Hans-Jürgen Setzer - Achter Stock - Endstation

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Leon Walters, Chefredakteur des Koblenzer Tageskuriers, ein unverbesserlicher Morgenmuffel, ansonsten gutmütig, hilfsbereit und voller Engagement stolpert in seinem ersten Fall mitten hinein ins pralle Seniorenleben, denn sein Boss, Alexander Paffrath, bittet ihn, einen Artikel über die Seniorenresidenz Moselblick zu verfassen.
Wie gewohnt recherchiert Leon Walters überaus gründlich. Was er bei seinen Recherchen herausfindet, übersteigt jegliches Maß an Menschlichkeit und Ethik.
Wird es Leon Walters gelingen, die Machenschaften zu unterbinden und die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen?

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Achter Stock - Endstation

Hans-Jürgen Setzer

Copyright © 2016 Hans-Jürgen Setzer, Kirchweg 13, 56244 Maxsain

Lektorat: Autorenteam Ellen Heil und Karin Kuretschka

All rights reserved.

ISBN-13: 978-3-7418-6877-1

Der Auftrag

Leon Walters kam nach einer kurzen Nacht in die Nachrichtenredaktion des Koblenzer Tageskuriers, holte sich einen Kaffee aus dem Automaten und ging, noch etwas verträumt wirkend, zu seinem Platz im Großraumbüro. Er merkte selbst, dass es für jeden eine Zumutung sein musste, der versuchen würde, ihn jetzt anzusprechen. Schon als Kind war er ein Morgenmuffel. Vielleicht hielt es deshalb auch keine Frau lange mit ihm aus. Abends konnte beinahe jeder problemlos Spaß mit ihm haben, bis in die tiefe Nacht, aber morgens nach dem Aufstehen wurde er ein anderer. Er brauchte einfach seine Anlaufzeit. Die älteren Kollegen in der Redaktion wussten dies nach der Erfahrung der letzten Jahre. Leon Walters arbeitete bereits neun Jahre für den Koblenzer Tageskurier.

Meist war er für die Abendveranstaltungen im Glamourbereich zuständig, für den Klatsch und Tratsch in der Koblenzer High Society oder über diejenigen, die sich dafür hielten. Die Artikel schrieb er in der Nacht noch in seinen Rechner und meist wurden sie gerne gelesen und brachten viel Lob.

An einem Montagmorgen aber, so wie heute, war es immer besonders schlimm. Zum einen war da in der Regel ein hartes Wochenende vorüber, das meist zwar viel Spaß gebracht, aber auch viel Kraft gekostet hatte. Und zum zweiten musste er wieder auf die Arbeit, an seinen Schreibtisch oder auch raus in die Kälte. Auch hier war Leon Walters gespalten, zumindest montagmorgens. Sein Beruf machte ihm sehr viel Spaß, aber Freizeit, Urlaub, schlafen, feiern, das war doch das wirkliche Leben. Und wenn sich das verbinden ließ, umso besser.

Arbeiten, um zu leben, so war es richtig. Doch auch Leon gelang das oft nicht. Sein Beruf forderte vollen Einsatz und bei einer so richtig packenden Geschichte vergaß er auch schon mal sich selbst und seine Bedürfnisse.

Er setzte sich wie immer an seinen Platz, las das in der Nacht gedruckte frische Exemplar des Lokalblattes und trank in aller Ruhe seinen Kaffee. Er schaltete seinen Rechner ein und schaute sich die eingegangenen Emails an. Die meisten davon warf er direkt in den virtuellen Papierkorb.

„Alles Müll, und das schon am frühen Morgen.“

Eine Email jedoch konnte er nicht so einfach entsorgen. Sie war vom Chef. Der Zeitungsverleger, Alexander Paffrath, regierte seine Zeitungsredaktion mit strenger Hand. Zeitweise behandelte er seine Angestellten wie kleine Kinder oder er wurde einfach cholerisch und tobte. Auch ein Chefredakteur hatte bei ihm nicht viel zu sagen. Diese liebenswürdige Person hatte Leon Walters beim Lesen der geöffneten Mail vor Augen.

„Mal sehen, was der Alte will. Der hing bestimmt wieder die ganze Nacht hier im Hause herum und hat sich nette, kleine Gemeinheiten für den Morgen ausgeheckt“, dachte Leon.

„Email von Paffrath an Walters: Seniorenresidenz Moselblick bietet heute eine Führung für die Presse an. Ihr Kollege, Tintzmann, ist krankheitsbedingt wieder mal ausgefallen. Übernehmen Sie den Auftrag. Ich erwarte einen zweispaltigen Artikel, etwa eine viertel Seite, für die morgige Ausgabe. Fühle mich Frau Liebenstein, der Leiterin der Einrichtung, sehr verpflichtet. Bitte beachten Sie das im Ergebnis. Termin heute 9:30 Uhr, Moselblick in Koblenz-Güls.

