Nadelstiche.
Der Sturm machte es ihnen fast unmöglich etwas zu hören, was
das Ganze noch gefährlicher machte.
An einer Weggabelung hielten sie an und lauschten.
„Dort vorne.“, zischte Kytschuld.
Cathrina konnte nichts hören. Erst als sie sich fest konzentrierte,
bemerkte auch sie das Gebrüll. Eigentlich war es nicht zu
überhören. Sie machten einen Lärm als hätten sie nichts zu
befürchten. Die drei warteten noch einige Minuten angespannt und
Cathrina rechnete damit, sie jeden Moment zwischen den Bäumen
hervorkommen zu sehen.
Irgendwann gab Hawke ihnen ein Zeichen und sie ritten los.
Zügig. Denn wenn sie langsamer geritten wären, hätte das
möglicherweise verdächtig ausgesehen. Sie mussten sich einfach
darauf verlassen, dass die Wilden ihnen folgen würden.
Und wie sie am Donnern der Hufen bemerkten, lagen sie damit
richtig.
Cathrina blickte über die Schulter nach hinten. Der Mann, der
vorneweg ritt war der Größte und sah am gefährlichsten aus.
Vermutlich ihr Anführer.
Sein Brustkorb, Hals und Gesicht waren mit seltsamen blutroten
Zeichen übersät. Cathrina konnte nicht sagen, ob sie nur aufgemalt
oder in die Haut eingebrannt waren. Sie gab Pollux die Sporen und
folgte Hawke und Kytschuld.
Nach einer Weile erreichten sie die Senke. Es sah aus, als wären sie
blind in eine Falle getappt. Ihre Verfolger waren ihnen dicht auf den
Versen.
Hawke hielt an und stieg vom Pferd.
Kytschuld und Cathrina taten es ihm gleich. Sie postierten sich an
seiner Seite. Es dauerte nicht lange, dann waren sie da.
Langsam kamen sie näher. Misstrauisch.
„Wieso verfolgt Ihr uns?“ Hawkes Stimme klang fest. Er war auf
alles vorbereitet.
Einen Moment lang schien es, als würde der Anführer kein Wort
verstehen. Cathrina sah nun, das die Zeichen nicht aufgemalt
waren.
Sie wurden ihm ins Fleisch gebrannt.
Er hatte mehr Brandmale als seine Gefährten. Unter ihnen waren
auch Frauen. Sie sahen kaum anders aus, als ihre Gefährten. Sie
hatten wilde Frisuren und Federn im Haar, ansonsten
unterschieden sie sich durch nichts von den Männern.
„Ihr seid des Todes!“, zischte der Anführer mit einem starken
Akzent.
„Ist dem so?“
„Ihr habt meine Männer getötet und nun werdet auch Ihr sterben.“
„Eure Männer haben uns angegriffen! Wir verteidigten uns
lediglich.“
„Das spielt keine Rolle … Ihr werdet sterben.“
„Wir werden sehen.“, Hawke zog sein Schwert und streckte es in
die Höhe. Das war das Zeichen für Embrico und die anderen.
Sie schossen im sauberen Halbkreis den Hang hinab. Jetzt saßen die
Wilden in der Falle.
Es war ein ungleicher Kampf. Die Männer des Königs waren in der
Unterzahl, doch das hinderte sie nicht daran bis aufs Blut zu
kämpfen.
Sie waren mächtige Krieger, jeder einzelne von ihnen.
Cathrina verlor schon bald den Überblick über das Schlachtfeld.
Sie konnte nicht einmal genau sagen, wer noch am Leben war … ob
überhaupt noch jemand am Leben war!
Sie kämpfte verbissen. Sie hatte Manus verloren.
Irgendwann hatte sie ihn nach einem Wilden geworfen. Mit
einer Klinge war sie wesentlich langsamer und lange nicht so
effektiv.
Sie brauchte ihn wieder. Also orientierte sie sich neu und versuchte
sich zu erinnern, in welche Richtung sie ihn geworfen hatte, was
gar nicht so leicht war, wenn man gleichzeitig zwei Wahnsinnige
davon abhalten wollte, ihr das Fleisch von den Rippen zu fressen.
Ja richtig.
Eine von den Frauen hatte sie vorhin tatsächlich in die Schulter
gebissen und dabei ein gutes Stück aus ihr herausgerissen. Die
Wunde blutete stark. Sie hatte genug.
