1 ...6 7 8 10 11 12 ...25 “Das wirds bringen”, sagte Karl Hannes und trat drei Schritte zurück.
“Dein Kanister brennt,” sagte Bernd
Ungläubig schaute Karl Hannes an seinem linken Arm nach unten. “Mein Kanister brennt,” er warf ihn flach auf die Strasse neben dem Auto.
“Du wirst das Auto anzünden, mach ihn aus.” Karl Hannes sprang wie Donald Duck mit beiden Füssen zugleich auf den Plastik Kanister und presste mehr Benzin heraus. Alles war gleißend hell erleuchtet.
“Mach ihn aus, Mann, du illuminierst die ganze Gegend.” Bernd kratzte Erde am Straßenrand mit den Fingernägeln zusammen, trat den Kanister die Strasse hinunter und verstopfte den Füllstutzen.
Das Feuer erlosch. Das auf der Strasse ebenso. Das im Motorraum auch. Aus dem Motorraum qualmte es.
“Kaum Schäden zu sehen,” sagte Bernd nach Öffnung der Haube.
”Köwenick sagt, es müsse schon alles schön zu Pulp verschmort sein.“
“Machen wir es nochmal,” Karl Hannes schüttelte den Kanister,”ist noch was drin. Erfahrung haben wir ja jetzt.”
Beim dritten Mal klappte es vorzüglich. Sie schleppten den Daimler hinter dem mitgebrachten Corsair auf das Grundstück von Köwenick, der nicht weit entfernt wohnte und stellten ihn dort ab.
Den anderen Tag, als Bernd kam, den Daimler zu besuchen, standen zwei Herren an Köwenicks Tor und lugten hinüber.
“Da stehen zwei Leute an deinem Tor und lugen hier her. Zu dir herüber.” Sagte er zu Köwenick, den er in seiner Werkstatt fand, wo er seine neueste Erwerbung ausprobierte.
“Ein Dozer, mit dem ziehe ich jedes Blech gerade. Jedes Autoblech.”
„Zwei Leute lugen über den Zaun.“
“Ich weiß, die sind von der Allianz. Die kommen seit drei Tagen, schauen jeweils eine Stunde, stumm und starr und gehen dann wieder fort.”
“Schauen die den Daimler an?”
“Warum sollten die nicht den Daimler anschauen. Ist ja unübersehbar ein KFZ Schaden, nachdem ihr die Haube aufgeschmort habt. Läuft der auch über die Allianz?”
„Ist mein Auto bei dir auch sicher ?“
Es wurde weitergebaut. “Bring mir schnell den Eimer. Halt mal. Du mußt die Dachpfannen mit der Drahtbürste sauberer abkratzen, und schneller. Reich mir den Balken. Das Brett und die Latte. Hast du Nägel in der Hosentasche? Wo ist die verdammte Wasserwaage?”
Jacky zeigte sich zunehmend genervt und wurde zickig. Ihre Dienstzeit im Hospiz wurde länger. Die Heimfahrt mit Bahn und Bus zog sich hin.
Sie hatte viele wichtige Dinge zu erledigen. “Ich kann nicht unentwegt am Haus bauen. Ich kann meine Hände nicht mehr sauber bekommen. Ich kann mit solchen Händen nicht im Hospiz antreten.”
“Eines Tages wird das Haus fertig sein. Bring schnell zwei Sack Zement her, dann hab ich was zum Anrühren.”“ Wenn du noch einmal schnell sagst, gehe ich.” “Fort?” “Ja.” “Für lange?”
“Ja.” “In die Tropen? Zu den Inseln unter dem Wind? Und wenn ich schnell nicht mehr sage?” ”Dann nicht.” “Würdest du rasch einen Sack Zement holen?” “Nein.” “Warum nicht? Ich habe schnell nicht erwähnt.” “Weil du nicht bitte gesagt hast.” “Würdest du mir rasch bitte einen Sack Zement holen?” “Nein.” “Und wenn das eine Order ist?” “Nein, für Zement bist du zuständig.”
Disziplin ist der Notnagel der Zivilisation, dachte Bernd zu sich, vor dem brennenden offenen Kamin, der jetzt nicht mehr qualmte, auf einer Bretterkiste inmitten der Baustelle sitzend. Zivilisation ist der Sargnagel des Menschen. Wo sind die glücklichen Tage des Neanderthal Bewohners nur geblieben. Was war aus uns allen nur geworden. Was nageln und schichten wir wie die Besessenen in jeder freien Minute. Wie alt wollen wir damit werden. Wie alt dürfen wir werden. Wer bestimmt das. Die Zeit? Die Umstände? Das Unverständnis der Realitäten? Wer bestimmt die Zeit? Gott. Aber wenn Gott wollte, daß ich Handwerker in meiner Freizeit wäre, hätte er mir nicht eine dritte Hand gegeben? Hätte er nicht gewollt, daß ich neben der Kelle in der einen, dem Hammer in der anderen, der Verwünschung im Hals, den Eimer mit dem Mörtel in der dritten Hand durch die Baustelle tragen könnte? Haben wir nicht das glückliche Leben im natürlichen Reichtum des Allbesitzes einem fadenscheinigen Sicherheitswunsch vor dem fantasievollen Bild der Bedrohung durch Finsternis und Bison geopfert? Haben wir nicht unsere natürliche Behaarung dem Ofen und der Baumwolldecke preisgegeben? Konnten wir nicht ahnen, daß wir für Schuhe mit vergänglichen Sohlen zur Fron uns zwingen müssen werden? Ist Zivilisation das Ergebnis von Intelligenz?
