„Wir werden im nächsten Monat auf die Lofoten fliegen und unsere Freunde dort besuchen, ich habe sie damals kennen gelernt, als ich für E.ON dort ein Windkraftwerk gebaut habe“, sagte Fiete.
„Ist es dort nicht immer sehr regnerisch und kalt?“, fragte Brigitte unde Fiete antwortete:
„Es ist regnerisch und auch kalt, aber nicht durchgängig, es gibt auf den Lofoten auch Wärme und Trockenheit.“ Als Herbert von seinem Bier getrunken hatte, sagte er:
„Ich weiß noch gar nicht so genau, wo ich einmal arbeiten werde, ich denke aber, dass ich einen großen Energieversorger ausschließe, so etwas, das Sie gemacht haben, das würde mich schon reizen.“
„Ich kenne die momentane Situation am Arbeitsmarkt für Elektroingenieure nicht, aber wenn Sie wollen, kann ich bei meinem Nachfolger anrufen und nachfragen, ob er nicht einen Elektroingenieur einstellen will, wenn Sie im 7. Semester sind, wie Sie sagen, brauchen Sie noch mindestens ein Jahr, bis Sie fertig sind, von daher eilt das nicht so!“
„Ich denke aber schon, dass ich mich langsam bewerben sollte, ich glaube nicht, dass es noch zu früh dafür ist.“
„Also ich werde morgen früh einmal in meinem alten Büro anrufen, wenn Ihnen das recht ist und dort nachfragen!“, sagte Fiete.
„Woher stammen Sie eigentlich gebürtig?, fragte Clarissa und Brigitte antwortete, dass sie beide aus Braunschweig stammten.
Als Clarissa das hörte, sagte sie sofort:
„Braunschweig ist auch meine Heimatstadt, wie klein doch die Welt ist!“
Gegen 23.00 h machten sie Schluss auf der Terrasse und Clarissa zeigte Brigitte und Herbert ihr Zimmer, danach wünschten sie sich eine angenehme Nachtruhe und gingen in ihre Betten. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag um 8.00 h zum Frühstück. Fiete kochte am nächsten Morgen Kaffee und holte Brötchen, er hatte auch den „Weser Kurier“ mitgebracht und wollte ihn ausgiebig lesen, wenn die beiden wieder abgereist wären. Brigitte und Herbert hatten sich umgezogen und sahen beide sehr propper aus, so wie junge Leute eben aussehen, wenn sie noch nicht vom Ernst des Lebens tangiert worden sind. Nach einer Stunde sagte Clarissa;
„So, meine liebe Brigitte, wir beide gehen jetzt zum Notar!“, und sie standen auf und verabschiedeten sich bis zum Mittag. Fiete griff zum Telefon und rief Szymon in Osterholz-Scharmbeck an, um ihm von Herbert zu erzählen. Szymon sagte, dass sich der junge Mann innerhalb der nächsten 3 Monate einmal bei ihm vorstellen sollte, er sollte ihm vorab online seine Vita schicken. Herbert dankte Fiete für seinen Einsatz und freute sich, erste Schritte in Richtung Berufsanfang unternommen zu haben. Fiete und er setzten sich auf die Terrasse und tranken Kaffee so lange, wie die beiden Frauen unterwegs waren. Jeder hatte ein Stück Zeitung vor der Nase und las, Fiete brachte das Gespräch auf TTIP und CETA und Herbert war sofort auf der Palme, als er davon hörte:
„Wir haben in Hannover in Studentenkreisen gegen beide Abkommen demonstriert, weil sie die Stellung des Konsumenten herabsetzen und völlig im Geheimen ausgehandelt wurden, ich denke, dass über Jahre hinweg erstrittene Verbraucherrechte nicht einfach so vom Tisch gewischt werden können.“ In diesem Augenblick kamen Clarissa und Brigitte zurück, und sie waren erfolgreich.
