1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Er beugte sich zu ihr hinunter. Er berührte sie nicht, sondern legte
einfach seine Lippen ganz leicht auf die ihren. Mia schlug das Herz
bis zum Hals. Sie schloss die Augen und gab sich dem Kuss, der
nicht mehr war als ein zarter Flügelschlag, sich jedoch so unendlich
richtig anfühlte hin.
Und dann war es vorbei.
Kite spielte mit einer ihrer dunkelbraunen Locken.
„Ich werde hier auf Euch warten.“
Noch bevor Mia etwas erwidern konnte, war er auch schon
verschwunden und ließ sie unendlich einsam zurück.
Das Abendessen wurde im allgemeinen Schweigen eingenommen.
Ausnahmsweise war die ganze Familie anwesend. Einschließlich
Cailan und Leelu. Anthonius saß an der Stirnseite und sagte kein
einziges Wort.
Cathrina und Mia gingen in Gedanken noch einmal den morgigen
Ablauf durch und waren schon den ganzen Tag stiller als
gewöhnlich. Leelu jedoch kaute auf ihrer Unterlippe herum, was
für sie mehr als untypisch war. Auch sie schien das Ganze mehr
mitzunehmen als Cathrina gedacht hätte.
„Wann werdet Ihr dann wieder da sein?“, fragte sie nun und
durchbrach damit das Schweigen.
„Wir wissen es nicht genau. Das kommt darauf an, wie gut wir
vorankommen.“ Leelu nickte und senkte den Blick wieder auf den
Teller.
Das Essen war heute eine bedrückende Angelegenheit und
Cathrina konnte es kaum erwarten bis es endlich vorbei war.
Es dauerte auch nicht sehr lang da stand Anthonius auf.
„Ich werde morgen früh nicht dabei sein, wenn ihr aufbrecht.“
Die drei Schwestern und selbst Cailan sahen ihn überrascht an.
Hielt er es denn nicht einmal für nötig seine beiden Töchter
gebührend zu verabschieden, dachte Cathrina und spürte Zorn in
sich aufwallen. Sie würden sehr lange fort sein und niemand konnte
vorhersehen, wie die ganze Geschichte ausgehen würde.
„Ich werde morgen in Cor Antallin erwartet. Ich wünsche Euch eine
gute Reise. Und Cathrina …“ ,diese hob den Blick und sah ihn an,
„dass Ihr mir keine Schande macht. Ihr seid mit dem
Kommandanten der Elitetruppe des Königs unterwegs, das solltet
Ihr niemals vergessen!“, mit diesen Worten wandte er sich ab und
verließ den Speisesaal. Cathrina spürte das Beben, das ihren Körper
erfüllte.
Meine lieben Kinder, ich bedaure es sehr, dass Ihr auf diese
gefährliche Reise gehen müsst. Das Haus wird unendlich leer sein,
wenn Ihr nicht hier seid. Ihr werdet mir fehlen und kommt sicher
und wohlbehalten wieder nach Hause.
Wäre das denn wirklich zu viel verlangt gewesen?! Nicht genug,
dass er es nicht mal für nötig befand sie zu verabschieden, er
musste sie auch noch demütigen.
Wutentbrannt stand sie auf und warf ihre Serviette auf den Tisch.
„Cathrina!“, hörte sie Leelu hinter sich herrufen, doch sie ignorierte
sie. Als sie vor ihrem Schlafgemach ankam, hatte Leelu sie
eingeholt.
„Warte,“, schnaufte sie, völlig außer Atem und Cathrina wandte
sich zu ihr um, „sei ihm nicht böse. Er hat gerade viel um die
Ohren und es sicher nicht so gemeint.“
Cathrina stieß die Tür auf, die gegen die Wand schlug und stapfte
ins Zimmer.
„Hör auf ihn andauernd in Schutz zu nehmen!“, fauchte sie ihre
Schwester an, die ihr gefolgt war und sie zuckte zurück, „Du hast
das Gespräch eben mitbekommen! Du warst beim Abendessen
dabei! Also erzähl mir bitte nicht, er habe es so nicht gemeint, denn
genau das hat er!“
Cathrina warf ihren Waffengürtel auf das Bett. Sie hätte nicht
übel Lust das Ding quer durchs Zimmer zu werfen. Doch sie trug
bereits die neuen Dolche und verbot es sich, so respektlos mit
ihnen umzugehen.
Und sie wusste, dass Leelu es missbilligen würde.
