Harald Togal - WARUM TUST DU DIR DAS AN?
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"Wenn wir nicht das Feindbild Schulleiter hätten, würden wir übereinander herfallen."
Ein Bericht von der Schulfront.
Und dennoch war Harald Togal gerne Lehrer und Schulleiter.
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WARUM TUST
DU DIR DAS AN?
Tagebuch eines Schulleiters
Von Harald Togal
Impressum
WARUM TUST DU DIR DAS AN?
Tagebuch eines Schulleiters
Harald Togal
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2012 Harald Togal
ISBN 978-3-8442-3144-1
„Wenn wir nicht das Feindbild Schulleiter hätten,
würden wir übereinander herfallen.“
Stimme aus dem Lehrerzimmer
Vorbemerkung
Hier steht das, was mich oft fassungslos gemacht hat. Als
„einfacher“ Lehrer kriegt man wenig von dem mit, was sich auf der
Leitungsebene einer Schule abspielt. Die Wahrnehmung ändert sich,
wenn man als Schulleiter den täglichen Wahnsinn der Schule in seiner
ganzen Fülle erleben muss. Wenn ich das eine oder andere davon
unter Freunden bekannt gab, hörte ich: „Das gibt es doch nicht, das
darf nicht wahr sein.“ Also habe ich es aufgeschrieben.
Die Situation an „meiner“ Schule weist einige Besonderheiten auf.
Um die geht es hier auch. Es ist schwer, Außenstehenden Einblick in
Schule zu vermitteln. Einblick in diese Schule zu geben, scheint fast
unmöglich zu sein.
Mein Tagebuch ist wahr, nichts ist übertrieben, nichts erfunden. Aber
es enthält nicht die ganze Wahrheit. Es gab auch Positives: Das
Engagement von Lehrerinnen und Lehrern bei den Sportturnieren,
den Projektwochen, dem Schüleraustausch, den Tagen der
offenen Tür oder bei der Beratung der Schülerzeitung.
Ich erhielt viel Unterstützung, von den Schulsekretärinnen, dem
Hausmeister, dem technischen Assistenten, von einigen Kolleginnen
und, nicht zuletzt, vom Schulelternbeirat. Ich habe Freunde, die mir
immer die Daumen drückten. Vor allem danke ich meiner Frau, ohne
deren Geduld und Liebe ich diese Zeit nicht durchgestanden hätte.
Harald Togal
Im Sommer 2004
„Für viele Steinböcke wird es das Jahr ihres Lebens!“
Aus dem Jahreshoroskop 2001 der Zeitschrift „Fernsehwoche“
15. Januar – 15. April 1999
Lasciate ogni speranza, voi, qu’entrate…
(Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.)
Dante, Göttliche Komödie
Die Schule liegt in einer Sackgasse. Ein Verkehrsschild am Beginn
weist sie als Fußgängerzone aus. Zuerst kommt das Feuerwehrgerätehaus,
dann das Bürgerhaus mit einer jugoslawischen Gaststätte, danach
eine Turnhalle und ein etwas verwahrloster Parkplatz. An der
Zufahrt zum Parkplatz steht ein Altkleidersammelbehälter, daneben
ein Altschuhsammelbehälter. Rechts steht eine Grundschule und
schließlich ganz hinten die Gesamtschule. Der Parkplatz ist schlecht
beleuchtet. Morgens liegen oft Bierdosen herum. Das Gelände ist
auch ein gern genutzter Hundekotplatz.
Einem Feng-Shui-Anhänger fiele das Betreten der Schule schwer: Im
Windfang des Eingangsbereichs befinden sich die Schülertoiletten.
Jeder, der die Schule betritt, muss daran vorbei, durch den ewig müffelnden
Windfang hindurch. Bautechnisch hingegen ist das eine geniale
Lösung: Für innen und außen gibt es eine einzige, von beiden
Seiten gut erreichbare Toilette.
Wen dies weniger stört, der muss sich mit der Frage auseinander setzen,
ob er eine Schule oder einen Recyclinghof betritt. Eine gelbe Tonne
neben dem Briefkasten am Eingang ist noch zu verkraften. Im
Toilettenwindfang stehen links und rechts, neben der Jungen- und der
Mädchen-Toilette, jeweils zwei weitere Mülltonnen; macht zusammen fünf.
Wer diese Schwelle überwunden hat, betritt die Eingangshalle, in der
sich sieben Abfallbehälter unterschiedlichster Bauart befinden. Trotz
oder vielleicht gerade wegen der großen Auswahl an Abfallbehältern
werden zusammengeknüllte Bäckereitüten, Schokoriegelverpackungen
und Getränkedosen aber mit Vorliebe auf dem Fußboden abgelegt.