„Darf ich Euch die neue Praxisinhaberin vorstellen?“, sagte Clarissa zu Herbert und Fiete. Clarissa ging in die Küche, holte eine Flasche Sekt und vier Gläser. Fiete öffnete die Sektflasche und schenkte jedem sein Glas voll. Danach stießen sie alle miteinander an und Clarissa sagte zu Brigitte:
„Möge Ihnen der Praxisdienst genauso viel Spaß machen, wie er mir bereitet hat, viel Glück für Ihre Arbeit hier in Worpswede!“ Die beiden bedankten sich bei Clarissa und Fiete für deren freundliche Unterstützung und Hilfe und begaben sich zu ihrem Auto, um nach Hannover zurückzufahren. Clarissa und Fiete standen draußen und winkten den beiden, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Danach gingen sie ins Haus und Clarissa nahm ihren Praxisdienst auf, den sie mit einem halben Tag Verzögerung beginnen ließ. Fiete legte sich mit Kaffee und „Weser Kurier“ auf die Terrasse und vertiefte sich in dem Artikel zu TTIP und CETA, und je mehr er darüber las, desto mehr musste er Herbert Recht geben. TTIP und CETA waren Dinge, um die sich Fiete nicht hatte kümmern können, als er noch arbeitete, und er stellte allgemein fest, dass ihm doch viel an Wissen um die politischen Ereignisse um in herum fehlte. So auch der zunehmende Rechtsextremismus und das Aufblühen der AfD, die ihm Sorgen machten. Er fragte sich, wie Rechtsextremismus entstehen konnte, und wer sich von den Hassdemonstranten vereinnahmen ließ. Wenn er an sein Wohnumfeld dachte, Worpswede also, so sind ihm Rechtsextreme noch gar nicht aufgefallen, in Bremen sah die Sache anders aus. Rechtsradikalismus war wieder salonfähig geworden, das war es, was Fiete ein wenig Angst bereitete, und genau dieser Aspekt wurde auch in einem Kommentar im „Weser Kurier“ aufgegriffen.
Der Kommentar glaubte sich zwar zu der Aussage bewegen zu dürfen, dass Rechtsextremismus mit niedrigem Bildungsstand korrelierte, aber das hatte Fiete immer schon vermutet und auch die Ausländerfeindlichkeit damit in Verbindung gebracht. Immer, wenn er auf Baustellen mit ausländischen Beschäftigten zu tun hatte, kam er gleich mit ihnen klar, sicher, es gab Sprachschwierigkeiten, die ließen sich aber durch Zeichensprache oder Ähnliches beheben, wenn sich beide Seiten bemühten. Ansonsten hatte er keinen Kontakt zu Ausländern, wie sollte er auch, nach Feierabend war er immer zu Hause und nie weggegangen, es bestand gar nicht die Möglichkeit, mit Ausländern in Kontakt zu kommen. Er schloss die Augen und döste für eine halbe Stunde ein, und als er wieder wach geworden war, ging er in die Küche und machte für Clarissa und sich eine Pizza auf dem Backblech. Den Teig hatte er im Supermarkt besorgt, und er rollte ihn auf dem Blech aus. Alles Weitere klaubte er aus dem Kühlschrank zusammen und legte es auf den Tomatenjus und den Streukäse, die er zuerst auf den Teig gegeben hatte. Er schob das Blech für eine Dreiviertelstunde in den Backofen, und Clarissa erschien just zeitgleich mit dem Ende der Backzeit.
„Na, wie war Dein Arbeitstag so, hast Du viel Stress gehabt?“, fragte Fiete und Clarissa antwortete:
„Heute hatte ich keinen Außentermin und nur mit meinen Patienten in der Praxis zu tun, aber unter denen gibt es eben solche, die mich als ihre Psychotherapeutin ansehen, wie Du weißt, und das erfordert schon einen gewissen Einsatz, und was hast Du heute so gemacht?“
Fiete setzte sich mit Clarissa zum Essen auf die Terrasse und berichtete welche Gedanken ihn so umgetrieben hatten. Er wäre im „Weser Kurier“ auf den Rechtsradikalismus gestoßen und ihm wäre erst über die Zeitungslektüre klar geworden, dass der in Deutschland inzwischen ein ernstes Problem ist.
„Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit gehen Hand in Hand und sind in Deutschland schon länger ein Problem. Besonders seit die deutsche Bundeskanzlerin die Grenzen für die Ausländer geöffnet hat, leben bei uns mehr als eine Million Ausländer unter zum Teil schlechten Bedingungen“, sagte Clarissa.
„Clarissa, ich habe mir überlegt, dass wir, wo wir doch im nächsten Monat Rentner sind, ein Ausländerpaar mit seinen Kindern aufnehmen könnten, Platz genug haben wir doch im Haus!“
Clarissa starrte Fiete an, und Fiete war sich mit einem Mal sehr unsicher. Dann aber sagte Clarissa:
„Unten an der Hamme sind Ausländer in Zelten untergebracht, lass uns dorthin gehen und mit ihnen sprechen. Vielleicht kommen wir auf diese Weise schon in Kontakt zu einem Ausländerpaar und können es mit seinen Kindern aufnehmen.“ Fiete sagte:
„Lass und bis Samstag warten, dann hast Du doch mehr Zeit, und wir können lange Zeit an der Hamme verbringen!“ Sie unterhielten sich an diesem Abend über ihre Beweggründe, Ausländer aufzunehmen und Clarissa sagte gleich;
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