„Ich verstehe einfach nicht, wieso er mich dermaßen verabscheut.“
„Das tut er doch gar nicht.“
Cathrina schnaubte nur verächtlich: „Kein anderer Vater hätte sich
so verhalten! Niemals!“
Selbst Leelu wusste darauf nichts zu sagen. Auch sie hatte das
Verhalten ihres Vaters schon oft in Frage gestellt, wollte sich das
vor Cathrina aber nicht eingestehen.
„Ihr werdet doch vorsichtig sein, nicht wahr?“
Cathrina hob den Blick und konnte gerade noch sehen, wie Leelu
krampfhaft blinzelte, um ihre Tränen zu verbergen.
„Natürlich werden wir das.“
„Das ist gut.“, sie wandte sich zum Gehen, „Du bist die Fähigste
von uns. Wenn du es nicht schaffst, diese Reise unbeschadet zu
überstehen, schafft es keiner.“
Ihre Worte ehrten Cathrina und sie fasste sich ein Herz, ging auf
ihre Schwester zu und nahm sie kurz in den Arm: „Ich werde dafür
sorgen, dass Mia wieder heil nach Hause kommt.“
„Daran habe ich keinen Zweifel. Aber es ging mir um dich, nicht
nur um sie. Auch du sollst gesund wieder Heim kehren.“
„Ich werde mein Bestes tun.“
„Ja. Ich weiß.“, sie lächelte traurig und ging hinaus.
Diese Nacht war noch viel schlimmer, als die vorige.
Doch dieses Mal zwang sich Cathrina liegen zu bleiben, in der
Hoffnung endlich einzuschlafen. Und als es ihr dann endlich gelang
klopfte auch schon Mharen an die Tür, eine Öllampe in der Hand
und sagte, dass es Zeit wäre.
Also stand sie auf, wusch sich und zog sich ihre Sachen an, die sie
am Abend zuvor zurechtgelegt hatte.
Sie knöpfte das langärmlige Hemd zu, schlüpfte in ihr Lederkorsett,
das sie darüber zog und eng verschnürte. Dann zurrte sie ihren
Waffengürtel fest und fuhr gedankenverloren über die weißen
Griffe, die beruhigend glänzten.
Nun war es also soweit.
Sie schlüpfte in ihre dunklen Lederstiefel und ließ den Blick durch
den Raum schweifen. Sie hoffte, dass sie je wieder hierher
zurückkehren würde.
Sie holte tief Luft und schloss die Tür hinter sich.
Mharen wollte sie dazu bringen, noch etwas zu essen, doch sowohl
sie, als auch Mia hatten keinen Hunger. Also umarmte sie die
Mädchen noch einmal und wünschte ihnen viel Erfolg. Draußen
wartete Benedictus mit den Pferden auf sie.
Er sah müde aus. Er half ihnen, alles festzumachen, dass auch
nichts verrutschen konnte. Pollux wieherte ungeduldig und
Cathrina schwang sich in den Sattel.
„Alles Gute.“
„Passt gut auf Mharen auf, während wir nicht da sind.“
„Natürlich, Miss!“
Cathrina warf Mia einen fragenden Blick zu und als diese nickte
drückte sie ihre Fersen in Pollux Seite und sie ritten gemeinsam los.
Sie trafen Hawke und den Rest der Gruppe an der Pforte zu
Ascardia, die von zwei großen Eichen gesäumt wurde.
„Sind alle bereit? Vor uns liegt ein langer Weg.“
Er wartete die Antwort nicht ab: „Kytschuld, Embrico, Ihr bildet die
Spitze. Jakoff und Melchior, Ihr reitet hinterher. Melissa, Ihr haltet
Euch direkt hinter ihnen, zusammen mit Ticzco. Cathrina, ihr folgt
mit Balthasar. Leupold, Ihr bildet mit mir den Schluss.
Haltet immer schön die Augen offen. Solange wir noch in Kalides
sind, droht uns wenig Gefahr. Die Patrouillen machen ihre Arbeit
sehr gründlich. Doch wenn wir erstmal die Grenze überschritten
haben, beschützt uns niemand mehr. Fertig? Gehen wir!“
Sie folgten rasch seinen Anweisungen und ritten zügig los. Sie
zogen Richtung Westen und nahmen den direkten Weg durch den
Wald.
Es war sehr still und lange Zeit sagte niemand ein Wort.
Als sie ungefähr drei Stunden über einigermaßen befestigte
Straßen geritten waren, ging die erste Sonne langsam auf und der
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