„Diese verdammten Araber!“, schimpfte Sparks.
„Woher wissen Sie so genau, dass die es waren?“
„Wer denn sonst? Auf der ganzen Welt, vor allem in Europa, gibt es immer wieder Anschläge von Fanatikern, bei denen es sich vorwiegend um Araber handelt. Ich könnte kotzen.“
„Trotzdem wissen wir noch nicht, was passiert ist. Bevor Sie gleich den Arabern oder sonst irgendwem die Schuld zuweisen, sollten wir lieber abwarten. Einer der Gründe, warum dieser Hass niemals aufhört, ist der, dass vorschnell geurteilt wird. Das kotzt mich an.“
„Ach ja? Vielleicht waren es nicht die Araber, sondern die Deutschen. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die Deutschen in anderen Ländern Unruhe stiften.“
„Oh Mann! Jetzt kommen Sie mir nicht mit den zwei Weltkriegen! Die sind lange her. Ja, das war nicht gut, aber jedes Land hat irgendwo auf der Welt Blödsinn gemacht, die Engländer eingeschlossen.“
Es entstand eine Auseinandersetzung, die sich gewaschen hatte. Leo dachte nicht daran, auch nur einen Hauch nachzugeben. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären sich an die Gurgel gegangen.
Sabine Kofler hatte geduscht und sich fertiggemacht. Sie hatte ein schlechtes Gewissen Leo gegenüber, der sehr viel Verständnis für ihren Job aufbrachte. Sie hätte ihm längst sagen sollen, dass ein Jobangebot für London vorlag, das sie gedachte, anzunehmen. Der Termin heute betraf diesen Job, denn heute würden Einzelheiten besprochen werden. Außer einer guten Bezahlung waren die Bedingungen sehr verlockend. Wäre sie alleine, hätte sie längst unterschrieben, aber sie hatte ihren Verlobten Leo, an den sie denken musste. Ja, er zweifelte an seiner Arbeit und eigentlich hätte sie die Gelegenheit am Schopf packen und ihn in seinen Zweifeln bestärken sollen. Es wäre nur ein kleiner Schritt und sie könnte Leo dazu überreden, zu ihr nach London zu kommen. Aber das brachte sie nicht übers Herz und das wäre ihm gegenüber auch nicht fair, denn daran würde Leo zugrunde gehen. Er war kein Typ für ein Abenteuer in der Fremde, sondern ein bodenständiger Deutscher, der sich in einem fremden Land niemals einleben würde. Außerdem war Leo bei der Polizei genau am richtigen Platz.
Sie wischte ihr schlechtes Gewissen beiseite und tröstete sich mit Blick auf das nächste Treffen mit Leo, bei dem sie ihm das Jobangebot endlich beichten wollte.
Nur noch eine Stunde bis zu ihrem Termin, das reichte für ein kleines Frühstück. Der Fernseher lief. Als sie begriff, worum es ging, war sie fassungslos. Sie drehte den Ton lauter und hörte wieder und wieder die Informationen rund um die Geschehnisse am Flughafen London Heathrow. Das Wort Attack schockierte sie und sie begann zu zittern. War es möglich, dass Leo bereits abgeflogen war? Sie kontrollierte mehrfach die Uhrzeit. Nein, Leo musste noch am Flughafen sein, es konnte nicht anders sein. Er war inmitten des Geschehens und damit in größter Gefahr. Sie setzte sich, denn ihre Beine versagten ihren Dienst. Sie rückte näher an das Fernsehgerät und suchte auf den wackligen Bildern fieberhaft nach Leo. Das und die neuesten Nachrichten waren jetzt wichtig, der bevorstehende Termin war völlig egal.
Wo war Leo? Ging es ihm gut? Und was war in Heathrow eigentlich wirklich los?
Die beiden Männer rannten so schnell wie möglich. Sie mussten zu ihrem Wagen und dann verschwinden, solange die Straßen noch nicht gesperrt waren. Keiner sagte auch nur ein Wort.
Sam Brown startete mit zitternden Händen den Wagen, dann gab er Gas. Sein Komplize Tom Albert hatte die Tür noch nicht ganz zugezogen, da zeigte der Tacho bereits 40 Meilen.
„Wenn du so weiterfährst, fallen wir auf! Da können wir uns ja auch gleich der Polizei stellen“, schrie Tom in Panik, während er ständig hektisch um sich blickte.
„Halt‘s Maul!“
Sam drückte das Gaspedal durch. Geschickt lenkte er den Wagen durch die Fahrzeuge, die alle zum Flughafen hin oder von diesem weg drängten. Dann ertönte der Alarm.