Paffrath.“

„Na toll, das klingt ja echt spannend – ein Artikel über eine Seniorenresidenz. Da schlafen mir ja schon beim Thema die Füße ein. So ein Mist. Und Fotos sind wahrscheinlich auch nicht drin, von wegen Datenschutz und so. Ich brauche bald einen anderen Job, wenn das so weitergeht. Und das nennt sich dann Pressefreiheit. Für diese Dinge werde ich langsam zu alt. Das kann er doch einen Praktikanten machen lassen.“ Leon Walters grummelte so noch eine Weile vor sich hin. Dabei wurde er still und unkommentiert vom Kollegen nebenan beobachtet.

„Es nützt ja nichts. Wenn der Chef seiner Freundin einen Artikel versprochen hat, dann muss der Walters sich eben etwas einfallen lassen. Also, Leon auf, fahr mal deine grauen Zellen hoch. Schauen wir mal, was das Internet über die Seniorenresidenz so hergibt“, sagte die innere Stimme von Chefredakteur Leon Walters.

Überlebenswichtig erschien ihm zunächst einmal die Verbindung von Paffrath zu Liebenstein. Der Hinweis in der Email bedeutete ja schließlich mehr oder weniger verklausuliert:

„Walters fahr mal da hin und schreib einen netten Artikel, der die Freundin Liebenstein über den grünen Klee lobt, sodass sie den alten Kumpel Paffrath auch liebhat, kostenlos in unserem Blatt werben kann und dafür bald wieder eine kostenpflichtige Anzeige schaltet.“

Und wie lieb, dass wollte Leon gerne möglichst genau vorher wissen.

Im Archiv fand er einige Vorlagen, von dem, was der Chef wohl gemeint hatte. Die Seniorenresidenz wurde vom Koblenzer Tageskurier für ihre mustergültige Altenpflege mit wegweisenden neuen Modellen gelobt. Natürlich war diese besonders herausgehobene und qualitativ einmalige Arbeit besonders einer Person zu verdanken: Anna Liebenstein, kaufmännische Direktorin der Seniorenstiftgruppe Gartenparadies.

Leon musste schmunzeln.

„Die Frau muss ja echt der Kracher sein. Freundin vom alten Paffrath und revolutionär in der Altenpflege. Was soll das heißen? Wird hier das Klopapier mehrfach verwendet und damit werden Millionen eingespart?“

Der Kaffee wirkte jetzt langsam. Er sagte zu sich selbst:

„Leon, reiß dich jetzt mal zusammen, sonst wirst du nie fertig mit diesem tollen Auftrag. Also weg mit dem Sarkasmus und fang endlich an mit seriöser Journalistenarbeit.“

„Hast du was gesagt?“, fragte sein Tischnachbar, der bisherige stille Beobachter des kleinen Schauspiels und ein Leidensgenosse aus der Sportredaktion.

„Nein, nein, hab nur laut gedacht.“ Für einen Moment dachte Leon, er würde verrückt. „Jetzt rede ich schon mit mir selbst oder meinem inneren Kumpel wie ein Schizophrener. Da wird wohl bald mal wieder ein Urlaub fällig.“

Er sammelte noch einige Daten zum Lebenslauf von Anna Liebenstein, suchte Daten zur Seniorenresidenz und vergeblich nach einem Zusammenhang zu Alexander Paffrath.

„Ich komm schon noch dahinter. Warts nur ab. – So, dann machen wir uns mal langsam auf den Weg. Vor Ort gibt es vielleicht die besten Informationen oder die leckersten Häppchen, wenn noch niemand da ist oder schon wieder alle weg sind. Alte Journalistenweisheit“, sagte Leon laut hörbar.

„Machen wir uns mal auf den Weg? Redest du mit deinem unsichtbaren Vogel auf der Schulter, Leon?“ Der Sportredakteur am Nachbarschreibtisch grinste Leon an.

„Du hast recht, das Ding werde ich wohl alleine schaukeln müssen. Aber meinen kleinen Vogel nehme ich mit. Komm, Hansi. Dann wünsch ich dir viele Tore und viel Spaß bei dem schönen Wetter im Oberwerther Stadion, lieber Kollege. Steigt der TUS denn irgendwann wieder auf?“

„Keine Ahnung, Leon. Wenn ich es weiß, bist du der Erste, der es erfährt, denn dann kriege ich endlich den Schreibtisch dahinten am Fenster in der Sonne“, sagte der Sportreporter.

„Träum weiter“, entgegnete Leon und ging gemächlich mit seiner alten Lederaktentasche unter dem Arm zum Fahrstuhl.

Durch die gläserne Wand am und um den Aufzug sah er den Verleger unten warten, offensichtlich, um in sein Büro ins oberste Stockwerk zu fahren. Er hatte seine Morgenrunde gedreht, wie jeden Morgen, um zu demonstrieren: „Schafft was, ich sehe alles.“

„Och, nee, nicht den am frühen Morgen.“ Leon flüchtete geistesgegenwärtig auf die Toilette und fuhr dann ein wenig später mit dem Fahrstuhl in die Eingangshalle.

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