Stefan P Moreno
Die Legende von der Siebener Parabel
Erster Teil
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Stefan P Moreno Die Legende von der Siebener Parabel Erster Teil Dieses ebook wurde erstellt bei
Ankunft in San Diagos
Harlekin
Miranda
Major Kamikaze
Madame Sophie Faunette
Federico
Das Begrüßungsfest
Der Morgen danach
Die Erbschaft
Esmeraldas Brief
Kamis geht eigene Wege
Die Ballonfahrt
Die Legende
Ein aufregender Marktbesuch
Lucia
Joaquins Geständnis
Der Tag der Entscheidung
Die Erscheinung
Kamis Entscheidung
Der Friedhofs Besuch
Die Vorbereitungen beginnen
Abreise nach Irland und Harlekins Geburtstag
Francis Sutherham
Eine unangenehme Überraschung
Die Dinge überschlagen sich
Meeresrauschen und Möwenschiet
Der magische Spruch, ein lupenreiner Looping
Aufbruch nach Stonehenge
Das Abenteuer beginnt
Eine böse Überraschung
Der Pfad der 1000 Schilder
Impressum neobooks
Es war ein wunderschöner Sommerabend. Die Luft war lau und die leichte Brise sorgte in kurzen, regelmäßigen Abständen für eine erfrischende Abkühlung. Da sich die meisten Menschen immer noch im Schutze ihrer vier Wände aufhielten, sahen sie die männliche Gestalt nicht, die langsam die staubige und leer gefegte Straße entlang schritt und aufmerksam mit den Augen die Häuser taxierte, als würden sie nach etwas Ausschau halten. Aus der Ferne erklang von irgendwo her südländische Musik. Die Lippen des jungen Mannes verzogen sich zu einem Lächeln und schnitten leichte Grübchen in das von der Sonne gezeichnete Gesicht. Joaquin liebte Musik über alles und er konnte es sich nicht verkneifen, seine Schritte tänzelnd zur Musik zu bewegen. Seine hellblauen, klaren Augen nahmen einen strahlenden Glanz an und es schien, als würde neues Leben seinen müden Körper durchströmen. Endlich war er nach vierstündigem Fußmarsch an seinem Zielort San Diagos angekommen.
Die Hitze hatte ihm in den letzten Stunden ziemlich zugesetzt und freiwillig hätte er den langen Fußmarsch wohl niemals auf sich genommen, aber er hatte keine andere Wahl gehabt, als er am späten Nachmittag von der fünfzehn Kilometer entfernten Großstadt aufgebrochen war. Um 20 Uhr musste er sein Ziel erreicht haben. Der kleine Ort San Diagos lag eingebettet in einer staubigen Wald und Hügellandschaft. Heute war Sonntag und die öffentlichen Verkehrsanbindungen waren in dieser Gegend so gut wie eingestellt. Ein Taxi wäre noch eine Alternative gewesen, aber ausgerechnet heute streikten die Taxifahrer in Spanien, um auf ihre schlechte Bezahlung und die ständig steigenden Benzinpreise aufmerksam zu machen. Aber immerhin war die lange Zugfahrt von Deutschland nach Spanien ruhig verlaufen, die er die meiste Zeit in einem Schlafwagenabteil verbracht hatte. Der junge Mann schmunzelte.
„In Zeiten der Globalisierung sind die kurzen Strecken manchmal aufwendiger als die langen“, stöhnte er vor sich hin.
Die Zeit schien in dieser Gegend irgendwie stehen geblieben zu sein, scheinbar verschont vom immer schnelleren und rasant vorangetriebenen Fortschritt Europas. Nur wenige Menschen waren ihm auf der Straße begegnet. Was ihm eigentlich aber auch recht war. Es hätte mit der Kommunikation sowieso nicht geklappt, da er die Landessprache, das Spanische, nicht beherrschte.
Schweißperlen bedeckten das schmale, kantige Gesicht des jungen Mannes. Die blauen Augen und die fein geschnittene Nase gaben ihm etwas Jugendliches. Seine hellbraunen Haare glänzten feucht. Nur der leicht aufkommende Abendwind spendete ein wenig Abkühlung. Die Nachmittagshitze hatte ihre Spuren hinterlassen und rötlich glühten die Wangen in dem sonnenverbrannten Gesicht. Zum wiederholten Male strich sich Joaquin mit seinen zarten, schmalen Fingern die feuchten Haarsträhnen aus der Stirn. Das weiße Baumwollhemd klebte an seinem schlanken, muskulösen Oberkörper, und das geöffnete Hemd ließ eine breite, leicht gerötete und wenig behaarte Brust erkennen. Gott sei Dank hatte er nur einen kleinen Rucksack zu tragen, an dem ein paar Lederstiefel baumelten. Quer über den Rucksack geworfen lag ein schwarzer Mantel - ebenfalls aus dünnem Leder. Um die Taille trug er eine Gürteltasche, an der eine Trinkflasche befestigt war und aus der er in den letzten Stunden reichlich getrunken hatte. Seine gut geschnittene, schwarze Baumwollhose war bedeckt vom Staub der Straße. Seine Füße schmerzten leicht, da er sich unterwegs der Strümpfe und Stiefel entledigt hatte und sich ständig kleine, sandige Kieselsteine in die nackten Fußsohlen bohrten. Aber bald würde er seinen Zielort erreicht und die Reisestrapazen ein Ende haben!
