Nach einem Riesenerfolg in Amerika erwartet man nun auch in deutschen Kinos gespannt die Ankunft von Luke Skywalker und Darth Vader.
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Nicht nur Lukes Vater beeindruckte mit einem Vollvisierhelm, auch in Stephans Klasse gehörte der Integralhelm inzwischen zum gewohnten Bild. Lässig am langen Arm getragen, signalisierte er, dass sein Träger nun im Besitz eines Mofas war. Diese neu gewonnene Unabhängigkeit war in der ländlichen Gegend, in der Stephan wohnte, ein nicht unbedeutender Schritt in Richtung Erwachsensein.
Natürlich wünschte sich auch Stephan so einen fahrbaren Untersatz. Seine Eltern waren von dieser Idee jedoch nicht sonderlich begeistert. Viel zu häufig wurde im Lauf des Sommers in der Zeitung von schweren Zweiradunfällen berichtet. Um Stephans Wunsch aber nicht gleich von vornherein kategorisch abzulehnen, erlaubten sie ihm, ein Moped zu fahren. Allerdings verbanden sie ihre Erlaubnis mit zwei Auflagen: Stephan musste den Führerschein machen und diesen ebenso wie auch ein Moped aus eigener Tasche bezahlen. Insbesondere ihre zweite Forderung hatte es in sich. Das wussten natürlich auch seine Eltern, die sich mit dieser Taktik in Sicherheit wähnten.
Stephan nahm die Herausforderung an, zu groß war der Wunsch nach einem fahrbaren Untersatz. Noch ahnte er nicht, welchen katastrophalen Einfluss diese nun zu bewältigende Größe auf seine sehr übersichtliche Finanzwelt haben würde. Voller Zuversicht begann er mit den ersten Berechnungen, die ihn schon bald auf den Boden der Tatsachen zurückholten. Wie er errechnet hatte, müsste er bei Beibehaltung seines gewohnten Lebensstandards ungefähr fünfzehn Jahre sparen, um sein Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. Fünfzehn Jahre! - Das war eindeutig zu lang, doch selbst wenn er mit dem Rauchen aufhören und jede Party sausen lassen würde, wären es immer noch acht Jahre. Die Jugendjahre verschenken? Nein, das kam überhaupt nicht infrage. Doch so oft er auch hin und her rechnete und überlegte, es gab nur eine Möglichkeit: Er brauchte Arbeit.
Die meisten von Stephans Freunden hatten schon einmal einen Ferienjob angenommen und so fasste Stephan den Entschluss, sich ebenfalls im nächsten Jahr eine Aushilfstätigkeit für die Sommerferien zu suchen. Mit dem Geld könnte er sich dann endlich das ersehnte Moped kaufen, den erforderlichen Führerschein wollte er schon vorher machen. Zum Glück hatte er ja noch etwas Geld von der Konfirmation gespart.
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»Rauchst du eigentlich?«, fragte Stephans Mutter ihn eines Tages völlig unvermittelt, ohne von ihrem Bügelbrett aufzuschauen.
Wie vom Schlag getroffen sah er sie an. Wie hatte sie das herausgefunden? Hatte sie möglicherweise beim Putzen sein Versteck entdeckt? Doch aus welchem Grund sollte sie in seinem Mikroskopierkoffer sauber machen?
Die Gedanken überschlugen sich in Stephans Kopf, während ihm zunehmend heißer wurde.
Hatte vielleicht Oscar ...? Nein, gerade vor der kleinen neugierigen Petze hatte er sich immer besonders vorgesehen. Unmöglich, dass er ...
»Du kannst es ruhig sagen«, sagte seine Mutter und riss ihn aus seinen Gedanken. »Wir könnten dir zwar das Rauchen verbieten, aber dann würdest du sicher heimlich rauchen. Also, wenn du möchtest, darfst du von uns aus zu Hause rauchen.«
Stephan war sprachlos. Er war froh, dass sich seine Mutter weiter ihrer Bügelwäsche widmete. Sein Gesichtsausdruck musste Bände sprechen, so perplex, wie er war. Er stammelte nur noch so etwas wie ein »Ist gut!« und verschwand eilig in seinem Zimmer, wo er erst einmal das eben Erlebte verdauen musste.
Er durfte also ab sofort auch zu Hause rauchen. Hatte das seine Mutter wirklich gesagt? Er konnte es immer noch nicht fassen. Stephan stellte sich vor, wie er wie ein Alter neben seiner Mutter auf dem Sofa saß und sie beide seinem Vater etwas vorrauchten. Schon der Gedanke war ihm unangenehm. Nein, so erwachsen war er dann wohl doch noch nicht.
