Titel Der Teich der Tränen Isabelle Kerani
Über die Autorin Über die Autorin Isabelle Kerani wurde in der Schweiz geboren und studiert zurzeit „Nahost-“ und „Zentralasien-Studien“ an der Universität Bern. Sie begann ihre Geschichten schon vor dem schulischen Alter ihren Eltern zu diktieren und verfasste später kleine Romane und groteske Erzählungen. „Der Teich der Tränen“ ist ihr erstes veröffentlichtes Werk.
Impressum 1. Auflage Taschenbuchausgabe Februar 2016 epubli GmbH, Berlin www.epubli.de Copyright © der Originalausgabe 2016 von: Mirjam Hafner Gibelmatte 14 6166 Hasle LU Schweiz Alle Rechte vorbehalten. Quelle der Umschlagabbildungen: www.fotolia.com Umschlaggestaltung: Simon Hafner Printed in Germany ISBN: 978-3-7375-8927-7 www.isabellekerani.com
Widmung FÜR FRANZ KAFKA
Prolog
I: Licht am Firmament
II: Eine kleine Seejungfrau
III: Der Oger
IV: Früchte der Verdorbenheit
V: Der Geschmack von Meerschaum
VI: Vergiftete Herzen
VII: Flucht in die Vergessenheit
VIII: Das Märchen vom Mondschatten
IX: Besuch der Finsternis
X: Eine Reliquie
Epilog
Der Teich der Tränen
Isabelle Kerani
Über die Autorin
Isabelle Kerani wurde in der Schweiz geboren und studiert zurzeit „Nahost-“ und „Zentralasien-Studien“ an der Universität Bern. Sie begann ihre Geschichten schon vor dem schulischen Alter ihren Eltern zu diktieren und verfasste später kleine Romane und groteske Erzählungen. „Der Teich der Tränen“ ist ihr erstes veröffentlichtes Werk.
1. Auflage
Taschenbuchausgabe Februar 2016
epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
Copyright © der Originalausgabe 2016 von:
Mirjam Hafner
Gibelmatte 14
6166 Hasle LU
Schweiz
Alle Rechte vorbehalten.
Quelle der Umschlagabbildungen: www.fotolia.com
Umschlaggestaltung: Simon Hafner
Printed in Germany
ISBN: 978-3-7375-8927-7
www.isabellekerani.com
FÜR FRANZ KAFKA
Wohl hinterlassen Tränen einen großen Eindruck bei den Menschen, wenn sie wie kleine, schimmernde Perlen an den Wangen dahinschmelzen und das Licht des Tages sich in ihren durchsichtigen Körpern verfängt. Aber nur die wenigsten haben sich auch Gedanken darüber gemacht, was mit ihnen passiert, wenn sie aus dieser Welt verdunstet sind. Ich hätte es mir lange Zeit selbst nicht vorstellen können, aber heute weiß ich mit großer Bestimmtheit, dass alle vergossenen Tränen schließlich in ein besonderes Land reisen, welches fernab von unserer Welt liegt und nur durch ein geheimes Tor erreicht werden kann. Dieses Land wird „Reich der Tränen“ genannt. Ich persönlich habe es noch nie gesehen, aber ich weiß eine Geschichte darüber zu erzählen, welche mit meiner vollen Bürgschaft wahr ist und die ich mein ganzes Leben nie wieder vergessen werde. Schenkt mir nur ein wenig Zeit, setzt euch hin und hört mir gut zu. Vielleicht werdet ihr dann einiges aus dieser Geschichte an euch wiedererkennen und ihr werdet verstehen, dass unser Leben eng mit dem Erdachten zusammenhängt, um dem genauen Betrachter ebenso Erstaunliches anzubieten, wie ein fantastisches Märchenbuch selbst.
Das Reich der Tränen ist ein Kosmos für sich und liegt unveränderlich und gut behütet von einem sanftmütigen Wesen, umkreist von einem gewaltigen Tannenwald, in der Mitte eines vergessenen grünen Tals. Dort steht seit unzählbaren Jahrtausenden der Palast des Wächters erbaut, der von einem uralten Himbeergarten umgeben wird. Im Herzen dieses Gartens wiederum befindet sich ein kleiner Teich, an dem der Hüter des geheimen Landes jeden Abend vorübergeht, um die vergossenen Tränen der Menschen und Tiere zu überprüfen, die darin gelagert werden.