„Das ging verdammt schnell“, murmelte Sam. Er hatte mit einer Reaktion frühestens nach zehn Minuten gerechnet – bis jetzt waren noch keine sieben Minuten vergangen. Ihm und auch Tom war klar, dass ihre Gesichter auf sämtlichen Überwachungskameras zu sehen waren. Aber das war kein Problem, dafür hatten sie sich Bärte wachsen lassen und Perücken aufgesetzt. Die Kleidung landete im Kamin, sobald sie ihren Unterschlupf erreicht hatten. Außerdem gingen sie wie jeder normale Tourist durch die Menschenmengen. Warum hätte die Polizei auf sie aufmerksam werden sollen?
Sam hatte den rückwärtigen Verkehr ständig im Auge. Irgendwann beruhigte er sich, denn er war sicher, dass ihnen niemand folgte. Trotzdem blieb er wachsam. Nach zwanzig Minuten Fahrt verringerte er das Tempo und atmete tief durch. Tom suchte im Radio nach einer Meldung bezüglich des Flughafens, die nicht lange auf sich warten ließ.
„Diese Aasgeier sind wirklich überall“, maulte er und stellte den Ton lauter. Ein Reporter berichtete über die aktuelle Lage am Flughafen Heathrow, wobei diese Informationen sehr vage waren. Es gab nur jede Menge Spekulationen, mehr nicht. „Das übliche Blabla, die wissen nichts.“
„Können sie auch nicht. Bis die herausfinden, was passiert ist, ist der Coup längst durch.“
„Was weißt du eigentlich darüber?“
„Nicht so neugierig, Tom. Wir bekommen jede Menge Kohle quasi für nichts. Die beiden harmlosen Bomben, die jedes Kind basteln könnte, waren ein Kinderspiel für uns. Und sie zu zünden war auch ein Spaziergang. Wir hatten versprochen, keine Fragen zu stellen, und dabei sollte es auch bleiben. Oder möchtest du dich mit diesen Leuten anlegen?“
„Auf keinen Fall! Dieser John hat etwas Unheimliches an sich, das mir eine Gänsehaut bereitet. Und du kennst mich lange genug, Sam, so leicht lasse ich mich nicht einschüchtern. John ist nicht dumm, der hat bestimmt studiert. Die Worte, die er benutzt, sind sorgsam gewählt. Außerdem sind einige darunter, die ich noch nie gehört habe. Nein, John ist ein ganz Schlauer, das habe ich gleich gemerkt. Und ich glaube, dass er keinen Spaß versteht. Du hast Recht, wir sollten einfach das tun, was er angeordnet hat. Wir bleiben in unserem Versteck, bekommen in Kürze die Kohle und bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Viel Geld für wenig Arbeit, was wollen wir mehr?“
„Meine Rede.“
„Trotzdem würde ich gerne wissen, was hinter dem Ganzen steckt.“
Sam dachte ähnlich, sagte aber nichts mehr dazu. John, von dem er den Nachnamen nicht kannte, hatte ihn in einer Bar angesprochen und ihm diesen Job angeboten. Ihm war sofort klar, dass dieses Riesending eigentlich zu groß für ihn war, aber er konnte der Bezahlung nicht widerstehen. Wie immer war er blank und brauchte das Geld. Viel Geld für wenig Arbeit, wobei das Risiko überschaubar war. Auch wenn er den Sinn dahinter nicht verstand, konnte er den Job nicht ablehnen. Sein Cousin Tom war sofort dabei, als er ihn bat, ihn zu begleiten. Tom war zwar einfach gestrickt, aber auch er war stets pleite und für krumme Geschäfte immer zu haben.
Sam bog in die enge Einfahrt des kleinen, gepflegten Hauses im Londoner Stadtteil Croydon ein, das John angemietet hatte. Der Kühlschrank war voll, ebenso das Vorratsregal. In ihren Unterschlupf würde ihnen in wenigen Stunden die großzügige Bezahlung gebracht werden, wovon sie bereits einen ansehnlichen Anteil erhalten hatten. Danach brauchten sie einfach nur hierbleiben und abwarten, mehr nicht. Sam war nicht unglücklich über diese Regelung, denn seine Wohnung war ihm gekündigt worden und er saß quasi auf der Straße. Hier hatte er nicht nur ausreichend zu essen und zu trinken, einen Fernseher und fließend warmes Wasser, sondern vor allem ein Dach über dem Kopf.
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