Noch immer leicht traumatisiert, lag Stephan auf seinem Bett und starrte an die Decke. In seiner Clique hatte sich die Zigarette zwar längst zu einer Art Statussymbol entwickelt und war somit aus seinem gesellschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken, aber zu Hause ... - Nein, Stephan entschied, dass alles so bleiben sollte, wie es war.
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Ende November verkündeten Stephans Eltern ihren Söhnen, dass die Familie dieses Jahr auch Weihnachten auf Baltrum verbringen würde, um dort ihre Oma zu besuchen. Sofort dachte Stephan wieder an seinen Uropa. Im letzten Jahr hatten sie ihn noch zu Weihnachten in Mülheim besucht, wo er mit Stephans Oma eine Zweitwohnung hatte, in der die beiden jedes Jahr überwinterten. In den Wintermonaten konnte man auf Baltrum schnell von der Außenwelt abgeschnitten werden, und da es nur einen Badearzt vor Ort gab, hatte man aus gesundheitlichen Gründen diese Möglichkeit gewählt.
Nach dem Tod von Stephans Uropa war seine Oma nun ganz nach Baltrum gezogen und hatte die Wohnung in Mülheim aufgegeben.
Stephans Eltern wollten nicht, dass sie nach dem Tod ihres Vaters auch noch das erste Weihnachtsfest auf der Insel alleine verbringen musste.
Urlaub auf einer Nordseeinsel im Dezember, das hieß im Reisekatalog Nebensaison und war für die meisten Insulaner Urlaubszeit. Im Sommer, wenn Baltrum von Touristen geradezu überschwemmt wurde, mussten die Einheimischen auch das Geld für die kargen Wintermonate erwirtschaften. An einen eigenen Sommerurlaub war daher gar nicht zu denken. Also holte man dies weitgehend im Winter nach, was wiederum zu einem sehr überschaubaren Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten führte. In der Folge verirrten sich nur sehr wenige Gäste um diese Zeit in die Nordseebäder.
Tief verschlafen präsentierte sich dann auch das 'Dornröschen der Nordsee', als die vier Lindlarer kurz vor Weihnachten übersetzten.
Für Stephan, der bis dahin die Insel nur aus den Sommerferien kannte, konnten die Gegensätze nicht größer sein. Einer derartigen Ruhe und Abgeschiedenheit mochte vielleicht der eine oder andere einen gewissen Reiz abgewinnen können, aber doch nicht ein Sechzehnjähriger. Und wäre das nicht schon schlimm genug, durfte er sich obendrein auch noch das Zimmer mit Oscar teilen.
Draußen nichts los und drinnen keine Privatsphäre, dachte Stephan. Das geht ja gut los.
Von nun an verbrachte er den Großteil seiner Zeit mit langen Strandspaziergängen, so konnte er wenigstens seinem Bruder entgehen.
Wie sich die Insel doch verändert hatte. Stephan erinnerte sich an den vergangenen Sommer, als sie an diesem jetzt so unwirtlichen Ort Beachvolleyball gespielt und abends in den Dünen ihre berüchtigten Strandpartys gefeiert hatten. Jetzt musste er sich gegen den starken Nordostwind stemmen, der die vom Meer aufgewirbelte Gischt zu ihm herüber trug und auf Gesicht und Händen einen klebrigen Belag hinterließ.
Wurde es am Strand zu ungemütlich, verzog Stephan sich gerne ins Innere der Insel. Meistens führte ihn sein Weg dann auf den höchsten natürlichen Punkt Baltrums: die Aussichtsdüne. Von hier hatte man einen schönen Rundumblick über die gesamte Insel. Vom Hafen im Westen ging sein Blick über die lange Dünenkette im Norden bis zur Ostbake. Dahinter lag Langeoog mit seinem Leuchtturm, der bei Nacht und bei schlechter Sicht seine Kennung über die See schickte.
Auch jetzt saß Stephan wieder einmal hier oben in der Mitte der Aussichtsplattform auf dem großen kalten Betonblock, der im Krieg als Beobachtungspunkt gedient hatte, und rauchte eine Zigarette. Er betrachtete den grauen Himmel, der irgendwie nach Schnee aussah.
Das wäre wenigstens mal wieder was Neues, dachte Stephan. Auch wenn die vergangenen Weihnachtstage etwas Abwechslung gebracht hatten, zogen sich die Tage bis Silvester inzwischen wie Kaugummi.
Der Wind hatte mittlerweile aufgefrischt und Stephan war froh, dass sein Anorak mit einer Eskimokapuze ausgestattet war, die mit ihrem ausladenden Schnitt sein Gesicht weitgehend vor dem kalten Wind schützte. Da er nicht mehr damit rechnete, dass es hier oben noch wesentlich gemütlicher werden würde, machte er sich auf den Heimweg.
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