“Ich kann ihnen seine Adresse auf einen Zettel schreiben,” fuhr der Beamte fort. “Er wohnt außerhalb der Stadt in einem Dorf.”
“Was werden wir machen?”
“Kaufen sie sich eine neue Flugkarte.”
“Mit was?”
“Mit Geld,” der Beamte sah Bernd verständnislos an,” Wechseln sie einen Scheck. Wenn sie kein Geld haben.”
“Welchen Scheck? Geben sie mir einen?”
“Oh nein, wir dürfen keine Schecks ausstellen.” Sagte der Beamte, besorgt blickend.
“Dann geben sie mir ein Flugticket nach Berlin.”
“Das Auswärtige Amt vergibt keine Flugtickets nach Berlin. Wir könnten ihnen Bargeld anbieten. Aber nur wenn sie sich in einer Notlage befinden sollten. Wir müßten freilich in Bonn nachfragen und uns ihre Identität bestätigen lassen.”
“Wie lange mag das dauern?”
“Zwei Stunden. Wir schicken ein Kabel.”
“Die Antwort ist da,” er strahlte Zuversicht aus. “Wir wissen jetzt, daß sie Herr Meyer sind. Und in Berlin wohnen.”
Nach einer weiteren Stunde stand ein anderer Beamter hinter dem Tresen.
“Herr Meyer, kommen sie bitte. Sie müssen diesen Vertrag unterschreiben. Sofort nach ihrer Ankunft in Berlin müssen sie den Kredit zurückzahlen. Ihr Reisepass wird bis zur erfolgten Rückzahlung gesperrt. Sie dürfen Deutschland während der Zeit nicht verlassen.”
“Donnerwetter, das ist aber strikt.”
“Wir haben das Geld der Steuerzahler vor Mißbrauch zu schützen. Wenn sie hier bitte die Barauszahlung abzeichnen wollen. Sie verstehen, daß wir die Kosten für das Kabel abziehen müssen. Es kostet 36 Mark.”
Die Summe wurde in US Dollar ausgezahlt. Es waren 180 Mark netto.
“Nun gehen sie erst einmal gut essen, kleiden sie sich neu ein, unten in der Strasse gibt es einige Konfektionsläden, und fliegen sie dann nach hause. Gute Reise.”
Bernd wurde freundlich verabschiedet und suchte den Agenten in einem Dorf bei Seoul auf.
Dort pochte er nachhaltig und beharrlich gegen ein hohes Brettertor während die Taxe, die ein Drittel der neuen Barschaft als Pauschalpreis verlangte, wartete. Nach einer Weile öffnete eine alte Frau, die des englischen nicht mächtig war, das Tor und radebrechte, daß alles wieder gut wäre und das Flugzeug warten würde. In zwei Tagen Seoul Airport. Sie fuchtelte mit den Händen. “Sie sagt, sie sagt die Wahrheit.” Übersetzte der ebenfalls radebrechende Taxifahrer. Viele koreanische Frauen wären schon dagewesen. “Agent nix da. Agent gut Mann.”
In Berlin war es zwischenzeitlich nicht gut gelaufen. Herr Sommer hatte zwar den Kiosk sauber und aufgeräumt geführt, aber die Umsätze, Gewinne, reichten bei weitem nicht aus, die Berge an Rechnungen zu begleichen.
Der Schaumstoffladen hatte unter der Regie der Exfrau Köwenicks, die faul und liederlich war, ganze vierhundert Mark in dem Monat umgesetzt und es fertig gebracht, für vierhundertdreissig Mark Strom zu verbrauchen.
“Die hat ja kaum geöffnet, “ sagte der Nachbarhändler.
Sie wurde ohne Zahlung verjagt. Der Schaumstoffladen mußte aufgegeben werden um das Imperium zu halten.
Die Automaten, die schön anzusehen waren, nahm sich Frau Lärmbecher zur Verrechnung mit den Zigarettenlieferungen.
Die Autoflotte wurde dezimiert. Backe kam mit einem Ami Straßenkreuzer zu Besuch.
“Bringt richtig Geld,” meinte er und zeigte auf den Schlitten, ”wenn man eine Beule reintut.”
“Tausend,” sagte Karl Hannes, “das ist der übliche Preis. Fünfhundert, dann mach ichs mit dem LKW.” Karl Hannes war angestellter LKW Fahrer und fuhr für eine Spedition.
Morgends um zehn stand der LKW auf der Verkehrs- und menschenleeren Tiergartenstrasse am Straßenrand. Karl Hannes wuchtete eine leere, aber schwere Kabeltrommel aus Holz vom Hänger und Bernd gab Gas, auf diese zu prallen, die durch die Wucht gegen den Hänger zurückgeschleudert wurde. Zufrieden stieg Bernd aus dem roten Mustang aus und betrachtete den Schaden. “Nichts.” “Garnichts.” “Nicht mal eine Schramme.” “Hat doch aber ganz schön
gebumst.”
