stolzierte. Und Cathrina wollte ernst genommen werden.
Nicht, dass sie schlecht aussah. Ganz im Gegenteil. Sie war groß,
auch wenn die meisten Männer sie noch immer überragten. Ihre
Figur war schmal und sehnig. Ihr Gesicht war relativ unspektakulär,
wie sie fand. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine zierliche Nase,
doch das Beste waren ihre Augen: sie waren von einem
strahlenden Eisblau, umrahmt von dunklen Wimpern.
Sie schüttelte den Kopf und fuhr fort, ihre Ausrüstung
einzusammeln. Irgendwie schien sie heute nicht, sie selbst zu sein.
Cathrina legte sich den Gürtel um die Hüfte und sicherte gerade die
Dolche als sich Mia zu ihr gesellte.
„Gut geschlafen?“
„Soweit. Und du?“
„Ja ich war hundemüde.“
„Das habe ich gesehen. Du hast sofort geschlafen.“
„Männer,“, Hawkes Stimme donnerte über die Lichtung, „wir
werden heute den Wald hinter uns lassen und die weiten Wiesen
und Felder von Lu’yasa erreichen. Ich bin mir nicht sicher, was
genau uns dort erwarten wird. Lu’yasa ist ein freies Gebiet.
Niemand herrscht über dieses Land und es wäre gut möglich, dass
wir die eine oder andere unangenehme Überraschung erleben
könnten. Seid also auf alles vorbereitet. Haltet die Augen offen und
bleibt wachsam. Wenn alle bereit sind, reiten wir los.“
Sie machten sich wieder an die Arbeit und es dauerte einige
Minuten bis alles zusammengepackt war.
„Embrico, Ihr überprüft die Gegend. Solltet Ihr irgendetwas
Ungewöhnliches bemerken, egal was es ist, kommt Ihr zurück. Ich
traue dieser Ruhe nicht. Irgendjemand muss wissen, dass wir da
sind. Es wundert mich, dass wir bisher noch keinen Besuch hatten.“
Hawkes Worte taten ihre Wirkung, auch auf die anderen Krieger
und versetzte sie in höchste Alarmbereitschaft.
Kurze Zeit später brachen sie auf.
Es war noch nicht Mittag, da zogen allmählich dunkle Wolken auf
und verdüsterten die Sonnen. Es sah nach Regen aus. Der Wald
begann sich zu lichten als ihnen auf einmal ein kalter Wind über
das Gesicht fegte.
Er wurde innerhalb kürzester Zeit so stark, dass sie Mühe hatten
voranzukommen. Bald regnete es in Strömen und man konnte die
Hand vor Augen kaum noch sehen.
Hawke hatte kein Erbarmen. Er schien fest entschlossen den Wald
so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.
Kytschuld ließ sich zurückfallen und wartete auf ihn.
„Kommandant, wir sollten uns schnell einen Unterschlupf suchen,
bevor dieser Sturm noch schlimmer wird.“, wie zur Bestätigung
zuckte ein Blitz über den schwarzen Himmel. Hawke sah seinen
ersten Heerführer genervt an.
„Er wird schlimmer. Daran besteht kein Zweifel. Es fängt gerade
erst an.“
„Wovon sprecht Ihr?“
„Das ist kein gewöhnlicher Sturm. Das Wetter in Kalides ist
beständig. Dieser Sturm kam viel zu plötzlich, um natürlich zu sein.“
Kytschuld sah ihn verständnislos an.
„Sie weiß, dass wir auf dem Weg zu ihr sind.“
Noch bevor Kytschuld fragen konnte, was sein Kommandant damit
meinte, tauchte Embrico auf. Durchnässt bis auf die Knochen.
„Hauptmann!“, er ritt auf Hawke zu und schien Mühe zu haben
seine Gedanken zu ordnen.
„Beruhigt Euch, Embrico und sagt mir was los ist.“
„Es sind die Wilden. Sie verfolgen uns.“
Die Reiter blieben in respektvollem Abstand stehen und lauschten
auf Embricos Bericht.
„Es sind viele, mindestens zwanzig Mann und bewaffnet bis an die
Zähne.“
„Ich wusste es! Genau davor hatte ich Euch gewarnt! Wir hätten
das verhindern können, wenn Ihr nur auf mich gehört hättet!“
„Haltet endlich den Mund!“, fauchte Cathrina ihn an. Nicht nur
Ticzco war von ihrem Ausbruch überrascht, „Als ob das jetzt noch
eine Rolle spielen würde! Viel wichtiger ist doch, wie viel Vorsprung
wir noch haben.“
Embrico, nicht sicher, ob er antworten sollte, sah Hawke fragend
an. Dieser nickte nachdenklich.
