1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Die Länder aber, die erfolgreich produzieren für den einheimischen Markt, verkleinern damit automatisch die Absatzmöglichkeiten für Importeure. Produzieren sie mehr als für den Bedarf im eigenen Land, werden sie für die Industriestaaten zu Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Dagegen richten diese Schutzzölle ein. Man kann den Aufstieg der Entwicklungsländer auch dadurch bremsen, dass man ihre qualifiziertesten Menschen abwirbt. Gleichzeitig kann man diese Fachleute zur Entwicklung der eigenen Wirtschaft sehr billig einkaufen, denn die gesamten Kosten für Erziehung und Ausbildung hat das Ursprungsland getragen. Es gibt keine irgendwie geartete Form der Ausgleichszahlung, der Ablöse im Fussballprofisport entsprechend. Es ist eine ganz legale, häufig praktizierte Form des Diebstahls. Beides erklärt vielleicht mit, warum die Entwicklung in den Entwicklungsländern so zögerlich verläuft. Die Industrieländer wollen sich die Konkurrenz vom Leibe halten.
Saatgutmonopol
Die Großkonzerne legen ihre gierige Hand aber nicht nur auf die Länder, um dort in der beschriebenen Weise produzieren zu können. Sie wollen die gesamte Kette der Ernährung von der Saat über die Düngung, Schädlingsbekämpfung, Ernte und Essensherstellung in ihren Besitz bringen. So erstaunt es nicht, dass sie sich der Herstellung von Saatgut verschrieben haben. Schließlich geht ein guter Teil des Erfolgs der industriellen Landwirtschaft darauf zurück, dass für die Monokultur geeignete Pflanzen zur Verfügung stehen. Das Saatgut ist entscheidend für das Ernteergebnis, heute wie ehemals. Die Gesetze im Hinblick auf das Saatgut haben sich in der letzten Zeit sehr geändert. Früher haben die Bauern einen Teil ihrer Ernte als Saatgut für die nächste Aussaat aufgehoben. Heute dürfen die Bauern ihr Saatgut nicht ohne Weiteres verkaufen. Es muss behördlich zugelassen sein. Diese als Gesetz formulierte Forderung entstand nach dem Krieg und sollte helfen, die Bevölkerung mit sicheren Nahrungsmitteln zu versorgen. Seitdem haben sich die Lebensbedingungen fundamental verändert, aber das Gesetz hat überlebt. Es ist längst überholt und begünstigt einheitliche Industriesorten, nicht die Vielfalt bäuerlichen Saatguts. 70 Prozent der Sorten sind bereits verschwunden. Damit diese fatale Entwicklung nicht weitergeht, fordern viele Fachleute neue Gesetze, die die Artenvielfalt garantieren. Eine Ausnahme von dem Verbreitungsverbot gibt es für Bio – Sorten. Pflanzensorten, die schon länger angebaut werden, haben durch ihr Überleben ihre Tauglichkeit und Unbedenklichkeit bewiesen. Nur neue, genveränderte Sorten müssen diesen Beweis erst noch erbringen. Sie müssten ein aussagekräftiges Prüfverfahren durchlaufen, bevor sie von einer unabhängigen, nicht fremdfinanzierten Behörde ihre Zulassung als Lebens- und Futtermittel erhalten.
Diese Form der Zulassung wurde von der EU – Kommissioin vorgeschlagen. Die Ausschüsse für Umwelt und Landwirtschaft hatten dem EU – Parlament empfohlen, dieses Gesetzeswerk abzulehnen. Bei der Abstimmung waren 650 Abgeordnete gegen das geplante Gesetz und nur 15 Abgeordnete dafür. Es bleibt abzuwarten, wie die EU – Kommission sich nun verhält.
Die Zulassung der Sorten sollte international erfolgen. Das bedeutet, dass die Pflanzen irgendwo geprüft werden können, nicht unbedingt in dem Raum, für den sie vorgesehen sind. Wenn eine Sorte erst einmal anerkannt ist, können die Züchter einen Sortenschutz erhalten, eine Art Patent. Damit bekommen sie das Recht, dass nur sie diese Sorte vermarkten dürfen. Die Bestimmungen, nach denen zugelassen wird, werden von den Saatgutkonzernen und der Nahrungsmittelindustrie festgesetzt. Zehn Großkonzerne, unter ihnen Monsanto und Bayer, kontrollieren zwei Drittel des Weltmarkts. Sie halten Patente auf genmanipulierte Züchtungen. Sie beanspruchen deren ausschließliche Verwertung in jeder Form.