Ein Pflanzenfriedhof lockert dieses Ambiente auf. Zwei Dutzend
dürre Fici Benjamini, abgesägte Yucca-Stämme oder beschädigte Philodendren
zieren den Bereich. Diese Anhäufung unterschiedlichster
Pflanzen vor dem Eingang zum Lehrerzimmer wird als „Dschungel“
bezeichnet; eine Kränkung für die Regionen der Erde, wo es ihn
(noch) gibt.
Die Wände der Eingangshalle sind von Schülerinnen und Schülern bemalt
worden: Fantasy-Gemälde, ein überdimensionales impressionistisches
Bild auf der Tür zum Lehrerzimmer, die Betonsäulen altdeutsch
rustikal mit Fachwerk übermalt. Jedes Werk für sich betrachtet beeindruckend.
Ein Vorgeschmack auf fehlende pädagogische Koordination?
Der Neue ist davon überzeugt, dass Räume erzieherische Wirkung
haben. Verwahrloste, ungepflegte Schulkasernen sind lernhemmend
und aggressionsfördernd.
Der Eingangsbereich hat durchaus Charme. In der Mitte befindet sich eine
nicht allzu große Aula, die sich vorzüglich für Veranstaltungen eignet,
auf der linken Seite, hinter einer Glaswand, eine kleine Bücherei,
daneben eine mit Teppichboden ausgelegte Sitzlandschaft. Überhaupt
befinden sich im Erd- und Obergeschoss in mehreren Nischen
liebevoll gestaltete Sitzecken, Produkte des Werkunterrichts. An der
zentralen Wand im Eingangsbereich, ebenfalls im Fachwerkstil bemalt,
hängen große Fotos aller Klassen. Davor blanke Holzbänke und
-würfel, eine bei den Schülerinnen und Schülern beliebte Sitzgelegenheit.
Kaum eine andere dem Neuen bekannte Schule hat solche
schönen Sitzecken in den Fluren. In den Pausen sind sie leider nicht
zu benutzen, da die Schüler das Gebäude verlassen müssen. So hat es
die Gesamtkonferenz beschlossen.
Eine letzte Mülltonne steht vor dem Eingang zum Verwaltungsflur.
Vorherrschende Farbe dort, wie überall in der Schule, ein aggressives
grünliches Gelb der Blechwände. Es wird aber von einer Unzahl A0-
Fotopostern vergangener Sport- und pädagogischer Tage, von Auslandsfahrten,
Kunstprojekten und Kollegiumsausflügen gemildert.
Über den Postfächern der Lehrerinnen und Lehrer hängen Girlanden
aus Endlos-Lochpapier. Darauf stehen – in Fraktur – pädagogische
Leitsätze und Zielvorstellungen.
Vor der Tür zum Schulleiterzimmer hängen modische Kreuze, wohl
im Religionsunterricht gefertigt, im Nikki-de-Saint-Phalle-Stil, Pop-
Kreuze, naiv bemalte Holzlatten. Darunter stehen eine große blaue
Holzbank, deren Farbe sich mit dem unentschiedenen Gelb der
Wände beißt, und hölzerne Sitzwürfel, gruppiert um einen zu hohen
Tisch, einem Kastenmodell des Schülercafés unter einer Glasplatte.
Auf der blauen Bank ist eine hölzerne Gliederpuppe festgeschraubt.
Sie jagt dem Neuen, der in den ersten Wochen sein Büro erst spät
abends bei Notbeleuchtung verlässt, jedes Mal einen gehörigen
Schrecken ein. Er lässt sie vom Hausmeister wegschaffen. Damit handelt
er sich eine erste Rüge des Personalrats ein.
Seit wann diese Ausstellungsstücke im Verwaltungsflur präsentiert
werden, ist nicht zu klären. Die Antworten variieren zwischen ewig
und bestimmt länger als drei Jahre.
Die beiden freien Wände im Schulleiterzimmer werden von Fototapeten
geschmückt, Naturlandschaften. Davor stehen Verwandte der
Pflanzen aus dem Eingangsbereich. Auf der Tür zum Sekretariat klebt
die Fototapete einer rosafarbenen Bauernhaustür.
Der raumhohe Kaktus, den der neue Nutzer des Schulleiterbüros als
einzigen Zimmerschmuck vorerst überleben lässt, zeigt sich undankbar.
Er kippt eines Tages über den Schreibtisch und jagt seine haarscharfen
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