Nachdem sie vereinbart hatten, dass Paul rechtzeitig Bescheid geben würde, fuhren sie wieder nach Hause. Hetty saß still da, in Vorfreude auf die Reise. In ihrer Phantasie flogen rosarote Schmetterlinge Loopings und gaben sich schönen Tagträumen hin, in denen ein gewisser Paul eine maßgebliche Rolle spielte. Wobei die Leute von der Hormonabteilung vor allem daran interessiert waren, wieder mal etwas Hübsches in die Finger zu kriegen. Und auf so einer Reise konnte sich da ganz gut eine Möglichkeit ergeben.
Sie spielten einige Szenarien durch, die wunderbar geeignet waren dem Objekt der Begierde näher zu rücken. Als Hetty sich gerade mit der Option beschäftigte, dass sie sich beim Aussteigen aus dem Flugzeug den Fuß verletzte und Paul sie ins Zimmer tragen musste, wurde sie von Kim aus ihren Gedanken gerissen.
Die kicherte vor sich hin. »Da gibt es jetzt einige Frauen in Alice, die dich furchtbar beneiden werden. Einen Kurztrip mit Paul nach Sydney – das würden sich viele wünschen. Normalerweise überschlägt er sich bei Frauen nicht gerade vor Hilfsbereitschaft, aber bei dir reißt er sich ja direkt darum, dir einen Gefallen zu tun.«
Kim lächelte Hetty an. »Er muss dich wirklich mögen!«
Hetty brummelte zurück. »Wahrscheinlich hat ihn mein fantastisches Aussehen so beeindruckt, dass er sich gar nicht mehr zurückhalten kann. Ihr habt nur noch nicht mitgekriegt, dass er auf 1.60 Meter große, etwas pummelige Frauen mit faden braunen Haaren und langweiligen grünen Augen steht!«
Kim lachte auf und schüttelte den Kopf. »Jetzt übertreibst du aber ganz schön. Immer wenn du eine Beschreibung von dir abgibst, meint man, da kommt eine fürchterliche Schreckschraube daher.«
Hetty blödelte. »Du weißt doch, innen drin bin ich 1.75 Meter groß, schlank, blond und habe wunderbare blaue Augen, nur das Äußere täuscht etwas!«
Kim fing den Ball auf. »Ja und in Wirklichkeit bist du keine vierundvierzig Jahre alt, sondern nur dreißig! Paul ist übrigens auch schon einundvierzig.«
Hetty war baff. »So alt sieht er aber noch nicht aus, ich hätte ihn auf alle Fälle jünger geschätzt.«
Kim grinste. »Den halten die ganzen Weiber auf Trab, die er immer durch die Gegend schleppt, diese aufgedonnerten Tussies müsstest du mal sehen. Da heißt es dann den ganzen Tag immer Paul hier und Paul da.
Meistens ist er auf seinen Touren nach einer Woche so angefressen, dass er bloß noch vor sich hin knurrt. Und die finden das dann noch toller – so richtig männlich, und versuchen dann erst recht bei ihm zu landen.
Einmal hat ihn eine so genervt, dass er sie einfach in einer Kneipe bei der Ormiston-Schlucht ausgesetzt hat. Er hat dem Wirt fünfzig Dollar in die Hand gedrückt und gesagt, er soll den nächsten Touristenbus überreden, sie wieder mit nach Alice zu nehmen, er halte das nicht mehr aus, ist in seinen Camper gestiegen und losgebraust.
Hat natürlich einen Riesenärger gekriegt mit der Privatreisevermittlung, für die er arbeitet, aber das hat sich bald wieder gelegt. Auf alle Fälle hatte Alice für die nächsten Wochen ein tolles Stadtgespräch.«
Hetty kicherte. »Das hat er tatsächlich gemacht?«
Kim nickte. »Ja, und er hat den Reisepreis behalten, er hat gesagt, das wäre sein Schmerzensgeld!«
Sie lachten immer noch, als sie zuhause ausstiegen und Steven erwartungsvoll auf sie zukam. »Schaut der Camper denn so schrecklich aus? Oder was ist los?«
Nachdem er den Grund für ihre gute Laune erfahren hatte grinste auch Steven und fragte seine Frau. »Hast du ihr auch verraten, dass er den Bericht den er schreiben musste, als Kopie in einer Folie im Handschuhfach hat? Jedes Mal wenn ihm wieder eine zu aufdringlich wird, zieht er ihn raus und fordert die Frau auf, sie soll doch mal nachlesen was ihr passiert, wenn sie sich nicht benimmt.«
Es war ganz gut, dass das Farmhaus etwas abgelegen lag, denn das nun folgende Gelächter hätte ansonsten einen Polizeieinsatz wegen Ruhestörung zur Folge gehabt.
