„Mag sein. Aber es schmeckt wirklich ausgezeichnet. Wartet ab.“
Es wurde spät. Der Himmel war wolkenlos und zeigte sich in seiner
ganzen Pracht. Es war Vollmond. Nun das war nichts
Ungewöhnliches. Einer der drei Monde war meistens voll. Aber sie
spendeten ein angenehmes Licht und ließen die Nacht weniger
finster erscheinen.
Das Reh war endlich fertig und dank Mias Kräutermischung
schmeckte es wirklich vorzüglich. Schon bald wurde es still im
Lager. Cathrina war in dieser Nacht von der Wache verschont
geblieben. Ticzco würde die erste Schicht übernehmen. Sie
vermutete, dass Hawke ihn damit bestrafen wollte. Er schien
unendlich müde, musste nun aber noch weitere drei Stunden
ausharren, bevor er sich hinlegen konnte.
Sie wartete noch eine Weile ab und sah sich dann um. Mia atmete
gleichmäßig auf ihren Fellen. Sie war sofort eingeschlafen. Auch
von den anderen Männern rührte sich niemand. Hier und da
schnarchte jemand.
Ticzco, der am Feuer saß, beachtete sie nicht, als sie vorsichtig
aufstand. Da Cathrina über einen ausgezeichneten
Orientierungssinn verfügte, hatte sie schon bald und ohne Umwege
den See erreicht.
Sie blickte sich noch einmal um. Niemand war zu sehen. Also
schnürte sie ihr Korsett auf, streifte ihr Hemd von den Schultern,
schälte sich aus ihrer engen Hose und lies sich ganz langsam ins
Wasser gleiten.
Sie konnte nicht ahnen, dass sie zu diesem Zeitpunkt gleich von
zwei Männern beobachtet wurde.
Er verbarg sich im Dunkel der Bäume. Sie war nicht die einzige, die
sich leise durch den Wald bewegen konnte.
Er sollte nicht hier sein. Das wusste er. Nicht auszudenken, wie
sie reagieren würde, wenn sie mitbekam, dass ausgerechnet er sie
beobachtete.
Das hatte er eigentlich auch gar nicht vorgehabt. Er hatte bemerkt,
wie sie sich aus dem Lager davon stahl und wollte wissen wohin sie
ging. Natürlich hätte er sich denken können, dass es ihr nach einem
Bad verlangte.
Cathrina mochte zwar eine Kriegerin sein, aber sie war immer
noch eine Frau. Und nach der heutigen Schlacht war es ihr nicht zu
verdenken.
Sie hatte ihn tief beeindruckt. Mehr, als er sich selbst
eingestehen wollte. Sie war wie eine Kriegsgöttin auf dem
Schlachtfeld umher gejagt. Vollkommen ohne Angst und
wunderschön. Außerdem war sie fähig. Er hatte noch niemanden
gesehen, der so gut mit einem Dolch umgehen konnte wie sie.
Eine kleine Waffe, die die meisten nicht einmal ernst nahmen, in
ihrer Hand so tödlich, wie eine Streitaxt.
Sich in ihrer Nähe aufzuhalten brachte ihn an seine Grenzen.
Dabei hatte sie nicht die leiseste Ahnung, was er für sie empfand.
Und sie würde es auch nie erfahren, dafür musste er nur sorgen.
Und dann hielt er sich hier auf, an diesem Ort!? Wo er nur eine
falsche Bewegung machen musste und entdeckt werden konnte!?
Töricht. Überaus töricht.
Er stellte sein Glück wahrhaft auf die Probe, das war ihm klar. Und
doch konnte er nicht anders. Seit er sie das erste Mal sah, hatte er
sie schon begehrt. Und mehr.
Er konnte viele Frauen haben. Er war ein Krieger. Doch keine dieser
Frauen war Cathrina.
Er beobachtete, wie sie sich langsam ins Wasser gleiten ließ. Das
Mondlicht schimmerte silbern und ließ ihren Körper strahlen. Sie
wirkte so verletzlich, wie aus einem dünnen, kostbaren Glas, das
jeden Moment zerspringen konnte.
Ein Grund mehr, sich von ihr fern zu halten.
Auch wenn es ihm noch solche Qualen bereiten mochte. Er musste
sich von ihr fern halten.
Es stand zu viel auf dem Spiel.
Ein anderer Schatten nicht weit entfernt betrachtete belustigt das
Schauspiel, das sich ihm bot. Er hätte brüllen mögen vor Entzücken.