Patentierte Pflanzen
Die als ausschließliches Eigentum betrachteten veränderten Pflanzen sind keine Neuschöpfungen. Sie entstehen dadurch, dass Wissenschaftler Pflanzen verändern, die Allgemeingut sind. Gene werden lediglich neu kombiniert. Wenn dieses Prinzip, das die Konzerne erfunden haben, allgemein angewendet würde, ergäbe es Verhältnisse, die niemand mehr dulden könnte. Stellen Sie sich vor, dass während Ihres Urlaubs in Ihrer Abwesenheit jemand Ihrem Haus eine ganz neue Fassade gibt und das Haus im Inneren umbaut. Folgt man der Konzernlogik, dann gehörte es jetzt und unwiderruflich demjenigen, der den Umbau vornehmen ließ. Anders gehen die Wissenschaftler mit den Pflanzen nicht um, wenn sie einer Mais-, Weizen-, Reis- oder sonstigen Pflanze die Gene anderer Pflanzen einbauen. Nebenbei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob jemandem ein Lebewesen überhaupt so vollkommen gehören kann wie etwas Unbelebtes. Auch bei Züchtungen in der klassischen Weise handelt es sich nur um die Kombination bereits vorhandenen Allgemeinguts. Das ist keine ausreichende Basis für so weit gehende Besitzansprüche. Dass die Züchter das Ergebnis ihrer Arbeit auch selbst vermarkten wollen, es selbst verkaufen wollen, ist ein ganz normaler Vorgang. Patentieren heisst aber, dass man Nachzüchtungen durch andere verbieten kann, die nichts weiter machen würden als die, die das Patent beanspruchen. Sie benutzen die vorhandenen Pflanzen als Ausgangsmaterial und setzen allgemein bekannte Verfahren zur Züchtung ein. Patentansprüche dieser Art sind grundsätzlich abzulehnen. Das ganz besonders große öffentliche Interesse daran, dass Allgemeingut auch Allgemeingut bleibt, wurde in der Entscheidung für die Patentierbarkeit von Lebewesen nicht berücksichtigt.
Kleinbauern
Die Bauern werden gezwungen, nur die zugelassenen Sorten anzubauen. Das verursacht Kosten für den Einkauf von Saatgut, Düngung und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Alle diese Produkte sind in der Hand der Konzerne, die die Preise bestimmen. Kleine Bauern können das nicht mehr bezahlen. Wenn die Landwirtschaft ihr einziges Einkommen ist, sind sie wirtschaftlich bald am Ende. Sie verlieren dann auch ihre Höfe und jede Lebensperspektive. Viele Kleinbauern haben sich in dieser Lage aus Verzweiflung das Leben genommen.
Längst ist bewiesen, dass kleinere landwirtschaftliche Betriebe die einheimische Bevölkerung besser mit Nahrungsmitteln versorgen als die großen Konzerne. Das jahrtausendealte Recht auf eine eigene Saatgutherstellung muss wieder hergestellt werden. Was geschieht, sollte die Lieferung von industriell gefertigtem Saatgut, von Dünger, Herbiziden und Pestiziden aus irgend einem Grunde nicht möglich sein? Die lokale Bevölkerung verfiele dem Hunger. Einer solchen Möglichkeit muss auf alle Fälle vorgebeugt werden.
Kleinbäuerliche Landwirtschaft zeichnet sich durch eine ganz andere Einstellung zu Boden und Landschaft aus. Sie ist bemüht um eine dauerhafte, gute Bewirtschaftung des Bodens, nicht um kurzfristigen hohen Gewinn. Der Staat muss in biologisch ausgerichtete Forschung investieren, der Bauer wieder Herr über sein Saatgut werden. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ist der Garant für eine sichere, nachhaltige Versorgung mit Nahrung.
Freihandelszonen
In diesem Zusammenhang sei noch einmal darauf hingewiesen, dass auch die Getreideproduktion durch die Großerzeuger häufig nicht für die einheimische Bevölkerung bestimmt ist, sondern für den Export in die reichen Länder. Um das Verfahren für sie noch einträglicher zu machen, haben sie sich das Prinzip der Freihandelszonen ausgedacht.
Bei der Einrichtung von Freihandelszonen vereinbaren die Vertragspartner die Abschaffung sämtlicher Zölle und den uneingeschränkten Warenverkehr zwischen den Staaten. Genau so uneingeschränkt möglich wird dann die Betätigung in den Bereichen Bildung und Kultur. Ausländer können dann zum Beispiel in den jeweils anderen Ländern Universitäten eröffnen und die gegebenenfalls für solche Einrichtungen bestehenden Förderungen erhalten. Staatliche Universitäten dürften gegenüber den privaten nicht bevorzugt werden. Damit würden öffentliche Hochschulen genauso teuer wie private. Die Folgen einer solchen Entscheidung lassen sich in Chile gut studieren.
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