„Ich brauche nicht mehr lange, dann ist die Tür auf!“
„Lass das! Was soll der Scheiß?“
„Diese Tür ist keine normale Tür, sonst wäre sie längst offen. Ich vermute, dass sich dahinter ein fetter Fisch verschanzt hat. Was glaubst du, wie viel Lösegeld wir kassieren könnten – denk doch mal nach!“
„Wir sind nicht wegen einer Entführung hier, hast du verstanden? Wir haben für unseren Job ganz klare Anweisungen bekommen – und das hier gehört nicht dazu. Wenn John davon Wind bekommt, wirst du deinen Alleingang bereuen, das kannst du mir glauben. Los jetzt!“
Carter rannte los und Peter folgte ihm. Niemand stellte sich den beiden in den Weg, weshalb sie auf dem schnellsten Weg das Flughafengebäude verlassen konnten. Erst jetzt bemerkte Carter, dass Peter keine Maske trug.
„Was ist mit deiner Maske?“
„Kümmere dich um deinen eigenen Mist. Steig ein!“
Endlich saßen sie im Wagen. Carter sah auf die Uhr und erschrak.
„Wir sind fast eine Stunde zu spät! Dafür könnte ich dich umbringen, du verdammtes Arschloch! Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Carter startete den Wagen und fuhr so ruhig wie möglich los.
„Jetzt bleib mal locker, Carter, es ist doch nichts passiert!“
„Nichts passiert? Wir sind nicht im Zeitplan und werden sehr wahrscheinlich mitten in einer Straßensperre landen. Außerdem hast du deine Maske entgegen der Anweisung abgezogen. Dein Gesicht ist jetzt auf vielen Überwachungskameras deutlich zu sehen. Was bist du nur für ein Loser?“
„Jetzt mach mal halblang! Wie redest du eigentlich mit mir?“
„Johns Anweisungen waren…“
„Das ist mir scheißegal! Du spielst dich hier auf und im Grunde genommen bin ich derjenige, der sauer sein könnte. Du hast mir vorhin die Tour vermasselt, ich war so knapp am Ziel.“
„Gar nichts warst du! Du hast auf eine verschlossene Tür geballert, hinter der vermutlich niemand war. Du bist ein Loser, John, und wirst auch immer einer sein. Ich hätte dich nicht mit an Bord nehmen sollen. Ich hätte wissen müssen, dass du für den Job nicht geeignet bist.“
Carter war stinksauer. Er hatte genug und wollte nur noch weg.
„Weißt du was? John und du, ihr beide könnt mich mal!“
Carter hatte das Ende des Parkplatzes erreicht. John hatte angewiesen, die Waffen mitsamt den Masken hier zu entsorgen. Dieser kleine Bereich wurde nicht von den Kameras erfasst. Carter stieg aus und machte das, was sein Bruder von ihm verlangte. Peter dachte überhaupt nicht daran, ihm das gleichzutun. Er ging einfach mitsamt seiner Waffe davon, die Maske warf er einfach weit von sich.
„Was hast du vor? Bleib gefälligst hier!“
Statt einer Antwort zeigte ihm Peter den Mittelfinger, dabei drehte er sich nicht einmal um. Er ging einfach weiter.
„Bleib stehen, sofort!“ Carter war außer sich. Peter vermasselte alles. Wie sollte er John erklären, was hier gerade passierte? Carter war nervös und wusste nicht, was er machen sollte. Was würde John an seiner Stelle tun? Carter griff nach seinem Gewehr und legte an. Dann drückte er ab. Peter fiel um wie ein Stein. Carter warf die Waffe mitsamt der Maske weg. Er nahm die Folien aus dem Kofferraum und klebte die Firmenschilder aufs Auto. Dabei zitterte er und musste sich darauf konzentrieren, dass die Aufkleber einigermaßen gerade angebracht wurden. Dann zog er den Arbeitskittel über, nahm die Werkzeugtasche aus dem Kofferraum und stellte sie auf dem Rücksitz ab. Alles so, wie John es angewiesen hatte. Dann stieg er ein, zog die Handschuhe aus, legte sie auf den Beifahrersitz und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
„Scheiße! Scheiße! Scheiße!“, schrie er laut. Warum war Peter einfach weggelaufen? Wäre er zurückgekommen und einfach wie geplant in den Wagen gestiegen, hätte er ihn nicht erschießen müssen. Peter war selbst schuld daran! Wieder sah er auf die Uhr, er war viel zu spät dran. Wie sollte er John das erklären?