Er hatte seine Befehle und gerade war ihm ein Wink des Schicksals
ins Haus geflattert. Eine Schwäche, von der er zuvor noch keine
Ahnung hatte.
Das Glück war auf seiner Seite.
Er wusste noch nicht, wie er es zu seinem Vorteil nutzen konnte.
Doch er würde es tun.
Und Cathrina DuPuis war sein Schlüssel.
Sie war seine Schwäche. Und sie wusste es nicht einmal! Wie
überaus köstlich!
Er musste gehen, bevor sein Verschwinden bemerkt wurde.
Vorsichtig zog er sich zurück.
Folgenschwere Begegnungen
Die erste Sonne ging auf und Cathrina öffnete die Augen. Nach dem
Bad letzte Nacht hatte sie sich erfrischt und wie neugeboren
gefühlt.
Davon war jetzt nichts mehr zu spüren. Sie fühlte sich wie
erschlagen. Jeder Muskel tat ihr weh. Leise stöhnend setzte sie sich
auf. Mia schlief noch, doch einige der Männer waren schon wach.
Kytschuld ging gerade herum und weckte die Verbliebenen, nicht
gerade rücksichtsvoll. Bei Mia jedoch hockte er sich hin und
berührte sanft ihre Schulter. Sofort schlug sie die Augen auf.
Ihr war nicht entgangen, mit welch großem Respekt jeder einzelne
von ihnen die junge Heilerin behandelte.
Cathrina war dankbar dafür.
Soldaten waren nicht gerade für ihre Höflichkeit bekannt. Sie
galten eher als brutale Barbaren. Hier jedoch traf das nicht zu.
Mit ihr wurde meist nicht viel gesprochen und das war Cathrina nur
recht. Belanglose Plaudereien oder oberflächliches Geplänkel
interessierten sie nicht. Wenn sie etwas zu sagen hatte, sagte sie
es. Sonst hielt sie lieber den Mund.
Dieses hirnlose Geschnatter, das einige der jungen Frauen in
Ascardia ohne jeden Zweifel perfekt beherrschten ging Cathrina
lediglich auf die Nerven und bereitete ihr Kopfschmerzen.
Nyze war zum Beispiel eine dieser Kandidatinnen. Sie hasste
Cathrina.
Diese konnte sich das zwar nicht erklären, denn sie hatte ihr nie
einen Anlass dafür gegeben, war aber auch nicht gerade erpicht auf
deren Gesellschaft.
Mia hatte einmal angedeutet, dass sie sich sehr wohl denken
konnte, weshalb Nyze sie nicht ausstehen konnte.
Das hing wohl mit Kristan zusammen, der es nicht müde wurde
hinter Cathrina herzuspringen, wie ein räudiger Köter.
Sie konnte sich aber nicht erklären, was das mit Nyzes Abscheu ihr
gegenüber zu tun haben sollte. Kristan machte jedem Rock in
Ascardia schöne Augen.
Mia meinte aber, dass sie für Nyze eine größere Konkurrenz
darstellte. Kristan hegte Cathrina gegenüber angeblich festere
Absichten.
Cathrina war es einerlei. Von ihr aus konnte sie Kristan gerne
geschenkt haben. Auf seine anzüglichen Bemerkungen konnte sie
getrost verzichten.
Sie wunderte sich über ihre abstrusen Gedanken an diesem
Morgen. Schließlich gab es Wichtigeres, über das sie sich den Kopf
zerbrechen konnte. Kristan und Nyze sollten nicht dazu gehören.
Sie stand auf, kämmte sich mit ihren Fingern mehrmals durch die
dunklen Haare und band sie dann schnell zu einem Pferdeschwanz
zusammen.
Das war einfacher und praktischer als sie offen zu tragen. Einige
der vorderen Strähnen lösten sich wieder eigenwillig aus dem
Lederband. Wie immer.
Cathrina war durch und durch praktisch veranlagt. Sie hielt nichts
davon sich stundenlang vor einem Spiegel zu frisieren, um dann
beim ersten Windstoß einen Nervenzusammenbruch zu
bekommen. Auch das hatte sie schon erlebt und war in schallendes
Gelächter ausgebrochen. Das hatte sie nicht unbedingt beliebter
gemacht. Wer zu viel Wert auf sein Äußeres legte, hatte hier
schlechte Karten. Keiner der Krieger würde sie ernst nehmen, wenn
sie plötzlich mit schillerndem Kopfschmuck durch die Gegend
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