„Warum diese Mühe? Was hast du davon? Neugier befriedigen? Das kann es nicht allein sein. Recherche? Wofür? Ich kann mir nicht vorstellen, warum du das tust.“
Sie tischte ihm weiter Märchen auf und er ärgerte sich darüber. Diese Frau nahm ihn nicht ernst oder stufte ihn als Hohlkopf ein.
„Willst du nie etwas auf den Grund gehen?“
„Doch. Wie etwas funktioniert. Technisches zum Beispiel. Oder etwas anderes, das für mich wesentlich ist. Das ja. Aber was daran könnte für dich persönlich so wichtig sein, dass du so tief forscht und so viel Mühe auf dich nimmst? Was steckt dahinter? Das muss mehr als Neugier sein. Und das tust du bestimmt nicht erst nach meiner Frage. Verkauf mich nicht für dumm. Arbeitest du für jemanden? In welcher Funktion? Nein? Oder willst du es nicht sagen, darfst du es nicht sagen? Du schüttelst den Kopf, mehr nicht. Bist du extra deswegen hierhergekommen? Wer bist du? Was bist du? Eine Abenteuerin? Journalistin? Wovon lebst du? Eine Historikerin, Schatzsucherin, eine Diebin, eine …“
„Bist du die Inquisition Fabien? Ist deine Liste bald fertig? Der Fragenkatalog?“
„Bestimmt fällt mir noch etwas ein. Ich lasse mich nicht verschaukeln.“
„Es geht dich nichts an. Und wenn? Wenn etwas davon zuträfe? Ist das für dich wesentlich?“
„Nein.“
„Dann stochere du nicht in meinen Gründen herum.“
„Ich mag es nicht, wenn man mich für einen dummen Jungen hält, der nichts merkt und nichts weiß.“
„Dafür halte ich dich nicht. Du hast mir gezeigt, wie du bist. In deinen Reaktionen und Äußerungen. Du bist mehr als der Sprüche klopfende Macho, den du gerne darstellst. Ich durchschaue dich mehr, als du vermutest. Aber noch kenne ich dich zu wenig, um dir alle meine Gründe, etwas zu tun oder zu lassen, zu erörtern.“
Oha. Sie war gefährlicher und schlauer, als er angenommen hatte. Doch vielleicht konnte er sie durch seine Hartnäckigkeit doch überzeugen. Je nach Laune gehörten diese Seiten schließlich auch zu ihm. Es war keine Masche. ‚Nein Mädchen, alles weißt du nicht von mir. Ich hasse es, eingestuft zu werden. Du wirst dich wundern.’
„Lassen wir das. Das Argument gilt. Weiter.“ Er hatte sich beruhigt, schaute sachlich und neutral.
Sie sah ihn nachdenklich an. Seine Gedanken konnten beim Weiterforschen und vorankommen hilfreich sein, gerade weil er kritisch war und beim Gespräch neue Fragen aufwarf.
„Viel bleibt nicht mehr zu sagen. Die Spur ist oft sehr verwischt. Und es ist nur eine Zusammenfassung der Geschichte, die ich dir liefere. Nein, ich forsche nicht erst seit deiner Frage. Das stimmt. Soviel kann ich dir verraten. Aber du hast mich auf neue Ideen gebracht. Eine neue Richtung. Auf den Anhänger stieß ich immer wieder. Er wanderte auf seltsame Weise durch die Zeiten. Einige Gesetzmäßigkeiten blieben gleich. Diejenigen, die ich dir geschildert habe. Wenn die Familienlinie brach und es eine Sackgasse war, musste ich nur im gleichen Zeitraum eine andere Familie suchen, in der Ähnliches geschah. Die Spur setzte sich bis heute fort. Sie wechselte kaum das Land. Die letzte Spur ist die Familie de Fouceau. Die Villa oder besser das kleine Schloss steht nicht weit von hier und wieder taucht eine tote Frau auf.“
„… nichts abgeschnitten, soweit ich es sah. Aber ... hm ...“
„Es war nicht immer so - nur anfangs. Zwar ist noch nicht bekannt, wer diese Frau ist, aber … Oder weißt du mehr?“
„Nein.“
Sie sah ihn lange an. „Warum weißt du, wie der Anhänger aussieht? Trug sie ihn? Du hast dich mehrere Male verplappert. Auch ich bin nicht so dumm wie du glaubst, wenn wir schon beim Ausloten unserer Intelligenzgrade sind.“
„Was hat das mit der Pension zu tun? Das wurde nicht beantwortet.“ Er gähnte ausgiebig und kratzte sich wieder am Kopf. Eine wiederkehrende Geste von ihm in manchen Situationen.
„Du weichst aus“, konterte sie.
„Nein. Du hast die Hauptfrage vergessen und ich erinnere dich daran, “ unterstrich er sein Argument.
