Steffen Kabela - Warum hat mich das Glück vergessen

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Zwei Gesellschaftssysteme, zwei Länder, Sozialismus und Kapitalismus; ich bin ein Kind der DDR, im untergegangenen Staat geboren und aufgewachsen, den Umbruch durchlebt und heute bereite ich mich auf das Alter in der BRD vor. In mir fließt das Blut eines Ostdeutschen mit ostpreußischen und sudetendeutschen Wurzeln. Und von diesem Leben berichte ich.

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Dieses Buch widme ich von ganzem Herzen meiner kleinen Familie, meinen geliebten Eltern und meiner Oma, ich vermisse Euch so sehr und liebe Euch über alles.

Kapitel 1 - Aller Anfang ist schön

Ich bin Steffen und mir wird immer wieder gesagt „Du hast so viel erlebt, schreib doch ein Buch“ was ich jetzt beginnen werde nach fast 58 Jahren auf der Welt Ich habe keine Ahnung davon ein Buch zu schreiben, ich bin kein Autor, aber es reizt mich und ich werde mein Bestes geben. Aber bevor ich mit meinem Leben beginne es aufzuarbeiten werde ich kurz meine Familie vorstellen. Wer ist meine engste Familie, mein Glück und meine Lebensfreude, meine engsten Vertrauten. Das sind: meine Mama Hanna, geboren am 19. Mai 1933 in Langendorf / Ostpreußen , mein Papa Alois , geboren am 04. Mai 1932 in Neuwernsdorf - Klostergrab/ Sudetenland und meine Oma Mathilde, geboren am 05. April 1903 in Langendorf/Ostpreußen. Meine Familie mußte sehr viele Schicksalsschläge verwinden und dies schon sehr frühzeitig. Meine Mama floh mit meiner Oma und anderen Angehörigen am 21. Januar 1945 vor den Russen , von Ostpreußen im Treck über das zugefrorene Haff unter Beschuß und anderen Kriegsqualen, welche historisch alle bekannt und belegt sind. Ende 1945 wurden sie von den Polen aus Linkehnen bei Stolp vertrieben und kamen Anfang 1946 völlig erschöpft, krank, ausgehungert, verängstigt und verarmt in Wiedemar in Sachsen , an. Mein Papa wurde mit meiner Oma Maria aus dem Sudetenland, aus Neuwernsdorf - Klostergrab Kreis Dux, innerhalb weniger Stunden, mit nur den Sachen am Leib und einer kleinen Tasche aus ihrer Heimat, am 21. Juni 1946 vertrieben und nach einem Lageraufenthalt Anfang 1947 nach Radefeld , in Sachsen, zugeteilt. Meine Oma Marie wurde schwer krank und verstarb am 06. Juni 1952 in Radefeld. Meine Mama und mein Papa lernten sich 1951 in der Kleinbahn kennen und lieben, wollten 1952 heiraten. Durch den frühen Tod von Oma Marie wurde die Hochzeit verschoben. Omi und Mami ließen Papi nicht allein in Radefeld zurück, sie holten ihn zu sich nach Wiedemar und nahmen ihn bei sich auf . Im Sommer 1952 verlobten sich meine Eltern und heirateten am 16. Oktober 1954 kirchlich und standesamtlich in Wiedemar. Für meine Eltern stand die Existenz im Mittelpunkt sowie die Fürsorge für meine schwerkranke Omi. Durch Arbeit sorgten sie für ein beginnendes Leben unter normalen Bedingungen. Und dann begann die Familienplanung.