Das Haus, nach dem er suchte, sollte abseits der Straße in der Nähe einer kleinen Waldlichtung liegen, aus braunen Natursteinen erbaut und mit einem Strohdach versehen.
Der junge Mann blieb stehen, um eine der kleinen Pausen einzulegen, die er sich in regelmäßigen Abständen gönnte. Er nahm einen Schluck aus der Trinkflasche. Das Wasser war warm und schmeckte fade. Dann griff er mit der linken Hand in die Gürteltasche und zog eine Landkarte heraus, auf der sich einige Aufzeichnungen und Skizzen befanden. Er bewegte sich momentan auf der Hauptstraße von San Diagos, musste diese aber nun laut Karte verlassen, um links einem Waldpfade zu folgen. Nach weiteren achthundert Metern würde er zu seinem Zielort gelangen. Er steckte die Karte wieder ein.
„Auf zum Endspurt!“ sagte er aufmunternd zu sich selbst und setzte sich wieder in Bewegung, um die letzte Etappe zu meistern. Schon nach fünfzig Metern entdeckte er den Pfad zur linken Seite und bog von der Straße ab.
„Oft wird dieser Waldweg wohl nicht begangen“, murmelte Joaquin leise.
Hohes Gras und Gestrüpp pflasterten den schmalen Weg und seine Füße schmerzten wieder, da sich das ausgedörrte, trockene Gestrüpp wie spitze Nägel in seine nackten Fußsohlen bohrte. Gereizt schob er die von den Bäumen herab hängenden Zweige zur Seite, die sich ihm in den Weg stellten, sein von der Sonne strapaziertes Gesicht streiften und einen höllischen Schmerz auf den Wangen verursachten. Joaquin hatte während des langen Fußmarsches genügend Zeit gehabt, sein bisheriges Leben im Geiste Revue passieren zu lassen, und obwohl sein äußeres Erscheinungsbild es kaum vermuten ließ, hatte er schon Einiges im Leben durchstehen müssen. Vieles davon war rätselhaft gewesen und er trug einige Geheimnisse mit sich herum. Die letzten Monate in Deutschland waren eine Zeit des Stillstandes gewesen - privat wie beruflich. Nichts wollte ihm so recht gelingen! Was immer er in den letzten Monaten auch angepackt hatte, schien irgendwie auf Widerstand zu stoßen, nichts schien richtig vorangehen zu wollen und er hatte nicht herausfinden können, woran es gelegen hatte! Es hatte Augenblicke gegeben, in denen ihn das unbestimmte Gefühl übermannt hatte, eine höhere Macht würde seine Vorhaben durchkreuzen wollen! Irgendwann hatte sich Resignation bei ihm breit gemacht und er hatte mit dem Schicksal gehadert. Immer und immer wieder hatte er sich eingeredet, dass solche Phasen zum Leben dazu gehörten und dass man immer schön am Ball bleiben sollte, bis es endlich wieder aufwärts ging.
„Am Ball bleiben“, dachte Joaquin und schmunzelte spöttisch. „An welchem Ball bleiben?“ Hatte alles vielleicht mit seiner Vergangenheit zu tun? Er kämpfte sich weiter durch das trockene Gestrüpp.
Er war ein Waisenkind, aufgewachsen in einem katholischen Kinderheim bei Nonnen - und das seit seinem vierten Lebensjahr. Dazu ein zweijähriges Missverständnis in einer bürgerlich spießigen Pflegefamilie, in der man ihn behandelt hatte, als wäre er ein Verbrecher und Taugenichts. Im zarten Alter von dreizehn Jahren wurde er auf ein Internat geschickt, wobei ihm bis heute nicht klar war, wer das alles bezahlt hatte. Seine Eltern hatte er sehr früh verloren. Sein leiblicher Vater war kurz nach seiner Geburt gestorben. Über ihn wusste er so gut wie gar nichts. Unter welchen Umständen sein Vater gestorben war, hatte er nie erfahren! Seine Mutter hatte den Tod ihres Mannes nie überwunden, war daran zerbrochen und hatte ihn, Joaquin, dann einfach im Stich gelassen. Sie war aus heiterem Himmel einfach wie vom Erdboden verschwunden und niemand wollte oder konnte ihm damals sagen, wo sie geblieben war. So hatte man es ihm zumindest damals im katholischen Waisenstift erzählt und diese Version galt als offiziell. Eigene Nachforschungen, die er Jahre später anstellte, verliefen im Sande und es war, als ob es seine Mutter nie gegeben hätte.
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