Sie packte die Haare des Miststücks und ließ sie mit dem Gesicht
voraus gegen eine Baumstamm krachen. Die würde niemanden
mehr beißen.
Sie wirbelte herum, hielt Dextra dabei so in der Hand, dass die
Klinge an ihrem rechten Unterarm lag und schlitzte dabei dem
anderen die Kehle auf.
Sie spürte jemanden hinter sich.
Sie drehte den Dolch blitzschnell in ihrer Hand, fuhr zu ihrem
Angreifer herum und wollte ihm die Klinge gerade durch den Kiefer
stoßen, als sie in letzter Sekunde innehalten konnte. Es war
Kytschuld.
„Himmel!“, stieß er atemlos hervor, „Jetzt hätte ich mir doch
beinah in die Hosen gemacht.“ Cathrina stöhnte erschrocken,
wandte sich von Kytschuld ab und kämpfte sich weiter vor.
Sie entdeckte Manus im Herzen eines verwahrlosten Wilden, keine
zehn Schritte von ihr entfernt. Überall wurde gekämpft. Eine
Sekunde lang beobachtete sie Hawke. Sie war überrascht von der
Anmut, mit der er kämpfte. Seine Bewegungen waren fließend und
absolut tödlich.
Seine Schläge waren von einer unglaublichen Präzision, die kein
einziges Mal ihr Ziel verfehlten. Es war kein Wunder, dass er
Kommandant der Elitetruppe des Königs war.
Sie hatte noch keinen Krieger jemals zuvor so furchtlos kämpfen
sehen. Cathrina riss sich von diesem Anblick los.
Sie waren noch immer in der Unterzahl.
Einige der Männer mussten sich gleich gegen mehrere zur Wehr
setzen. Sie machte sich nichts vor. Ihre Chancen standen sehr
schlecht.
Kurz bevor sie Manus erreichen konnte tauchte eine Frau auf. Sie
war größer, als die anderen und ihre Male ließen vermuten, dass
sie die Frau des Anführers war.
Ihre Augen blickten wild und entschlossen. Sie grinste Cathrina an,
die darauf hin eine Gänsehaut bekam. Sie hatte etwas
Wahnsinniges an sich.
Sie ging leicht in die Hocke, hielt etwas in der Hand, das an ein
großes Küchenbeil erinnerte und bleckte abermals die verfaulten
Zähne.
Dann winkte sie Cathrina zu sich heran.
„Tu das nicht!“, es war Kytschuld, der das Schauspiel mit
angesehen hatte, „Sie wird dir die Haut abziehen.“
„Das soll sie ruhig versuchen.“, murmelte Cathrina und ging der
Frau entgegen. Sie atmete tief durch und ihr war bewusst, dass
dies ihr bisher schwerster Kampf werden würde.
Sie brachte sich in Position, fixierte ihre Gegnerin, reckte das Kinn
vor und machte sich bereit. Noch immer hatte sie Manus nicht
erreichen können. Also beschloss sie den Überraschungseffekt zu
nutzen und tat etwas, womit ihre Kontrahentin sicherlich nicht
rechnen würde; Sie rannte geradewegs auf sie zu.
Bevor diese etwas tun konnte, schlug Cathrina einen Haken. Sie
riss Manus aus dem Herzen des Gefallenen und stellt sich ihr nun
mit beiden Dolchen gegenüber.
Cathrina konnte sehen, dass es ihrer Gegnerin nicht sonderlich
gefiel, dass diese nun besser bewaffnet war, als noch zuvor.
Sie stürmte auf Cathrina zu, das Beil hoch über dem Kopf erhoben.
Diese konnte sich gerade noch rechtzeitig bewegen, sie kreuzte die
Klingen und versuchte mit aller Macht die Waffe von ihrem Gesicht
fern zu halten.
Ihre Gegnerin war unglaublich stark. Cathrina hatte große Mühe,
nicht nachzugeben. Mit allerletzter Kraft schaffte sie es, das Beil
von sich abzulenken. Es streifte dennoch ihre linke Wange. Sie
spürte, wie warmes Blut von ihrem Kinn tropfte.
Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte sie es weg. Sie biss
die Zähne zusammen. Die Frau lachte. Es war ein kehliges Lachen,
das einem die Haare zu Berge stehen ließ.
Cathrina weigerte sich, diese Demütigung hinzunehmen und holte
aus. Mit schnellen Bewegungen hieb sie auf ihre Gegnerin ein, die
sie geschickt, aber nicht sonderlich elegant abwehrte. Einige Male
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