Der Streit um den heiligen Stuhl im Vatikan belegt, wie reformbedürftig die römische Kirche ist. Daran ändert auch ein zwischen 1414 und 1418 vier Jahre tagendes Reformkonzil in Konstanz nicht viel. Zwar wird mit Martin V. ein von allen anerkannter Papst gewählt und die Spaltung der römischen Kirche damit überwunden, gleichzeitig aber legt das am Bodensee versammelte christliche Kollegium fest, dass Anklage wegen kirchenfeindlicher Aktivitäten gegen die tschechischen Reformer Jan Hus und Hieronymus von Prag erhoben wird. Nachdem ihm freies Geleit und anständige Behandlung zugesichert worden sind, …
Tod über Europa: Scheiterhaufen und Pest
1347 – 1440
… erscheint Jan Hus im November 1414 vor dem Kardinalskollegium in Konstanz, bereit seine Reformvorschläge gegen die Argumente der Kurie zu verteidigen. Aber dazu kommt es nicht, denn die christlichen Herren sperren ihn erst einmal acht Monate in den Kerker. Für Jan Hus ist die Kirche die „Gemeinschaft der Guten“, die weder Priester noch die strenge Hierarchie der vom Papst regierten römischen Kirche benötigt. Das ist der Generalangriff auf das ausgeklügelte Herrschaftssystem der Kirche, die über das Monopol verfügt, zwischen Menschen und Gott vermitteln zu können. Sie allein kann Sünden vergeben und sie allein ist berechtigt im Sinne und im Auftrag Gottes das Leben der Menschen zu reglementieren. Im Juni 1415 kommt es schließlich zur Generaldebatte zwischen Jan Hus und den Kardinälen. Als er nicht nur den Widerruf seiner Werke verweigert, sondern auch noch die höchste Lehrautorität des Konzils anzweifelt und die Abschwörung seiner Irrtümer ablehnt, wird er als Ketzer verurteilt. Im Namen der heiligen Schrift lautet das Urteil: Tod durch den Scheiterhaufen. Dieser Mord, der ein Jahr später auch an seinem Freund und Verteidiger Hieronymus von Prag begangen wird, findet am 6. Juli 1415 vor den Augen einer schaulustigen Menge statt. Unter ihnen befinden sich mehr als 1500 Prostituierte, die wegen des guten Geschäfts mit den Kardinälen eigens nach Konstanz gekommen sind. Der Hergang der Ermordung des Jan Hus ist uns von einem Stadtschreiber namens Ulrich von Richental überliefert:
„Da ließ man Meister Jan Hus von Böhmen, den Ketzer, kommen und, vor ihm predigte der hochwürdige göttliche Meister Peter von Ailly von der Schule zu Paris über seine schlimme Ketzerei. Und Hus wurde mit heiliger göttlicher Lehre aus der heiligen Schrift überwunden, dass seine Artikel, die er gepredigt und gelehrt habe, eine recht falsche Ketzerei seien. (…) Da rief Herzog Ludwig den Vogt der Stadt Konstanz (…) und sprach: ‚Vogt, nun nimm den von unser beider Urteil wegen und verbrenne ihn als einen Ketzer.’ (…) Die von Konstanz führten ihn mit mehr als tausend gewappneten Männern hinaus (…) Auf der Brücke am Geltinger Tor musste man die Leute anhalten, damit nur je eine Schar hinübergehe, denn man fürchtete, die Brücke könnte zusammenbrechen. (…) Als Hus auf die Richtstätte kam und Feuer, Holz und Stroh sah, fiel der auf die Knie und sprach mit lauter Stimme: ’Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, der du für uns gelitten hast, erbarme dich meiner!’ (…) Danach wollte er anfangen zu predigen in deutscher Sprache. Das wollte Herzog Ludwig nicht und hieß ihn verbrennen. Da nahm ihn der Henker und band ihn in seinen Kleidern an den Pfahl und stellte ihm einen Schemel unter die Füße und legte Holz und Stroh um ihn und schüttete ein wenig Pech darein und zündete es an.“
Die Hinrichtung von Jan Hus löst in seiner böhmischen Heimat schwere Unruhen aus, es sammeln sich bewaffnete Gottesstreiter, die nicht nur seine Lehre verteidigen, sondern sich auch gegen den König erheben.
