„Euer Mahl ist gerichtet!“ rief sie mit in die Hüften gestemmten Armen. „Begebt euch zu Tisch, so ihr es nicht vorzieht, euch den Wanst mit kaltem Eintopf zu füllen!“ Sprach‘s und verschwand.
Wir sammelten unsere Utensilien zusammen und begaben uns wieder zur Vorderseite des Hauses. Außer unserem Bierkrug standen jetzt auch eine Schüssel mit Brot und eine mit dampfendem Eintopf auf dem Tisch. Zwei Holzlöffel machten das Gedeck komplett. Als wir uns setzten, nahm Fritz den Bierkrug und ging ins Haus, um ihn erneut zu füllen.
„Eintopf heißt Eintopf, weil alles aus einem Topf isst, jedoch nicht, weil alles aus einem Topf ist“, dozierte Silvia und reichte mir breit grinsend einen der Löffel.
„Ich bin doch schon froh, dass wir wenigstens jeder einen Löffel haben“, murmelte ich.
Fritz kam mit zwei Bierkrügen zurück und setzte sich auf die Bank uns gegenüber. Er schob uns einen Krug zu und nahm aus dem anderen einen tiefen Zug.
„So ein Wettkampf macht Durst“, bemerkte er, sich mit einer Hand den Schaum vom Mund wischend.
„Mundet es euch?“ wollte er wissen. „Nehmt auch von dem Brot, mein Weib hat es gerade frisch aus dem Ofen geholt.“
Da wir beide den Mund voll hatten, konnten wir nur zustimmend
nicken.
„Sagt, Roger“, der Wirt beugte sich vertraulich über den Tisch, „wo habt Ihr ... .“
„Seid gegrüßt, alter Wilddieb! Verhökert Ihr wieder für teures Geld Euren billig erworbenen Hasenpfeffer?“ wurde er von einer rauen Stimme unterbrochen.
Von allen unbemerkt, waren drei Soldaten herangekommen, die jetzt an den Tisch traten.
„Bringt uns drei Krüge Bier - aber schnell!“ befahl der Wortführer, bevor sich die kleine Schar neben Fritz auf der Bank niederließ.
„Gemach, gemach.“ Fritz erhob sich betont langsam. „Ich bin nicht einer Eurer Rekruten, Bertolf.“
Der so Zurechtgewiesene nahm seinen Helm ab, legte ihn auf den Tisch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Wenn ich einen guten Rat benötige, werd‘ ich‘s Euch wissen lassen. Jetzt habe ich Bier bestellt.“ erwiderte er barsch. „Und nun packt Euch, wir sind in Eile.“
Kopfschüttelnd ging Fritz ins Haus, um die gewünschten Getränke zu holen. Der ruppige Soldat schaute Silvia und mir einen Moment beim Essen zu, bevor er auch uns in seinem Kasernenhofton anraunzte:
„Heda! Wer seid ihr? Was wollt ihr hier?“
Silvia hob den Kopf.
„Meint Ihr uns?“
„Wen sonst? Seht Ihr hier noch jemanden?“
Silvia legte ihren Löffel beiseite, schob mir mit einer Handbewegung die Schüssel mit dem restlichen Eintopf zu und lehnte sich lässig zurück.
„Was wir hier wollen?“ wiederholte sie. „Bis eben gedachten wir hier nur in Ruhe unser Mahl genießen, doch dann seid Ihr erschienen. Was den ersten Teil Eurer Frage angeht, wer wir sind, nun, das was Ihr seht: – Ein Mann und eine Frau.“
Bertolf, wie Fritz ihn genannt hatte, sah sie ob dieser Patzigkeit sekundenlang verblüfft an, während seine Begleiter die Köpfe zusammensteckten und grinsend miteinander tuschelten. Nachdem er sich von seinem gelinden Schock erholt hatte, schnauzte er:
„Ihr seid nicht gefragt, Weib! Los, Kerl, wer seid ihr und was wollt
ihr hier?“
Ich spülte den letzten Bissen Eintopf mit einem Schluck Bier her-unter, bevor ich ihm, wesentlich moderater als mein Weib, antwortete.
„Ein Bogenschütze und sein Weib. Ich bin auf der Suche nach einer neuen Anstellung. – Hat man in Eurer Truppe vielleicht Verwendung für mich?“
„Verwendung für einen Söldner?“ knurrte der Soldat verächtlich. „Und als Dreingabe ein Weib mit einem losen Maul? – Der Himmel möge es verhüten!“
„Das hast du jetzt davon!“ hörte ich Silvias empörte Stimme in meinem Kopf. „Warum kuschst du auch vor diesem großmäuligen Knecht.“
Mittlerweile war Fritz mit drei Bierkrügen wieder aufgetaucht, die er unter die Soldaten verteilte. Er hatte unsere letzten Worte mitbekommen.