Als sie später auf der Veranda saßen, erzählte Steven noch etwas mehr von Paul. »Der hatte nie Glück mit den Frauen, er erwischt einfach immer die Falsche. Einmal hat er sogar geheiratet, aber das ging schrecklich schief. Seine Frau hatte früher gemodelt und konnte mit dem Leben im Outback überhaupt nichts anfangen. Sie wollte bald darauf wieder zurück nach Melbourne und so haben sie sich im Guten getrennt und auf die Schnelle die Scheidung durchgedrückt.
Alle seine Freundinnen wollen immer nur ausgehen und mit ihm angeben, keine interessiert sich nur im Geringsten für das, was ihm wichtig ist. Inzwischen entwickelt er sich immer mehr zum Einsiedler. Schade – er ist so ein netter Kerl.«
Hetty sinnierte vor sich hin. Sie musste zugeben, auch sie war sofort auf das tolle Aussehen abgefahren, da musste man als Frau schon blind sein, wenn man das nicht bemerkte. Dazu war er aber auch noch ein Mann von der netten Sorte, mit dem man gut reden konnte und der selber immer etwas zu erzählen hatte und das machte ihn in ihren Augen erst interessant. Denn was nützte eine tolle Fassade, wenn man sich neben den Betteinlagen nicht mal unterhalten konnte, weil der Typ nichts in der Birne hatte.
Nach dem, was sie nun erfahren hatte, konnte sie sich auch zusammenreimen, warum er zu ihr so freundlich und hilfsbereit war. Denn sie gehörte garantiert nicht zu der gefährlichen Sorte der gutaussehenden Frauen. Er sah in ihr wohl so etwas wie einen netten Kumpel.
Ihre rosaroten Schmetterlinge saßen demoralisiert auf einem Ganglienzweig – ach was sollte es, zumindest gucken durfte sie ungestraft. Und lieber mit einem gutaussehenden Kerl befreundet, als mit einem hässlichen zerstritten!
Kapitel 5
Mit diesem guten Vorsatz bewaffnet, stand sie drei Tage später abholbereit mit einer Reisetasche und in ihre üblichen legeren Klamotten gewandet auf der Veranda, als Paul vorfuhr.
»Hallo Mädel, bist du startbereit?« Er schnappte sich ihre Reisetasche und verstaute sie im Kofferraum. »Mike betankt noch die Maschine, dann können wir los.«
Hetty schwang sich auf den Beifahrersitz und schnallte sich an. »Roger und ready for take off, Captain!«
Paul lachte vergnügt auf. »So mag ich das, wenn mein Personal seine Befehle kennt.«
Während sie zum Flugplatz fuhren, erklärte ihr Paul die Flugroute. »Unser heutiges Ziel ist Cooper Pedy, dort übernachten wir bei guten Bekannten. Morgen fliegen wir dann mit einem kurzen Zwischenstopp in Broken Hill weiter bis Canberra und am Tag darauf, von dort aus nach Sydney.«
»Gehen wir in Cooper Pedy abends in die Kneipe? Ich war zwar schon einmal dort, aber damals am Stadtrand bei einer Höhlenwohnung. Das war bei meiner Gruppenreise mit dem Bus und da kriegte ich vom Schürferleben rein gar nichts mit.« Hetty sah Paul hoffnungsvoll an.
Der erwiderte ihren Blick mit einem Lächeln. »Du musst sogar in die Kneipe, weil wir nämlich in einer übernachten, also verdursten wirst du sicher nicht.«
Die zweimotorige Cessna stand noch an der Zapfsäule, als sie ankamen. Mike entpuppte sich als ein übers ganze Gesicht strahlender Chinese.
Hetty schüttelte ihm zur Begrüßung die Hand und stellte fest. »Also, eigentlich hätte ich bei diesem Namen einen waschechten Amerikaner erwartet.«
Mike verbeugte sich und meinte. »Tja, eigentlich heiße ich auch Min Hon Tschijong, aber das war allen zu kompliziert und so wurde Mike daraus.«
Paul mischte sich ein. »Lass dich von ihm bloß nicht veräppeln, der kann kein einziges Wort chinesisch, seine Urgroßeltern sind damals zum Perlenfischen nach Australien eingewandert und das einzige chinesische, was sich in ihrer Familie vererbt hat, ist das Essen und das Aussehen.
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