Jacky und Bernd gingen jetzt im Sommer oft in den Niederungen des Fließes entlang der Mauer reiten. Die Pferde vermietete der Herr Bauk, der im Dorfkern einen Resthof betrieb, dem politische Intrigen mit dem Bau der Mauer das Kornfeld abgetrennt hatten. Es gab kilometerlange sandige Wege, die für Pferde ideal und für Trecker geeignet waren. Eine unberührte idyllische Landschaft mit Buschwerk und Bäumen, kleinen Seen, Weiden und Wiesen, durch die der Fließ mit starker Strömung westwärts zog und an der einen seichten Furt zu einsamem Bade bar aller Wäsche einlud. Hier lagen sie anschließend in der Sonne im Gras und trockneten, die Köpfe der weidenden Pferde nah den eigenen.
“Wollen wir uns mit unanständigen Dingen beschäftigen?” Fragte Bernd, eine Zigarette rauchend und die Zirruswolke auf ihrem Weg um den Erdball mit den Augen verfolgend. “Gleich jetzt in den Büschen da?” “ Warum nicht gleich jetzt in den Büschen da.” “Werden die Pferde zusehen?” “Probieren wir Stellungen aus?” “Sind wir geübt in
welchen?” “Du liegst unten, ich steige herüber, ich besteige dich. Der alte Bauernfick. das wird den Pferden gefallen. Kurz, heftig, ökonomisch. Das werden die Pferde kennen.” “Soll ich wegen der Ameisen unten liegen?” “Sind Ameisen vorhanden?”“ Ich weiß nicht.” “Sollten wir welche suchen gehen?” “Was ist mit dem Wasser? Wir könnten es mal im Wasser machen. Dann schwimmt der Samen in den Ozean.”
Manchmal wurde es den Pferden zu langweilig und sie trotteten auf bekannten Wegen nach hause, ihre Boxen aufzusuchen und sich mit Hafer zu mästen. Manchmal auch wurde die Beschäftigung mit unanständigen Dingen frühzeitig durch Insekten beendet. Dann warteten die Pferde.
Auf der dem großen Fenster abgewandten Wand des Kaminzimmers trug Bernd sechs dicke Schichten Putzmörtel, der zuvor mit verschiedenen Farbtönen eingefärbt worden war, mit einem Reibebrett auf einem Putzträger aus Draht auf. Mittels Schnur, Lot, Zollstock, Rechner und Mercator Weltkarte ritzte er sodann die Umrisse der Kontinente an und schabte die Gebirge, Seen und Flüsse, zuletzt die Wüsten und Ozeane aus. Es wurde ein grandioses Putzgemälde in das überall dort, wo Bernd zuvor auf Besuch gewesen war, eine farbige Fixiernadel gesteckt wurde. Ein Wald von Nadeln, Blau für eine Woche oder länger, Rot für einen Monat oder länger, Weiß für drei Monate oder länger, Weiß mit blauem Kopf für Seenot; hiervon gab es drei Nadeln mit den Standorten Nordatlantik - Hallifax, Ostsee - Dagö und Norwegen
- Lofoten. Weiß, mit braunem Kopf wies auf Gefängnisaufenthalt hin - Malaya Penang- zwei Jahre.
Geringfügigere Aufenthalte wurden nicht berücksichtigt, Aruba, Ipswich, St. John, Saigon, Manila und andere Standorte. Ein Nadelmeer, das sich über siebenundsiebzig Staaten hinzog. Zwölfeinhalb Jahre waren dabei draufgegangen.
Der Kaminzimmerboden wurde mit dicken Marmorplattenstücken, die Bernd mit dem Hammer weiter zerkleinerte, in Beton verlegt und verfugt. Die Marmorbruchstücke, dunkelrot mit Maserung, kamen aus dem Abriß eines alten Friseursalons und wurden in vielen Fahrten im Kofferraum heran transportiert.
Auch auf dem Boden der offenen Küche wurden Fliesen in der Version Französich Mosaik verlegt. Ebenso auf dem Podest, das in das Anbauzimmer, in dem Bernd mit Jacqueline seit Monaten lebten, und das bei der Zertrümmerung ohne Beschädigung geblieben war. Von dem Podest führte eine selbstkonstruierte und gefertigte Raumspartreppe aus schweren Kieselwaschbetonplatten in das Dachgeschoß. Das Podest hatte eine Reling, deren Stützen aus Nähmaschinen Standteilen, die vom Schrottplatz daherkamen, an einer Seite erhalten .
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