Lange Zeit lebte dieser Wächter allerdings nicht alleine und unsere Geschichte hätte niemals ihren Lauf nehmen können, hätte er nicht auch noch eine Tochter gehabt, die sich durch den ungewöhnlichen Namen „Honeybean“ auszeichnete. Diese Tochter des Wächters war ein graziles kleines Wesen, das leicht mit einem jungen Menschenmädchen verwechselt werden konnte, ihre graugrünen Augen jedoch bargen einen überirdischen Schimmer in sich und das Antlitz der Honigbohne war von solch makelloser Reinheit, dass dessen Anblick einen gewöhnlichen Sterblichen glauben ließ, einer Fee oder einem wahrhaftigen Engel gegenüberzustehen. Honeybean spazierte tagein, tagaus von aller Welt unbemerkt unter dem grünen Blätterwerk des Himbeergartens umher, wo ihr die zahmen Hummeln zu den liebsten Gefährten zählten. Dabei verspürte sie weder Hunger, Durst, noch das Bedürfnis, jemals schlafen zu gehen. Mit der Zeit jedoch geschah es, dass sich ein arglistiges Gefühl in ihr Leben schlich, welches in ihr die Langeweile aufkeimen ließ. Es war also nicht verwunderlich, dass dem Mädchen eines Tages plötzlich der Gedanke kam, sich die Tränen im Teich, denen sich zu nähern ihr der Vater strengstens verboten hatte, einmal genauer anzusehen.
An diesem Punkt sind wir nun also am Beginn unserer Erzählung angelangt: Vorsichtig legte das Mädchen die katzengroße Hummel, die eben noch auf ihrem Schoß gelegen hatte, auf den Boden und verließ den Garten, um sich mit wachsender Aufregung dem Innenhof zu nähern. Als Honeybean schließlich am Rand des Wassers angekommen war, schwammen ihr die kleinen Fische, deren Schuppenkleider golden, weiß und in kräftigem Orangerot schimmerten, neugierig entgegen und streckten ihr die Köpfe mit weit aufgerissenen Mäulchen aus dem frischen Nass entgegen. Da beugte sie ihre Knie hinab zum Wasser und wollte die glatte, klare Oberfläche mit ihren Händen berühren. Als ihre Fingerkuppen schließlich aber mit den ersten Tropfen im Teich zusammentrafen, ging ein eigenartiger Schauer durch den Körper des Mädchens und es war ihr, als sei sie mit einem Mal aus der vertrauten Umgebung des Palastes geschleudert worden. Die verschiedensten Menschengesichter zogen an ihren Augen vorbei, einige so eigentümlich von Schmerz oder Freude verzerrt, dass Honeybean, welche weder Glück noch Leid kannte, ein unwillkürlicher Schrei des Erstaunens entfuhr. Erschrocken riss sie sich zurück zur Bank am Rande des Wassers und verweilte dort eine Weile zitternd und in vollkommener Regungslosigkeit. Als sie über alles nachgedacht und sich wieder etwas beruhigt hatte, beschloss das Mädchen, am nächsten Morgen zurückzukehren und das seltsame Geheimnis des Teiches auf eigene Faust zu ergründen. Sie wagte nicht, ihren Vater danach zu fragen, der stets beschäftigt in seinem Büro saß und es bestimmt nicht gern gehört hätte, dass sie sich ohne seine Erlaubnis so nah an das Wasser der Tränen herangewagt hatte. So geschah es, dass Honeybean, die sich für ihre Forschungen eigens ein Sieb beschafft hatte und nun vorsichtiger zu Werke ging, um jeweils nur einen Tropfen des Teichs auf ihre Fingerspitze fallen zu lassen, langsam dahinter kam, dass es sich beim Inhalt des verbotenen Nasses um die zu Salzwasser geronnenen und konservierten Gefühle von anderen Lebewesen handeln musste. Als sie die einzelnen Tränen der fremden Menschen und Tiere berührte, wurde sie für eine kurze Zeit in deren Gefühlswelt zu jenem Zeitpunkt zurückversetzt, in dem sie die kostbaren Perlen der Trauer oder der Freude geweint hatten. Das Mädchen war dadurch im Stande, die geheimsten Augenblicke im Leben ihr völlig fremder Geschöpfe zu beobachten und geriet schließlich so sehr in deren Sogkraft, dass sie den Himbeergarten und die Hummeln sowie ihr eigenes Leben in der Gegenwart vollkommen vergaß. Fortan schlich sie sich jeden Morgen zum Teich und verlor sich in einer seiner Tränen, um den Rest des Tages auf einer Bank im Innenhof zu sitzen und stundenlang über das Erlebte zu grübeln. Ihr Vater, der tagsüber in seinem Arbeitszimmer verweilte, bemerkte von allem nichts.
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