“Soll ich helfen, die Trommel wieder auf den Hänger zu laden? Dann könnt ihr es erneut versuchen.” Ein Mann mit einem Fahrrad schälte sich zwischen den Bäumen der anderen Straßenseite heraus.
“Wir müssen das anders machen,” sinnierte Karl Hannes bei dem Halt ein paar Straßenzüge weiter, wo sie sich unbeobachtet wähnten. “Ich beschneide dir die Vorfahrt. Beim Linksabbiegen. Und schramme die Kiste an der Seite auf. Von hinten bis vorn. Ich gib dir ein Zeichen wenn wir die richtige Kreuzung gefunden haben. Ich strecke den Arm raus. Dann fährst du dicht neben mich. An einer Ampel. Wenn wir beide links abbiegen.”
Das hörte sich gut an. Und das schabte auch schön. Die Passanten schauten interessiert.
“Es sind Kratzer da, Scheiße,” meinte Karl Hannes, “aber am LKW. Was hast du da, ein Panzerauto? Fahr du jetzt voraus. Richtung Neukölln, dann immer den Britzer Damm runter. Da muß ich die Ladung abliefern. An einer Ampel fahr ich dir hinten rein. Dann wird es scheppern.”
Bernd behielt den LKW im Rückspiegel im Auge. Karl Hannes hielt auf Abstand als Bernd an der roten Ampel Kreuzung Silbersteinstr. hielt. Er sah und hörte wie der LKW Motor aufheulte und der Zug stark beschleunigte. ´Oh ha, dachte Bernd das werden 50 Sachen sein. Bei dem Gewicht. Der manscht mich in den Straßenbelag. Das gibt ein Unglück. Er gab Gas und flüchtete bei Rot über die Kreuzung, der LKW kam hinterher gebraust. Alles hupte, gaffte, staunte und flüchtete.
Einen Kilometer weiter gab es keine Fluchtmöglichkeit mehr und der Mustang wurde von dem LKW voll erwischt.
“Allerhand,” staunte Karl Hannes, “das hat gesessen.” Der Mustang hatte am hinteren rechten Kotflügel eine tiefe Einbuchtung, eine Kerbe, die jedoch nicht gerissen war. Die Stoßstange des LKW war vorne links abgerissen und hing auf das Pflaster herunter. Die Blinkleute war her- ausgefallen.
“Draht, Wir brauchen Draht. Wir hätten an Draht denken sollen,”meinte Karl Hannes,” daran wird der Spediteur nicht recht Gefallen finden werden.”
“Ostendorf,” sagte Backe den anderen Tag, ”Ostendorf.”
Der Mustangschaden brachte zwei Tausender von denen Karl Hannes fünfhundert und der Doktor Tacka den Rest erhielt. Die Krankenversicherung hatte weder die Arztkosten, noch das Tagegeld zahlen wollen. Bernd hatte versäumt, die fällige Rate anzuweisen. Das fiel ihm schon im Flugzeug nach Japan auf, aber da war es ohnehin zu spät.
“Dein Wichser Tacka hat mir EKG aufgeschwatzt,” sagte er zu Köwenick,”und er will dafür tausendsiebenhundertundfünfzig Mark haben.” “Zahl ihn halt,” sagte Backe.
“Scheck? Ein Scheck?” Tacka war entsetzt,” ein Postscheck?” “Nur fünfhundert Mark, den Rest hab ich hier bar,” versuchte Bernd ihn zu beruhigen. “Ein Postscheck?”
“Dein Doktor Tacka ist ein ausgemachtes Arschloch,” sagte Bernd zu
Köwenick.
Ostendorf betrieb auf einem Hinterhof in Wedding solange alle zurückdenken konnten, eine Mischung aus Reparaturbetrieb und Schrottkippe. Repariert wurde mit Draht und Hammer am Kantstein der Strasse. Bei jeder Wetterlage.
“Schönes Auto hab ich,” pflegte der alte Ostpreusse zu sagen,”für euch. Gutes Auto. Läuft. Könnt ihr billig haben.” “Fährt, hat noch drei Monate TÜV, fehlt Auspuff und rechte Tür. Repariere ich noch.”
“Wann?” “Könnt ihr morgen abholen.” “Papiere?” “Könnt ihr morgen abholen.”
Bei Ostendorf bekam man für zwei, dreihundert Mark stets das richtige Gefährt. “Und wenn nicht läuft,” pflegte er zu sagen,” fährt man mit teurem Auto rückwärts rein. Ergebnis ist gleich.” “Bei Ostendorf mußt du aufpassen,” erläuterte Backe,” gleich heißt bei dem übermorgen und mit morgen meint er übernächste Woche. Außerdem gehören ihm nicht alle Autos die er verkauft. Aber solange er die Papiere beibringt, bleibt das sein Ärger.”
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