Alles für die Katz
LIPPE 1358
ROMAN
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Druck:
epubli GmbH
10999 Berlin
Copyright: Hober Verlag 2017
Inhaltsverzeichnis
Lippe, Paderborn und die Weser
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Lippe, Paderborn und die Weser
1185 Paderborn kauft Burg Vlotho
1200 Pyrmont trennt sich von Schwalenberg (Pyrmont ist Lehen
des Erzbistums Köln)
1217 Grafen zur Lippe Inhaber der Vogtei Quernheim
(Augustinerinnenkloster zu welchem die Gemeinde Rehme a. d.
Weser und der Fährdienst bei Oeynhausen gehören)
1220 Paderborn baut Krukenburg aus
1262 Fehde zwischen Köln und Lippe. Die Schellenburg – oberhalb
Pyrmont - wird von Simon zur Lippe zerstört. Lippe nimmt
Oesdorf in Besitz und dehnt so seinen
1284 Einfluss bis in das Pyrmonter Tal aus
1285 Otto V. von Everstein (Sitz Polle) verkauft Burg und Stadt
Holzminden an Erzbistum Köln (vorher die Schlösser Ohsen
und Aerzen)
???? Burg u. Stadt Holzminden an Simon I. zur Lippe
1323 Erwerb von Burg und Weserzollstätte Varenholz (1368 von
Mindener Bürgern zerstört)
1334 Erzstift Mainz errichtet Sababurg
(Baubeginn 19.04.1334. Notdürftig vollendet 1336. Erbaut
zum Schutz von Wallfahrern.
1331 wurde in Gottesbüren angeblich der ‚Leichnam Christi,
gefunden)
1360 Grafen von Pyrmont müssen ihre Hälfte von Lügde, einen
Hof und eine Mühle an das Bistum Paderborn verkaufen
1368 Mindener Bürger zerstören Zollstätte Varenholz
1370 Bistum Paderborn erwirbt die Kölner Hälfte von Lügde als Pfand
1393 Lippe verliert Holzminden an Bischof von Minden
1494 Ende des Hauses Schwalenberg-Pyrmont
Es war bereits stockdunkel an diesem verregneten frühen Novemberabend, als ich das alte Gehöft erreichte. Über den düsteren Höhen des Teutoburger Waldes hatten sich Berge dicker, schwarzer Wolken zusammengezogen, die ihren feuchten Inhalt in solchen Mengen über das Land ergossen, als wollten sie es ertränken. Die Scheibenwischer meines Landrovers hatten Mühe, gegen die Wassermassen anzukämpfen. Entsprechend schlecht war die Sicht. Um ein Haar hätte ich daher auch das Hoftor verpasst. Wobei ich sagen muß, dass die Bezeichnung ‚Hoftor‘ für eine schmale Lücke in einer niedrigen Bruchsteinmauer gewaltig übertrieben ist.
Als ich mein Fahrzeug durch diese Zufahrt lenkte, hatte ich wieder einmal die Gelegenheit, mich glücklich zu schätzen, mir vor einigen Jahren diesen alten Geländewagen gekauft zu haben. Der nur notdürftig befestigte Weg war tief ausgefahren, abschüssig und durch den starken Regen obendrein sehr schmierig. Der Hof sah nicht viel besser aus als die Einfahrt. Stellenweise waren noch Fragmente einer früheren Pflasterung zu erkennen, doch der Rest ...
Im Scheinwerferlicht tauchten eine große Linde und die Scheune auf, von welcher Marion erzählt hatte. In diesem Gebäude sollten sich also die Ställe befinden, in denen sie ihre Pferde untergebracht hatte. Marion, eine gute Freundin, hat neben diversen anderen Marotten ein Faible für alte Tiere – und einen ausgeprägten Hang zum Übersinnlichen. Außer etlichen Fütterungsregeln, die sie mir mit auf den Weg gegeben hatte und welche selbstverständlich haargenau einzuhalten waren, hatte sie mir einiges über den Hof erzählt. Unter anderem, dass sich hier Karl der Große mit den Sachsen ein heftiges Gefecht geliefert habe und – last not least – dass es in dem alten Gemäuer spuken solle. Sie selbst wollte es schon erlebt haben.