Die Inquisition ist das düsterste Kapitel der Kirchengeschichte. Sie geht zurück auf die von Papst Gregor IX. eingeführten Glaubensgerichte, die unter der Führung des Dominikaner-Ordens seit 1227 dafür Sorge zu tragen haben, dass sich innerhalb der Christenheit keine abweichenden Meinungen etablieren, die die Autorität des Papstes in Frage stellen. In Deutschland zieht der oberste Inquisitor Konrad von Marburg ein derartiges Schreckensregiment auf, dass er nach sechs Jahren blutiger Tätigkeit von aufgebrachten Rittern erschlagen wird. In jeder Diözese wird ein eigener Gerichtshof eingerichtet, der direkt dem Papst unterstellt und von einem Dominikaner geleitet wird. Flächendeckend ist der Kontinent überzogen mit diesen
Gerichten, die sichtbarer und Angst verbreitender Ausdruck der Macht der römischen Kirche über Europa sind. Unter Androhung des Höllenfeuers beginnt die Kurie in Rom nun damit die Menschen in Europa zu disziplinieren. Wer sich widersetzt, bekommt nicht selten die Feuerhitze des Scheiterhaufens unter seinen Füßen zu spüren. Der Erste Diener Gottes auf Erden schreckt vor keiner Bestrafung zurück, um die Abtrünnigen in der Öffentlichkeit zu brandmarken. Neben der Verbannung und dem Lehrverbot für Priester und Mönche gehört auch der Feuertod zum Strafenkatalog der Kirche. Im „christlichen“ Verständnis dient der Tod eines Ketzers auf dem Scheiterhaufen nicht nur der Abschreckung der Zuschauer, sondern ist auch ein Akt der Seelenrettung des Brennenden vor der ewigen Verdammnis, der ein lebendiger Ketzer angeblich ausgesetzt ist.
Tod im Namen des Herrn – Die Inquisition
Die Inquisition fördert nicht irgendwelche Abartigkeiten einzelner Päpste zu Tage. Nein, sie hat Prinzip und ist perfekt organisiert. An der Spitze des „Heiligen Offiziums“ steht der Großinquisitor. Diese Handkante des Papstes hat meist eine blendende Karriere als christlicher Denunziant hinter sich und ist mit den gängigen Foltermethoden des Mittelalters vertraut. Unter ihm arbeiten zahlreiche Inquisitoren, die die „Ermittlungen“ gegen die Abweichler zu führen und zu protokollieren haben. Jeder Anzeige wegen Ketzerei, und ist sie noch so unsinnig, wird nachgegangen. Deshalb landen viele Menschen auf den christlichen Scheiterhaufen, die sich – auch im Sinne der Inquisition - nichts zu schulden haben kommen lassen, ihren Nachbarn aber missliebig sind.
Die blutige Spur der Inquisition zieht sich über den ganzen Kontinent, bald ist kein Land vor den christlichen Schergen im Bischofsgewand sicher. Das aus Geistlichen und Laien bestehende Inquisitionstribunal ist mobil und reist über Land. Den Laien bleibt die Ermordung vorbehalten, weil sich der Inquisitor selbst die Hände nicht schmutzig machten wollen. Mord steht in zu großem Gegensatz zum 5. biblischen Gebot, das auch damals schon „Du sollst nicht töten“ heißt. Der Angeklagte hat sich beim Tribunal einzufinden oder freiwillig mit einer Selbstanzeige zu melden. Zur Verurteilung genügen zwei Zeugenaussagen. In Zweifelsfällen wird von der Folter hemmungslos Gebrauch gemacht. Die Strafen reichen von Strafgeldern, öffentlicher Auspeitschung und Konfiszierung des Eigentums bis zum Todesurteil. Über 30.000 Menschen kommen auf diese Weise ums Leben, knapp 300.000 werden zu Kerkerhaft und Vermögenseinzug verurteilt. Das so gewonnene Vermögen wird aufgeteilt – der Denunziant bekommt ein Drittel, den Rest teilen sich Staat und Kirche. Auch wenn es kaum glaubhaft klingt, aber das „Heilige Offizium“ existiert bis 1965. Danach wird das Offizium in „christliche Glaubenskongregation“ umgetauft, der bis zu seiner Wahl zum Papst der deutsche Kardinal Josef Ratzinger vorstand.
Die Inquisition verbreitet Angst und Schrecken über ganz Europa. Aus der Religion der Liebe ist eine Ideologie der Ruchlosigkeit und der Gewalt geworden. In dieser gewalttätigen Stimmung wendet sich die Mordlust auch gegen so genannte Hexen, denen ein direkter Kontakt mit dem Teufel ebenso unterstellt wird wie ein sexuell ausschweifendes Leben, das sie angeblich mit dem Dämon und anderen üblen Gestalten teilen. Die so der Unzucht mit dem Teufel überführten Frauen werden dem Feuer übergeben, die Zuschauer beklatschen derartige Exzesse als Akt der Selbstreinigung. Etwa 1 Million Frauen werden auf diese Weise in Europa ums Leben gebracht. Religiöser Leitfaden dieser Mordorgien ist die „Hexenbulle“ von Papst Innozenz VIII. aus dem Jahr 1484.
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