Es war der 19. September 1962, ein schöner Herbsttag. Meine Mama putze die Wohnung, kochte und backte, denn das Wochenende stand ja vor der Tür. Nur ich sah das nicht so und zuckte im Bauch. In der Nacht wollte ich dann mehr und mein Papa mußte zum nächsten Telefon rennen. Es befand sich etwa 950 Meter weit entfernt bei der Gemeindeschwester, einer guten Freundin der Familie, welche auch Vertriebene aus der Heimat Nordböhmen, aus Eichwald dem heutigen Dubi, stammte. Wenig später holte uns der Krankenwagen. Am Morgen des 20. September 1962, genau um 9:05 Uhr , erblickte ich das Licht der Welt im „Storchennest“, der Geburtsstation, in Schkeuditz. Mami war überglücklich, ich war gesund und munter. Schreien wollte ich nicht und bekam gleich erst einmal einen Klaps auf den Po. Jetzt klappte es schon besser. Nur Mami mußte noch genäht werden. Schon da richtete ich Schaden an! Und auch die Gemeindeschwester von Wiedemar war schon vor Ort, mich zu begutachten. Maria fuhr unverzüglich mit ihrem Mofa ES und der Schwesterntracht nach Wiedemar zurück und informierte unsere Omi und den Papi. Und wie es sich so gehörte, natürlich auch das halbe Dorf. „Mein Junge ist da!“ - lautete die Botschaft . Nach Feierabend setzte sich mein Papi auf das Motorrad und düste nach Schkeuditz. Es war herbstlich neblig , dunkel und es goß in Strömen. Weinte der Himmel vor Freude ? Klitschnaß, aber glücklich sah er uns in der Klinik, die wir auch nach 10 Tagen Richtung nach Hause verlassen durften. Mami und Papi kannte ich ja nun schon. Jetzt lernte ich noch meine Omi kennen und lieben. Ich hatte eine wundervolle Babyzeit. Für mich sorgten alle. Ich wuchs und gedeihte, nur die Wohnküche konnte beheizt werden, daher war dies mein Aufenthaltsort. Im Schlafzimmer wuchsen die Eiskristalle an der geweißten Wand und den einfachen Fensterscheiben. Ich wurde verwöhnt. Milch und Brei waren nicht so mein Ding, aber auch keine Möhren. Mami fand das nicht so toll, aber ich. Unser Hausarzt Dr. Martin in Glesien fand das auch nicht so schlimm. „Ein Stückchen Schokolade am Tag ist auch in Ordnung“ meinte er und das war für mich in Ordnung. Bald stellte ich auf feste Nahrung um und bekam „kleine Schäfchen“ Brot zu Essen. Das fand auch Schwester Maria gut und brachte hausgeschlachtete Leberwurst vom Bauern mit und frisches Gehacktes. Mir ging es gut. Sehr viel frische Luft bekam ich auch, frische Landluft im tiefergelegten Korbkinderwagen und später Korbsportwagen. Mein Papi kaufte alles für mich und uns. Am 1. Osterfesttag, dem 14. April 1963 wurde ich in der evangelischen Kirche zu Wiedemar von Pfarrer Franke getauft. Es war ein schönes Fest. Meine Taufpaten waren Fräulein Brigitte Riemann und Elli Riemann, die engste Familie aus Ostpreußen, Silvia Geißler aus Arzberg, Papas Cousine aus der Heimat sowie Frau Jutta von Perbandt aus Bonn, ehemals Gutsherrentochter vom Gut von Perbandt aus Langendorf. Frau Jutta von Perbandt ließ über den DRK-Suchdienst alle ihre ehemaligen Angestellten aus Ostpreußen suchen und nahm Kontakt zu ihnen auf. Es war ein reger angenehmer Austausch. Sie wollte über alles informiert werden und somit erfuhr sie auch von meiner Geburt und war total begeistert und freute sich. Sie fragte sofort an, ob sie Pate stehen dürfte. Meine Omi und auch meine Mami hätten nie nach einer Patenschaft angefragt. Somit wurde es „Meine liebe Tante Jutta“ für mich, für meine Mami „ Sehr geehrte Frau von Perbandt“ und für meine Omi war es die „Gnädige Frau“. Nur das wollte meine Tante Jutta überhaupt nicht. Meine Paten wurden ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Die Flüchtlingsunterkunft hatten meine Eltern schon lange verlassen, die Notunterkunft auch und konnten sich jetzt eine zugewiesene Unterkunft in einem Kleinbauernhaus leisten. Unterm Dach des Bauernhauses hatten wir eine Wohnküche und ein kleines Schlafzimmer, ein kleines Zimmer für unsere Omi, unten auf dem Hof eine Pumpe und ein Plumpsklo neben dem Misthaufen. Dazu Familienanschluß bei der Besitzerin, der Frau Roßberger. Wir waren glücklich und zufrieden. Das war schon Lebensqualität. Immer mehr konnten wir uns leisten, eine Nähmaschine aus dem Laden von Paul Winkler in Wiedemar, dem späteren Konsum, einen Fernseher vom Landwarenhaus Glesien, ein Röhrenradio, ein Stückchen Pachtland für ein paar Quadratmeter Gartenfläche sowie ein paar Kaninchen. Die Langohren wurden schnell meine Freunde , ich besuchte sie oft mit Mami auf dem Grabeland . Tante Hugagscher gab uns manchmal frische Eier ab oder Tante Maria brachte sie uns vorbei. Von Tante Liese, Omi ihrer Schwester, konnten wir auch Eier bekommen, sie kassierte aber ihre eigene Schwester ab. Onkel Hermann, Tante Lieses Mann, war ein ganz Lieber. Er packte Eier an einen verabredeten Ort. Omi holte sie dann ab und Papi legte dort für ihn einige Flaschen Bier hin. Da freute er sich sehr, denn Tante Liese kaufte kein Bier für ihn. Ich war ein sehr lebensfrohes Kind, mochte alle Leute, lächelte alle an, bekam Zähnchen und fing an mit Sprechen. Krabbeln ging besser als Laufen. Es half aber nichts, ich kam in den Laufgurt von Schwester Maria und ab ging es zum Spaziergang in die Natur. Ich lernte es schnell. Alle Leute sagten immer : „Ist das ein hübscher Junge, ganz wie die Mama“ . Nur sauber wollte ich nicht werden, ob mir die Baumwollwindeln, Baumwolleinlagen und Gummihosen so gefallen haben, ich weiß es nicht. Windeln auskochen war ständig angesagt.

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