Sie habe damals in dem unbenutzten Teil des Stalles gestanden, als es geschah. Durch eines der kleinen Fenster an der Rückwand des Stalles habe sie beobachtet, wie vom Bach, der hinter dem Hof durch das Tal fließt, Nebel aufgestiegen sei, der sich rasend schnell bis in
das Innere des Stalles ausgebreitet habe. Zu Tode erschrocken und unfähig, sich zu bewegen, sei sie wie angewurzelt stehengeblieben. Der Nebel habe sie wie Watte umhüllt und sei ihr wie ein lebendiges Wesen erschienen. Sie habe ihn auf unangenehme Weise förmlich körperlich spüren können. Irgendwo in der weißen Masse wollte sie auch Schemen erkannt haben, von denen sie sich bedroht gefühlt hatte. Wie lange sie in diesem Nebel gestanden hatte, vermochte Marion nicht zu sagen. Es sei ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen, könne aber bei nüchterner Betrachtung nicht all zu lange gedauert haben. Ebenso plötzlich, wie der Nebel aufgetaucht war, sei er verschwunden und alles sei wie vorher gewesen.
Für mich hatte die ganze Geschichte nach einer kruden Mischung aus geschichtlichen Fakten, Esoterik und übersteigerter Phantasie geklungen. Marion machte ihr unheimliches Erlebnis, ob nun wahr oder geträumt, immer noch sichtlich zu schaffen. Ich hatte jedenfalls den Eindruck gewonnen, dass sie Angst hatte, nach Einbruch der Dunkelheit den Stall zu betreten. Daher hatte ich ihr angeboten, am heutigen Abend das Füttern der Tiere für sie zu übernehmen.
Durch die Frontscheibe musterte ich das Stallgebäude, von dem Marion behauptet hatte, es stamme aus dem tiefsten Mittelalter. Das mochte richtig sein. Sehr alt war das Gebäude bestimmt. Mit Sicherheit hatte der mächtige Bruchsteinbau jedoch nicht immer als Stall gedient. Im Mittelalter hätte man einen Stall gewiss nicht aus Bruchsteinen erbaut und schon gar nicht mit großen, obendrein sandsteingefassten Fensteröffnungen versehen. Derartig exklusive ‚Panoramafenster‘ hätte es – wenn überhaupt! – allenfalls in Wohnhäusern der damaligen ‚upperclass‘ gegeben.
Als sonderlich ‚spukig‘ oder gar unheimlich empfand ich das Gehöft übrigens nicht. Allenfalls etwas heruntergekommen und verwahrlost, soweit ich dies bei der sparsamen Beleuchtung beurteilen konnte. Zwei schwache Lampen, die an einem quer über den Hof gespannten Drahtseil hingen, schwankten im heftigen Wind und bemühten sich mit mäßigem Erfolg, das Gelände durch ihr trübes Licht zu erhellen. Die beiden Wohnhäuser waren nur als dunkle Schatten in der regnerischen Novembernacht erkennbar. Warmes Licht fiel aus einigen Fenstern und bewies mir, dass ich nicht die einzig lebende menschliche Seele auf diesem gottverlassenen Anwesen war. Bei diesem Wetter und zu dieser Tageszeit machte das Gehöft einen derart schmuddeligen und wenig einladenden Eindruck, dass ich mich ernsthaft fragte, ob ich es mit meinem gutmütigen Angebot, Marion die Fütterung abzunehmen, nicht etwas übertrieben hatte. Mein Bedürfnis, das warme, trockne Auto zu verlassen, hielt sich jedenfalls in sehr engen Grenzen.
Ich beschloss, den Luxus ‚warm und trocken‘ noch für die Dauer einer Zigarettenlänge zu genießen. Der Regen trommelte aufs Dach und mir fiel ein, dass Marion behauptet hatte, der Hof sei auf einem ehemaligen Schlachtfeld erbaut worden. Karl der Große habe hier erfolgreich die Sachsen geschlagen. Ich hatte meine Zweifel daran. Der Hof lag im Tal der Berlebecke und das Gelände war bis auf den heutigen Tag ziemlich feucht. Dass dies vor tausend Jahren wesentlich anders gewesen sein sollte, erschien mir reichlich unwahrscheinlich. Selbst bis in das vorige Jahrhundert führte die Straße von Heiligenkirchen nach Detmold noch über den Königsberg, weil es im Tal zu feucht war. Ziemlich fragwürdig also, dass der große Kalle sich ausgerechnet ein Sumpfgebiet für den Einsatz seiner schweren Panzerreiter ausgesucht haben sollte. Seine Elitetruppe hätte auf solch einem Boden nicht den Hauch einer Chance gehabt und die Geschichte wäre zumindest für Kalle nicht erfolgreich ausgegangen.
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