dorfstraße auf den alten mit Pflaster befestigten Handelsweg, der hier aus Südosten kommend nach Westen abbog. Moosdorf lag eine weitere Tagesreise in Richtung Sonnenburg an dieser wichtigen Verkehrsverbindung zu den weit entfernten, großen Städten im Süden.
In Buchenhausen lebten ungefähr 98 Menschen, 72 Pferde, 184 Kühe, 453 Schafe, 266 Schweine, 491 Hühner, die Hähne mitgezählt, 127 Gänse, etwa ebenso viele Enten, 73 Katzen, 59 Hunde und jede Menge Tauben, Fasanen und Vögel in Volieren. Das hört sich nach einem schrecklichen Gewimmel an, das war es aber gar nicht, es verteilte sich ganz gut. Fast hätte ich es vergessen: da gab es auch noch eine kleine Ziegenherde mit 13 Ziegen.
Das Dorf bestand aus einem kleinen Kern, an den genau 24 Bauerhöfe, große und kleinere, angrenzten, die mit dem Dorf und untereinander mit schön angelegten, breiten und mit Bäumen alleenartig eingefassten Wegen verbunden waren. Die Wege führten dann weiter hinaus in die Felder, zu den Weiden und auch zu ein paar Scheunen oder Schuppen, die in einigem Abstand zum Dorf als Ausweichlager oder als Unterstände für Mensch und Tier vor schwerem Wetter gebaut waren.
Keiner im Dorf litt Mangel, die Landwirtschaft gab gute Ernten her, der Boden war fruchtbar und das Klima günstig. Auf einen harten Winter, der ziemlich regelmäßig Ende November einsetzte und viel Schnee und klare, kalte Frostperioden mit Eis und klirrender Kälte brachte, folgte im März ein rasches Tauwetter, ein milder Frühling und ein langer heißer Sommer mit Gewittern von Juni bis Mitte September. Der Herbst kam mit warmen Regenschauern und, zum Oktober hin, mit immer häufigeren, teilweise undurchdringlichen Nebeln, welche die Niederungen mit dichten, weißen Schleiern verhüllten.
Читать дальше