„Genauer weiß ich es nicht. Aber es muss mit der Geschichte zu tun haben. Der Name kommt nicht von ungefähr. Ich werde es herausfinden. Wenn ich es weiß, erzähle ich es dir. Vielleicht fällt auch dir etwas auf. Oder der Pensionsbesitzer weiß etwas darüber.“
„Also weißt du nichts.“
„War das nichts? Also? Trug sie ihn, die Tote?“
„Nein. Sie trug ihn nicht. In der Zeitung stand etwas von einer Vermissten. Vielleicht ...“
„Fabien, du hast ihn gesehen! Oder du weißt mehr von allem als du mir weismachen willst.“ Sie ließ ihn nicht mehr abschweifen.
„Ja, okay … ich habe ihn gesehen. Aber sie trug ihn nicht. Du sagtest, er schimmert blau, auch wenn er aus Silber ist. Könnte es sein, dass sie den nachbilden und verkaufen?“
„Nein. Die Geschichte wurde bisher nicht für den Tourismus ausgeschlachtet. Und wenn … es ist nicht ratsam, ein Schmuckstück, das Unglück bringt, nachzubilden.“
„Nun kommst du wieder auf diesen Fluch zurück. Sagtest du nicht, das steigert das Interesse?“
Sie rollte die Augen. Eine weitere Diskussion um abzulenken. „Wo ist der Anhänger?“
Es war ihm peinlich. Ach, was soll’s! Er räusperte sich. „Ich habe so einen Klunker gefunden und ihn ins Meer zurück geworfen.“
„Idiot!“ Sie starrte ihn an. Das durfte nicht wahr sein!
„Ist ja gut. Dann bin ich eben ein Idiot! Wenn es dich interessiert: Die Tote trug ein blaues Haarband mit einem roten Stein, Sternenform. Der fiel mir auf und ich wusste wieder, woher ich das Muster kannte, aber ...“
„Da ist der Zusammenhang. Weißt du, wer sie ist?“
„Nein.“
„Wer wurde vermisst?“
„Ich habe nicht auf den Namen geachtet. Es war nur eine Meldung unter vielen für mich. Nichts zum Bewahren. Nichts von Bedeutung.“
„Ach ist egal jetzt. Aber du … du bist echt ein Idiot. Anders kann man das nicht bezeichnen. Warum hast du den Anhänger weg geworfen? Warum wirfst du so ein Fundstück ins Meer? Was geht in deinem Kopf vor sich?“
Es nervte. Er stellte auf Verteidigung um. „Nichts. Das weißt du bestimmt mit deiner gewohnten Sicherheit. Warum nicht? Was hätte mir das Teil bedeuten sollen? Ich mache mir nichts daraus, stolziere nicht mit so etwas herum wie ihr Weiber. Es kam mir gelegen.“
„Warum?“
„Aus Wut.“
„Auf mich?“
„So wichtig bist du nicht.“ giftete er. Als es ihm bewusst wurde, atmete er tief ein und aus. „Nein. Wir waren uns noch nicht begegnet. Ich hatte die Frau noch nicht gefunden und wusste von nichts.“
„Weißt du noch, wo das war?“
Er staunte: „Du willst ihn doch nicht etwa suchen gehen? Gut, er wird seinen Wert haben, aber … Sie sagen oft mit Recht, ich sei verrückt. Aber mir scheint, du übertriffst das bei weitem. Was beschäftigt dich diese Geschichte so sehr?“
„Recherchen Fabien. Der Anhänger hätte weiterhelfen können. Darum kam ich her. Der Name der Pension hat mich angelockt. Das kann nicht Zufall sein, dass die so heißt. Und diese Familie, die hier in der Gegend wohnt und nun ...“
„Wofür? Beruf?“
„Du lässt nicht locker. Bevor du die schlimmsten Befürchtungen hegst: Es hat nicht das Geringste mit dir zu tun. Es ist eine spannende Geschichte, voller Geheimnisse und passt gut für ein Buch. Dieses Buch will ich schreiben. Die Fakten darin sollten stimmen. Darum die Recherchen. Ich bin Schriftstellerin. Wenn ich Historisches hinein nehmen will, muss der Hintergrund einiges an Tatsachen aufweisen.“
„Oh! Das erklärt einiges.“ Er musterte sie. „Hast du schon veröffentlicht?“
„Ja. Bücher bedeuten mir viel. Deswegen tat es mir leid, dass ich deines verdorben hatte. Aber wenn du mich so ärgerst, musst du mit allem rechnen. Ich lasse mir wenig gefallen. Nun weißt du, was ich tue. Sagst du mir, was du arbeitest? Es ist nur fair, dass auch du etwas preisgibst. Du bist echt hartnäckig. Bist du ein Detektiv?“
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