„Wie bereits erwähnt, ist Geduld hier ein weiser Wegbegleiter. Sollte sich nach Monaten der aktuelle Stand unverändert zeigen, würde ich eine Therapie zur Trauerbewältigung vorschlagen. Es gibt Einzelgespräche ebenso wie Paarsitzungen. Eine weitere Option, die unterstützend wirken könnte, wäre der Besuch von Selbsthilfegruppen. Dort treffen sich ebenso betroffene Eltern, die sich austauschen. Was auch immer sie präferieren, scheuen sie nicht, sich Hilfe einzufordern“, entgegnete Dr. Evert, mit sanftmütiger Miene.
„So! Dann wollen wir uns mal die Patientin ansehen.“
Im gleichen Atemzuge schnellte er regelrecht enthusiastisch vom Polstermöbel hoch. Ich brauchte etwas, bis ich verstand, dass der Arzt jetzt zu meiner Frau wollte, setzte mich dann aber zügig in Bewegung. In Begleitung des Doktors begab ich mich zu Sarah ins Schlafzimmer. Sie schien sich nicht vom Fleck gerührt zu haben.
„Guten Tag, Sarah. Ich bin Doktor Evert. Wie geht es Ihnen? Ihr Mann und ich haben bereits ein wenig miteinander gesprochen. Mein aufrichtiges Beileid zu ihrem Verlust.“ Geduldig, so als hätte er alle Zeit der Welt, setzte er sich entspannt auf den Nachtschrank, der meinerseits des Bettes stand.
„Würden Sie...?“ Er starrte mir erwartungsvoll ins Gesicht.
„Max! Würden Sie uns einen Moment geben?“
„Oh ja. Natürlich. Schatz, ich bin kurz draußen auf der Terrasse.“
Die Tür hinter mir schließend, entfuhr mir ein ausgedehnter Seufzer. Durchatmen würde mir guttun. Ein Aufenthalt im Freien entspannte mich in der Regel, mein Kopf schaffte dieses Mal jedoch nicht einen klaren Schnitt unter die mich umtreibenden Gedanken zu setzen. Was der sich wohl erhoffte? Meine Frau sprach nicht. Konstruktive Konversation würde es wohl nicht geben. Vielleicht klärte er sie über existente Hilfsangebote auf. Das wäre gut. Es könnte ihr ja potentiell eines davon zusagen. Sie sollte alle Unterstützung erhalten, die sie benötigte. Hauptsache der Klang ihrer Stimme ertönte bald wieder in unserem Haus. Die Stille machte einen krank. Eine Ewigkeit verbrachte ich, mir den Windhauch durch die Haare streichen lassend. Meinen Blick in die fernen Berge gerichtet, war es Dr. Evert, mit seiner Arzttasche in der Hand, der mich aus meinem Gedankenstrom riss.
„Sie haben eine starke Frau an ihrer Seite, Max. Kommunikation ist ein Grundbedürfnis, das in jeglicher Weise stattfindet. Auch wenn Sie sich verlassen wägen, befinden Sie sich in steter Interaktion miteinander. Ihre Frau spricht mit Ihnen, wenn auch nicht verbal. Melden Sie sich bei Bedarf, in Ordnung? Auf Wiedersehen“, sagte er, mir mit der linken Hand die Schulter tätschelnd. Ich verabschiedete mich ebenfalls, sprach meinen Dank aus, ihn zur Tür begleiten wollend, doch er winkte ab.
Was ich von seiner Stippvisite halten sollte, wusste ich nicht recht. Erhofft hatte ich mir eine Universallösung, etwas schnell Wirksames. Eine Wunderpille vielleicht. Geduld war eines der Dinge, die mir schwerfielen.
Kaum auszumalen, wie es wäre, würde meine Frau weiterhin über Wochen oder gar Monate stimmlos ausharren. Das vermochte ich mir in den kühnsten Vorstellungen nicht ausmalen. Es war ungerecht. Keine Handhabe zu besitzen, die einen voranbringt. Dass unsere Tochter gehen musste. Die Bürde all dessen auf meinen Schultern. Positive Aspekte meines Daseins fand ich aktuell genau Null. Mein eigenes Leben zu meistern war im Status quo kompliziert genug, ein Zweites parallel am Laufen zu halten schierer Wahnsinn. Ich würde Hilfe jeglicher Art gebrauchen, sollten meine Stoßgebete gen Himmel ungehört verhallen. Auf dem Spiel stand alles, was mir von existentieller Bedeutung war, alles was meinem Sein hier Sinnhaftigkeit verlieh. Und es war klar, dass ich diesen Kampf nicht ungekämpft lassen würde.
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