Aus dem tiefbraunen, von vielen Runzeln und Falten durchzogenen Gesicht blitzten zwei wasserblaue Augen, die sich jetzt auf die Anwesenden richteten. »Hallo Mike, Hallo Paul, oh Hallo meine Liebe – wo ist denn mein Johnnylein?«
Mike lachte und hielt ihm den Karton hin. »Hallo Fred, da hast du deinen Johnny unbeschadet wieder. Ich bin extra ganz vorsichtig geflogen, damit ihm nichts passiert.«
Fred gackerte erfreut vor sich hin und öffnete zu Hettys Entsetzen den Karton. »Johnnyliebling, hast du mich auch so vermisst, ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
Er hob sein Haustier vorsichtig aus der Schachtel und setzte es auf seine linke Hand. »Schau mal Johnny, da sind Mike und Paul und eine hübsche Lady haben sie auch noch dabei.«
Hetty krallte sich an Pauls Hemdärmel fest und schaute wie hypnotisiert auf die haarige Riesenspinne auf Freds Hand. Der streichelte liebevoll sein Haustier und gab glucksende Laute von sich. Die Vogelspinne saß ruhig da und ließ sich das ohne Regung gefallen.
»Die tut dir wirklich nichts« versuchte Paul Hetty zu beruhigen und bat Fred. »Könntest du Johnny bitte wieder in die Schachtel tun – mein Mädel hier hat eine furchtbare Angst vor Spinnen.«
Fred gickerte auf seine Spinne ein. »Komm Johnny, du kleine, schlimme Bestie, geh wieder in deine Schachtel, nicht dass du noch die nette Lady frisst.« Er schubste ihn wieder in den Karton zurück und machte zu Hettys Erleichterung auch den Deckel zu.
»So jetzt kann er nicht mehr raus, hübsche Lady, sie brauchen sich jetzt nicht mehr fürchten.« Fred gackerte wieder los.
Paul informierte Hetty mit einem Schmunzeln. »Ich sollte dich sicherheitshalber vorwarnen, die Gefahr ist noch nicht vorüber. Denn das gefährlichste hier in ganz Cooper Pedy ist Fred, der ist ein fürchterlicher Frauenheld, nimm dich bloß in Acht! Sein Johnny dagegen ist völlig harmlos und sitzt den ganzen Tag brav im Terrarium, während sein Herrchen die Gegend unsicher macht.«
Fred lachte und schüttelte den Kopf. »Jetzt hören wir mal mit den Albereien auf und fahren nach Hause, denn meine Millie hat schon alles für das Abendessen vorbereitet. Ein Berg von Lammsteaks wartet darauf endlich auf den Grill zu kommen, denn ihr habt doch sicher Hunger mitgebracht, oder?«
Paul erklärte Hetty, während er die Spuren auf seinem Arm untersuchte, die ihre Nägel beim Festkrallen hinterlassen hatte. »Weißt du, wir wohnen bei Fred, dessen Frau kommt auch aus Deutschland und die bäckt richtiges dunkles Brot und macht einen supertollen Krautsalat.«
Mike hatte inzwischen ihre Rucksäcke aus dem Cockpit geholt und half Hetty auf den Beifahrersitz des Pickups. Er und Paul setzten sich, zu Hettys Erleichterung, mit dem Spinnenkarton zu dem Gepäck hinten auf die Ladefläche.
Fred brauste los und ratterte, eine Staubwolke hinter dem Wagen herziehend, auf eine naheliegende Hügelkette zu. Die einspurige Piste führte zu einem Höhleneingang neben dem links und rechts, in heillosem Durcheinander, zahlreiche rostige Gebilde lagen. Auch bei näherem Hinsehen kam Hetty nicht die geringste Idee, für was diese Teile wohl verwendet wurden.
»Vielleicht ist das eine typische Coober Pedy Gartendeko?« versuchte sich ihr Verstand in einer relativ logischen Mutmaßung, schließlich lagen fast vor jedem Haus oder Gebäude dieser Stadt mehr oder weniger große Mengen an Schrottteilen.
Hetty schmunzelte in sich hinein. War vielleicht bei diesen Temperaturen auch besser als Blumenkästen, denn das Eisen musste man nicht gießen.
Unter einem überhängenden Felsen befand sich eine geräumige Holzveranda, die mit Tischen und Bänken bestückt war. Auf einer Seite beherrschte ein riesiger Barbecuegrill die Szene und ließ den Rückschluss zu, dass hier ganze Kompanien verköstigt wurden.
Vor dem Eingang stand eine rundgesichtige, weißhaarige pummelige Frau, mit einer umgebundenen Kittelschürze und winkte.