„Ja Embrico. Wie lange dauert es noch, bis sie uns einholen?“
„Zwei, vielleicht drei Stunden.“ Das war nicht viel.
„Was schlagt Ihr vor, Hauptmann?“
Hawke blickte Richtung Himmel: „Vielleicht ist das Gewitter
genau das, was wir brauchen … Embrico, wir brauchen einen
Platz, an dem wir sie erwarten können.“
„Einen Hinterhalt? Ihr schlagt einen Hinterhalt vor? Das ist Euer
grandioser Plan?“ Hawke hatte genug von Ticzco.
„Wenn Ihr Euch meinen Anforderungen nicht gerecht fühlen solltet,
dann sagt es jetzt. Sofort!“
Wie auf einem stummen Befehl hin zogen die Krieger, die Ticzco
am nächsten waren ihre Waffen und hielten sie ihm entgegen.
Cathrina eingeschlossen. Pollux wieherte leise. Er schien das
nahende Unheil zu spüren.
„Wir dienen unserem Vaterland …“, begann Kytschuld den Eid der
Kompanie.
„und unserem König! …“, Melchior.
„Wir werden sie verteidigen und ehren! …“, Balthasar.
„Mit unserem Schweiß und unserem Blut! …“, Leupold.
„Und wenn wir dafür unser Leben lassen müssen, …“, Jakoff „soll es
so sein und wir werden mit Stolz und Würde in den Tod gehen!“,
endete Cathrina feierlich und funkelte Ticzco zornig an.
„Entscheidet Euch, Ticzco. Wenn Ihr nicht mit uns kämpft, seid Ihr
gegen uns.“
Dieser schluckte schwer. Er hatte einen gewaltigen Fehler
begannen. Kytschuld und die anderen kämpften schon sehr lange
an Hawkes Seite und waren ihm treu ergeben. Cathrina, die selbst
zwar erst seit ein paar Jahren in der Kompanie diente nahm ihren
Schwur nicht auf die leichte Schulter. Sie diente ihrem König und
somit Hawke. Und wenn es ihr Leben kosten würde, dann sollte es
eben so sein.
„Nun, Ticzco? Uns läuft langsam die Zeit davon.“
„Natürlich kämpfe ich an Eurer Seite!“, seine Stimme zitterte leicht
und er räusperte sich schnell als er es bemerkte.
„Seid Ihr Euch sicher? Ich weiß nicht, ob ich meine Männer das
nächste Mal zurückhalten kann …“
„Ich bin sicher, Hauptmann! Verzeiht, dass ich Eure Entscheidung
angezweifelt habe.“
„Nun gut.“, er nickte seinen Soldaten zu und bedeutete ihnen, die
Waffen sinken zu lassen, doch sie ließen Ticzco noch einige
Sekunden warten. Schließlich steckten sie sie zurück.
„Ich behalte Euch im Auge.“, zischte Kytschuld Ticzco noch zu,
bevor er sich wieder Hawke zuwandte.
„Nun, Embrico?“
„Es gibt eine Stelle, weiter nördlich von hier. Dort ist eine kleine
Senke. Wir könnten unsere Männer auf den Anhöhen postieren,
um sie zum richtigen Zeitpunkt angreifen zu lassen.“
„Darf ich einen Vorschlag machen, Ser?“
„Nur zu, Cathrina.“
„Ich schlage vor, dass Ihr, Kytschuld und ich der Köder sein
sollten. Schließlich waren wir hauptsächlich an der Schlacht
beteiligt.“
„Das scheint mir eine gute Idee zu sein. Der Regen dürfte die
meisten unserer Spuren verwischen. Embrico, Ihr reitet mit den
anderen zu dieser Senke. Verteilt Euch gleichmäßig auf den
Anhöhen. Versteckt Mia. Wir reiten zurück und werden sie dorthin
locken. Unternehmt nichts! Wartet dort auf uns, ich werde Euch
ein Zeichen geben, wenn Ihr losschlagen sollt.“
Sie stoben auseinander.
Mia und Cathrina wechselten einen Blick, um sich zu sagen: Pass
auf dich auf.
Sie ritten lange in die entgegengesetzte Richtung und der Regen
hatte kein Erbarmen mit ihnen. Er ließ nicht nach. Unentwegt
peitschten ihnen Tropfen ins Gesicht und sie wirkten wie feine
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