Er kurbelte das Fenster der alten Karre runter und warf die Handschuhe während der Fahrt einfach raus. Alles wäre ein guter Plan gewesen, wenn Peter nicht so ein verdammtes Arschloch gewesen wäre.
Leo Schwartz und Kevin Sparks hatten sich in die einzig sichere Ecke gekauert. Bei jedem Schuss zuckten sie zusammen.
„Die Tür hält einiges aus. Die wurden nach 2005 alle erneuert“, erklärte Sparks, was Leo keineswegs beruhigte.
„Aber auch die Tür gibt irgendwann nach“, sagte er so leise wie möglich. „Die ersten Geschosse gehen bereits durch.“
Beide hatten bereits mit ihrem Leben abgeschlossen. Weder Leo, noch Sparks, glaubten daran, hier lebend rauszukommen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Tür nachgab.
Dann war es plötzlich still. Leo war nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte, was vor der Tür gesprochen wurde.
„Es hat sich so angehört, als hätte der Schütze einen Rüffel kassiert. Mit viel Glück haben wir es geschafft.“
Sparks hatte nicht darauf geachtet. Er hatte sich dazu gezwungen, sich nicht auf die Schüsse zu konzentrieren, sondern an all die lieben Menschen zu denken, die er nun nicht mehr sehen durfte. Langsam verstand er Leos Worte. Konnte das sein? War es so, dass er weiterleben durfte? Erst jetzt bemerkte er, dass er sich an so sehr an Leos T-Shirt festgeklammert hatte, dass er einen Krampf hatte. Dafür schämte er sich jetzt, was Leo bemerkte.
„Denken Sie sich nichts. Ich habe nicht nur mit meinem Leben abgeschlossen, sondern mir vor Angst fast in die Hosen gemacht.“
Jetzt lachten beide, was sehr befreiend war.
„Was nun?“, fragte Sparks.
„Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne hier bleiben. Für irgendeine Aktion fehlt mir momentan der Mut. Ich möchte einfach nur hier sitzen und mich darüber freuen, dass ich vorerst dem Tod von der Schippe gesprungen bin.“
„Ich bin dabei“, sagte Sparks erleichtert.
Leo schaltete sein Handy ein: Drei verpasste Anrufe. Verdammt, er hätte früher einschalten sollen! Er versuchte, die Nummer zurückzurufen, erreichte aber wieder nur die Mailbox. Das war Christines Handy. Zu schade, dass er sie verpasst hatte. Dass sie gerade im Flugzeug saß und auf dem Weg zu ihm war, hätte er sich nicht in den kühnsten Träumen vorstellen können. Er versuchte es nochmals bei Hans, aber auch ihn erreichte er nicht. Es blieb noch Krohmer, der sich bereits nach dem ersten Klingeln meldete.
„Geht es Ihnen gut?“
„Alles in Ordnung, Chef. Die Ballerei hat aufgehört. Ich denke, wir sind vorerst in Sicherheit. Gibt es Neuigkeiten?“
„Nein. Die Informationen wiederholen sich. Sobald ich etwas höre, melde ich mich.“
„Gut. Dann lege ich jetzt auf.“
„Passen Sie auf sich auf, Schwartz. Ich möchte Sie in einem Stück wieder hier haben.“
„Jetzt sind Sie dran, schalten Sie Ihr Handy ein“, sagte Leo zu Sparks, während er sein eigenes Handy ausschaltete. „Vielleicht haben Sie jetzt wieder ein Netz.“
„Mobilephone heißt das bei uns in England“, korrigierte Sparks.
„Von mir aus auch das.“
Sparks wählte einige Telefonnummern, hatte aber immer noch keinen Erfolg. Trotzdem ließ er es eingeschaltet.
Die beide saßen stumm nebeneinander. Das laute Klingeln von Sparks Handy durchriss die Stille. Er erkannte die Nummer seines Vorgesetzten Gordon Bell. Noch niemals vorher hatte er sich so sehr über dessen Stimme gefreut. Sparks wollte sich erklären und stellte viele Fragen, aber dafür hatte Bell keine Zeit. Am Flughafen ging alles drunter und drüber und er versuchte, irgendwie Ordnung reinzubringen.
„Wir gehen davon aus, dass der Anschlag vorüber ist. Verstärkung ist vor Ort. Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir werden Sie rausholen, dann können wir alles in Ruhe besprechen.“
Den beiden war die Erleichterung anzusehen. Es folgte eine lockere Unterhaltung.
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