Wald erwachte zum Leben. Cathrina behielt ihre Umgebung im
Auge.
Auch wenn die Soldaten die meisten Unholde von hier fernhielten.
In Eutheria lebten noch immer wilde Tiere: Bären und Wölfe. Sie
hielten sich größtenteils von Ascardia fern, aber so weitab der
kleinen Stadt, konnte niemand ahnen, ob ihnen nicht doch der eine
oder andere über den Weg lief. Cathrina betrachtete Mia, fast ein
wenig besorgt. Sie hatte gestern nicht mehr die Möglichkeit
gehabt mit ihr zu sprechen, doch sie spürte, dass sie irgendetwas
beschäftigte. Dann war da noch die Tatsache, dass sie es nicht
gewohnt war, so lang auf dem Rücken eines Pferdes zu
verbringen. Cathrina kannte nichts anderes. Oft waren sie
Stunden durch den Wald geritten, hatten Tiere verfolgt oder
Abschaum aus Kalides verjagt. Nur selten wurden Gefangene
gemacht. Wenn sie sich nicht verjagen ließen, wurden sie getötet.
Für solche Menschen war in Ascardia kein Platz.
Hawke schloss zu Kytschuld auf und gab ihm Anweisungen. Als sie
auf eine Lichtung kamen, hielten sie an.
„Wir werden hier kurz rasten. Den nächsten Teil müssen wir zu Fuß
zurücklegen.“
Cathrina war in dieser Gegend nur einmal gewesen. Sie sah den
Hang hinauf. Es würde ein schwerer Anstieg werden. Der Boden
war von Kiefernnadeln, Ästen und derlei übersät.
Sie schwang sich aus dem Sattel und führte Pollux, wie die anderen
Krieger auch, an einen kleinen Bach. Sie füllte ihre Wasserflasche
auf und machte einige große, wohltuende Schlucke. Sie mussten
trinken, solange sie konnten. Nicht immer würden sie soviel Glück
haben und auf Wasser stoßen. Hawke ging an Cathrina vorbei,
nickte ihr ohne ein Lächeln zu, um ein paar Worte mit Mia zu
wechseln.
„Wie geht es Euch, Heilerin?“
Sie konnte ihre Überraschung sehen, als Hawke sie ansprach.
„Es geht schon. Ich muss mich wohl erst daran gewöhnen.“
„Wenn wir eine Pause einlegen sollen, Ihr müsst es nur sagen. Es
ist nicht mein Wunsch Euch zu quälen.“, er schenkte ihr ein
seltenes Lächeln.
Cathrina konnte sehen, wie sich dabei sein Gesicht veränderte. Er
schien plötzlich um einige Jahre jünger zu sein. Seine Züge wirkten
weicher und in seinen rauchgrauen Augen erschien ein einzigartiger
Glanz.
Sie wandte den Blick ab, denn es sollte nicht der Eindruck
entstehen, dass sie die beiden belauschen würde.
Sie hörte Mia lachen.
„Ich möchte nicht, dass Ihr Euch meinetwegen Umstände macht,
Kommandant. Ich werde etwas sagen, wenn es gar nicht anders
geht. Vorher nicht.“
Er nickte: „Ich verlasse mich darauf.“
Cathrina schraubte ihre Flasche zu und steckte sie zurück in die
Satteltasche. Als Hawke an ihr vorbei ging hielt sie den Blick
gesenkt.
„Es geht weiter!“, rief Kytschuld.
Wie Cathrina erwartet hatte, stellte sich das Erklimmen des Hangs
als äußerst schwierig und zeitaufwändig heraus. Der Hügel war
zwar nicht sehr steil, doch die Hufen der Pferde fanden auf dem
unebenen Boden kaum Halt und gerieten immer wieder ins
Rutschen.
Sie brauchten fast eine ganze Stunde und als sie endlich oben
ankamen, waren sie außer Atem und schweißüberströmt. Die
Sonnen waren in der Zeit vollends aufgegangen und brannten
unbarmherzig.
Cathrinas rechte Schulter schmerzte unangenehm. Als Pollux
abermals ins Rutschen geriet, hatte sie sich an einem Baum
abgestützt, um nicht in die Tiefe gerissen zu werden. Der plötzliche
Widerstand hatte so unglücklich an ihrem Arm gezerrt, dass es ihr
den Atem verschlagen hatte.
Nun hatten sie die Anhöhe erreicht.