„Ihr solltet es Euch gut überlegen, Bertolf, ehe Ihr sein Angebot ablehnt“, lachte er. „Er hat mich eben beim Wettschießen besiegt. Die Niederlage hat mich ein Essen und zwei Krüge Bier gekostet.“
Bertolf schaute ihn an, leerte aber zunächst den ihm angebotenen, etwa eineinhalb Liter fassenden Krug wohl bis zur Hälfte, ehe er sich entschloss zu antworten.
„Das macht Euch auch nicht ärmer. – Aber es freut mich, dass Ihr Euren Meister gefunden habt, Fritz.“
Er kniff die Augen zusammen und fixierte mich mit einem Blick, der so etwas wie Hochachtung beinhaltete.
„Selbst wenn Ihr mit Eurem Bogen ebenso trefflich umgeht wie Euer Weib mit der Zunge, der Rat der Stadt wird wohl Eurer Dienste nicht bedürfen“, erklärte er mir dann in völlig verändertem Ton. „Das sollte Euch aber nicht bekümmern. Die Pfeffersäcke zahlen ohnehin nur einen mageren Sold, kann ich Euch versichern. Ich an Eurer Stelle würde es bei dem Sternberger versuchen. Der hat Bedarf an guten Männern und zahlt überdies einen anständigen Sold, wie ich hörte.“
Mit einem weiteren langen Zug leerte Bertolf seinen Krug, griff nach seinem Helm und erhob sich schwerfällig.
„Die Rast ist beendet, Männer! Wir müssen weiter!“
„Warum die Eile?“
Die Neugier in Fritz‘ Stimme war nicht zu überhören, doch Bertolf
machte keinerlei Anstalten, sie zu befriedigen. Ich hatte allerdings noch eine Frage an den alten Haudegen, die ich meiner Rolle als stellungsloser Söldner unbedingt schuldig war.
„Ich danke Euch für Euren Rat, Bertolf. Nur müsstet Ihr mir noch mitteilen, wer der Sternberger ist, und vor allem, wo ich ihn finde.“
„Dazu ist jetzt nicht die Zeit! Wir haben einen Auftrag zu erfüllen. Fritz kann Euch den Weg zum Sternberg beschreiben.“
„Muss ja ein ungeheuer wichtiger Auftrag sein, da Ihr Euch nicht einmal die Zeit nehmt, in Ruhe Euer Bier zu trinken“, stichelte Fritz, der immer noch auf eine Antwort auf seine Frage hoffte.
„Nur, damit Ihr mir nicht vor Neugier sterbt: Wir sollen den Mönch vom Berg festnehmen. – Habt Ihr ihn vielleicht heute schon gesehen?“ Bertolfs Stimme hatte wieder den gewohnten Kasernenhofton angenommen.
„Reinald festnehmen?“ staunte Fritz ungläubig. „Was wollt Ihr denn von dem armen Kerl?“
„Das ist nicht Eure Sache!“ schnauzte Bertolf. „Beantwortet lieber meine Frage.“
„Nun, gesehen habe ich ihn heute noch nicht“, entgegnete Fritz, „aber die beiden,“ er zeigte auf Silvia und mich, „haben die vergangene Nacht unter seinem Dach verbracht.“
„So werden wir ihn in seiner Klause antreffen?“ Bertolf blickte uns fragend an.
„Gut möglich“, erwiderte ich gleichgültig.
„Sprach er nicht davon, dass er an einen Ort namens Ufflon wollte?“
Silvia zeigte sich ausgesprochen hilfsbereit. Ufflon war der alte Name von Bad Salzuflen – und lag ziemlich genau entgegen der Rich-tung, in die wir mit Reinald fliehen wollten. Eine gute Idee meines Weibes, die Schergen in die falsche Richtung zu schicken.
„Stimmt.“ bestätigte ich nach einer kleinen Bedenkzeit. „Davon sprach er.“
„So wollen wir keine Zeit verlieren! - Gehabt Euch wohl – und viel Glück auf Sternberg.“
Bertolf und seine beiden Soldaten brachen hastig auf. Sie liefen über die Wiese zum Pfad nach Biest und waren bald darauf im Wald verschwunden.
Fritz sah ihnen kopfschüttelnd nach.
„Was mag der arme Hund verbrochen haben?“
„Ich will’s nicht wissen“, meinte Silvia, stand auf und warf sich ihre Tasche über die Schulter. „Ich will fort von hier. Ich will weder mit den Bütteln, noch mit den dunklen Machenschaften eines Mönches etwas zu schaffen haben.“
„Bruder Reinald und dunkle Machenschaften. – Völliger Unsinn!“ sagte Fritz bestimmt. „Ich bin gewiss kein Freund der Pfaffen, aber Bruder Reinald – nun, das ist etwas anderes.“
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