»Meine allerliebste Millie«, rief Paul, sprang von der Ladefläche, umarmte sie und schwang sie einmal im Kreis.
»Die beste Köchin auf der Welt!« stellte er sie Hetty vor.
»Hör nicht auf ihn, den Charmeur, das sagt er nur, damit er die größten Portionen kriegt.«
Millie lachte und reichte Hetty zur Begrüßung die Hand. »Komm rein, ich zeige dir schnell dein Zimmer und das Bad und dann setzen wir uns alle zusammen auf die Terrasse.«
Hetty folgte ihr in das angenehm kühle Innere der Höhle und sah sich interessiert um. Gleich nach dem Eingangsbereich war eine kleine Bar mit Theke in eine Nische des Gesteins eingebaut, daneben führte ein Durchgang zu einem fast drei Meter hohen Stollen von dem, links und rechts weitere Gänge abzweigten, in denen die Gästezimmer untergebracht waren.
Die Räume waren aus der Höhle gesprengt und anschließend mit Fräsen und Meißel entsprechend den Bedürfnissen der Bewohner angepasst worden. Ihr Zimmer enthielt ein großes Bett mit Nachtkästchen und einen einfachen Holzschrank. Außer der wunderschönen Tagesdecke waren einige gerahmte Fotos an den Wänden der einzige Schmuck. Das spärliche Licht aus der Lampe auf dem Nachtkästchen und einer altmodischen Stehleuchte in der Ecke, versetzte den Raum in eine äußerst heimelige Stimmung. Seltsamerweise wirkte die Luft im Zimmer nicht stickig, sondern frisch und kühl.
»Ist das schön hier.« Hetty sah ihre Gastgeberin begeistert an. »Habt ihr eigentlich viele Gäste?«
Mille nickte. »Wir haben etliche Stammkunden, die auf der Strecke nach Alice bei uns immer einen Zwischenstopp einlegen. Die vier Zimmer sind eigentlich nur deswegen da, damit es mir nicht so langweilig ist und ich etwas zu tun habe. Soviel Unterhaltung gibt es hier ja doch nicht und unsere Gäste haben immer etwas zu erzählen.«
Sie hatten inzwischen wieder den Höhlenausgang erreicht und Millie zeigte auf einen Wellblechanbau an der Felswand. »Hier, das Bad ist leider etwas primitiv, aber Wasser ist bei uns Mangelware, also bitte sparsam duschen. Die Toilette ist ein Plumpsklo. Nach der Benutzung einfach etwas Sägespäne, aus dem Eimer der daneben steht, nachwerfen.«
Die anderen hatten sich inzwischen schon auf der Terrasse häuslich eingerichtet. Fred hatte einen Sixpack VB auf den Tisch gestellt und gab Hetty ein Zeichen, sich zu bedienen. Mike und Paul wechselten sich am Grill ab, auf dem die angekündigten Lammsteaks brutzelten. Millie deckte auf und stellte eine große Schüssel Krautsalat auf den Tisch und einen Korb mit wunderbar duftendem Brot dazu.
Hetty fühlte sich wie auf einem Familientreffen, bei dem sie als Ehrengast nichts arbeiten durfte. Also lehnte sie sich gemütlich an die Außenwand der Höhle und betrachtete in aller Ruhe die Umgebung. So weit das Auge reichte war hier nur fahler, weißer Geröllboden und vom Wind geglätteter Sand zu finden. Der einzige Bewuchs waren ein paar mickrige, strohige Grashalme und hin und wieder ein kleiner verkümmerter Busch. Ansonsten herrschte hier nur Ödnis. Von der Terrasse aus fiel das Land leicht ab und sie konnte in einiger Entfernung die niedrigen Häuser von Cooper Pedy sehen, in denen die ersten Lichter angingen.
Der Sonnenuntergang zauberte derweil ein changierendes Licht an den Himmel. Die wenigen Wolken färbten sich von gelb zu orange, dann zu rot und endeten in einem violetten Schimmer, bevor die endgültige Dunkelheit eintrat.
Hin und wieder fuhr ein Auto Staub aufwirbelnd auf einer der zahlreichen unsichtbaren Pisten vorbei, ansonsten war es traumhaft still.
Ohne zu lügen, konnte man das hier als kleines Paradies auf Erden bezeichnen.
Doch als das Essen fertig war, konnte die Landschaft nicht mit Millies Kochkünsten konkurrieren. Alle aßen mit herzhaftem Appetit und erklärten Millie, sie sei wirklich und wahrhaftig die beste Köchin weit und breit.
Nach dem Essen fragte Hetty. »Habt ihr denn heute gar keine Gäste in eurer Bar?«
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