„Wenn wir weiter Richtung Westen reiten, haben wir heute
Nachmittag die Grenze erreicht.“
„Ich hatte keine Ahnung, dass Kalides so groß ist.“ Einige der
Männer sahen Ticzco ungläubig an.
„Wollt Ihr mir etwa erzählen, dass Ihr hier draußen noch nie auf
Patrouille wart!?“, fragte Embrico leicht entrüstet.
„Nein. Noch kein einziges Mal.“
„Pah! Ich bin mindestens drei Mal in der Woche hier! Ich glaube,
ich sollte mal ein ernstes Wort mit unserem Kommandanten
sprechen. Irgendwas scheint mit den Plänen nicht so ganz
hinzuhauen.“
Einige der Männer lachten amüsiert.
„Ruhe, Männer.“ Sofort war es leise.
„Könnt Ihr das hören?“
Cathrina wechselte einen Blick mit Hawke und Kytschuld. Sie hatte
es auch gehört und ohne, dass sie sich absprachen gingen sie in
einigem Abstand in die Richtung aus der es kam.
Sie ließ ihre linke Hand über dem Gürtel liegen, während in ihrer
Rechten bereits Dextra ruhte. Sie bewegte sich wie ein Schatten.
Das war ihre größte Stärke. Man konnte sie nicht hören. Auch nicht
auf einem von Ästen und Laub überzogenen Waldboden, wie
diesem hier.
Bald erreichte sie die Lichtung von der das Geräusch gekommen
war. Hawke und Kytschuld kamen von den Seiten auf sie zu.
Wie die anderen beiden richtete auch sie den Blick in die Bäume.
„Ist das ein Klangspiel?“, fragte Kytschuld fast ein wenig
enttäuscht. Mit einem zischendem Geräusch fuhr seine Klinge
zurück in die Scheide.
„Was hat das hier zu suchen?“, Cathrina konnte sich nicht
vorstellen, welchem Zweck es dienen sollte. Und dann sah sie sie.
Von allen Seiten stürmten sie auf die kleine Gruppe zu.
Es waren nicht viele. Doch sie wirkten gefährlich, wild und
heruntergekommen.
Den Ersten streckte Cathrina mit Dextra nieder, der schnell und
leise an Hawke vorbei zischte. Dieser hatte bereits sein Schwert
gezogen und kümmerte sich in der Zwischenzeit um die zwei
anderen, die es auf Cathrinas Rücken abgesehen hatten.
Im Laufen ließ diese sich fallen, rutschte unter einer herab
sausenden Streitaxt hindurch, zog Dextra aus der Leiche und
rammte ihn ihrem nächsten Angreifer ins Auge. Der Junge mit der
Axt hatte das Interesse an ihr verloren und wendete sich nun
Hawke zu, der immer noch mit den zwei anderen beschäftigt war.
Der eine war ein verdammt großer Brocken und schien nicht
müde zu werden seinen Morgenstern zu schwingen. Der Kleinere
hingegen schien nur dazu da Hawke abzulenken.
Cathrina warf einen Blick auf Kytschuld. Auch dieser war
beschäftigt, schien jedoch gut klar zu kommen. Also zögerte sie
nicht lange und sprintete los. Im gleichen Moment, in dem der
Junge seine Axt in Hawkes Rücken versenken wollte, hatte sie ihm
Manus in die Kehle gestoßen. Gurgelnd und Blut spuckend brach er
zusammen.
Hawke, einen Moment von ihrem plötzlichen Auftauchen irritiert,
reagierte nur einen kurzen Augenblick zu langsam. Der
Morgenstern streifte seine Schulter und riss einen Fetzen Stoff
mit sich. In stillem Einvernehmen kümmerte sich Cathrina um den
Schmächtigen. Ihr Gegner war schnell und versuchte sie immer
wieder aufzufordern, ihn anzugreifen. Doch Cathrina bezweifelte,
dass er fair spielen würde. Sie schenkte ihm ein kühles Lächeln,
hob das Kinn in einer trotzigen Geste und schlich um ihn herum.
Schon bald verlor er die Geduld, wie sie es sich gedacht hatte. Er
machte einen unkontrollierten Schritt auf sie zu, streckte dabei den
Arm aus, um nach ihr zu greifen. Er verfehlte sie, allerdings hatte er
sich in ihrem Haar festgekrallt.
Sie biss die Zähne zusammen, machte eine ruckartige Bewegung
und hatte das Gefühl, als würde ein Teil ihrer Kopfhaut ausgerissen
werden.
Sie verlor keine weitere Zeit, machte einen Ausfallschritt und
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