Knall und folgendem Echo, wenn der gusseiserne Deckel zurück auf die Konstruktion klatschte, nachdem die übliche Wolke schwarzen Rußes entwichen war, um sich im Haus zu verteilen.
“Du mußt die Öfen zum Verpuffen bringen,”sagte Dexling der Taxiunternehmer und rieb sich die klammen Hände, um den Becher heißen Tee verlässlich greifen zu können. “Dann wird der Schornstein frei und sie brennen.”
“Sie puffen automatisch. Jede Nacht, wenn ich sie brennen lasse. Sieh dir den Ruß überall an.”
Dexling war ein friedlicher, gutmütiger Charakter, der wie Rasputin aussah und zu einem guten Freund geworden war. Er war stets hilfreich und schüttete eine Tasse kalten Wassers in den rasch angezündeten Küchenofen um eine kontrollierte Verpuffung zu haben.
“Donnerwetter”, meinte er atemlos,” das war aber Zunder. Das hätte ich nicht glauben wollen.”
“Du hast meine Küchendecke versengt.”Warf Bernd ein und hustete gegen die mit Ruß geschwängerte Raumluft. “Ich werde hier nicht mehr leben können.”
“Hätte ich mir die Augenbrauen und das Haupthaar abgesengt, hätte ich nicht mehr Taxe fahren können.” Nach einer Pause meinte er ”vielleicht finde ich diese Woche noch eine kleine geile Schlampe ohne Dach über dem Kopf und ohne Geld eins zu bezahlen.” Damit ging er und hinterließ das Chaos.
Dexling versorgte Bernd gelegentlich mit Frischfleisch. Wenn irgendwelche Veranstaltungen oder Messen in Berlin stattfanden, kamen auch stets weibliche Wesen aus dem Westen, von denen die jungen weiblichen Wesen hin und wieder nicht über Barschaften in geforderter Höhe für ein Pensionszimmer aufzubringen sich in der Lage sahen. Er sammelte sie nachts in den Gegenden auf in die es sie in der Regel verschlug. Stutti und Zoo. Und Potsdamer Strasse. Er bot uneigennützige Hilfeleistung und man vertraute ihm, weil er wie Rasputin aussah, oder vielleicht Rasputin war.
So schlich er sich nach Mitternacht mit seinem Opel C Rekord mit Taxischild auf dem Dach die sandigen Wege der nachts tristen und finsteren Dauerkolonie auf den Berg hinauf, auf dem Bernd mit 800 Quadratmeter Grund und einem schäbigen Bungalow unter mächtigen Silberpappeln, die den Mond ausblendeten, zur Pacht lebte.
“Bernd,” wisperte er, damit die Nachbarn nicht erschreckt werden würden, “Bernd.” Er pochte leise mit spitzem Zeigefinger gegen die Wohnstubenscheibe. “Du mußt mir einen Gefallen tun. Sie hier, wie heißt du noch, kommt aus der Fremde und hat keine Bleibe. Kannst du sie für die Nacht aufbewahren?” “Aber sicher, wo sie hier fremd ist.” “Danke.”
“Wir telefonieren.”
“Wie heißt du? Wollen wir ficken?”
Manchmal war Bernd direkt. Das hing von später Stunde und Schläfrigkeit ab. Aber drei, vier Mal gab es mit zielstrebiger Direktheit spontane Erfolge. Welch unerwartetes Vergnügen. Es war wie im Bordell. Man wußte nie was da so daherkam.
Zu morgendlicher Stunde fuhr Bernd sie dann nach Dreilinden um sie neben der Autobahn auszusetzen, sich per Anhalter auf die Heimreise zu begeben. Bernd begab sich hernach zu seinem Zeitungskiosk um den Einarmigen mit dem alten Gesicht und der pechschwarzen Perücke abzulösen, der als leidenschaftlicher Frühaufsteher den Laden um fünf Uhr früh eröffnete, obwohl er erst ab sieben Uhr bezahlt wurde und der immer mehr Geld in der Tasche zu haben schien , als ihm eigentlich zustehen konnte. Zunächst war das Chaos zu ordnen das der Einarmige hinterließ; denn der Einarmige hatte nur einen Arm und wollte nie sagen in welchem Krieg er den anderen gelassen hatte. Um achtzehn Uhr würde Frau Schacke antreten und den Laden um Mitternacht schließen. Aber der Einarmige machte richtig kräftig Umsatz. Auch Frau Schacke schien häufig überraschend flüssig zu sein, wie Bernd mit Argwohn bemerkte. Hier verbrachte Bernd seine Tage.
Das kleine Imperium fing an zu wuchern. Von Köwenick wurde ein Dutzend ZigarettenAutomaten mit Standplätzen gekauft. Die brachten keinen Gewinn, mussten aber stets gefüllt werden und waren hübsch anzusehen.
Dann ließ Bernd sich von Karl Hannes gebrauchte Autos aufschwatzen, bis zweiundzwanzig Stück aller Fabrikate, einschließlich zweier Mustangs, zusammen gekommen waren. Die wurden aus der Zeitungsbude heraus an Selbstfahrer für 22 Mark den Tag und 100 Kilo- meter frei vermietet und in allen Parklücken gehortet.
“Ich hab auf dem Autokino 800 Mark bezahlt, gib mir tausend.” Das war stets ein Schnäppchen. Karl Hannes hatte eine Autohand. Die Dinger funktionierten, waren billig, sauber und stets gewienert und geschrubbt. Er vergaß auch nie den obligatorischen Ölwechsel, der ihm besondere Freude zu bereiten schien.
Hinzu gesellte sich ein Schaumstoffladen in Alt Moabit, in dem Bernd Matratzen verkaufte.
Dann Matratzen und Sitzkissen. Dann Matratzen und Sitzkissen und Stoffe, um alles zu beziehen. Herr Sommer aus Österreich war angestellt worden. Herr Sommer war vielseitig und willig. “Ich nähe auch,” behauptete er eines Tages,” Ich kann das alles beziehen. Wenn man mir eine Nähmaschine gibt.”
Die Geschäfte entwickelten sich prächtig. Der Arbeitsaufwand hielt Schritt. Von 9 bis 18 Uhr war Bernd in der Zeitungsbude, verkaufte Magazine, Tabakwaren, Naschwerk und Wein, bald auch palettenweise Sechserpack Bier. Nebenbei vermietete er die Autos, zahlte die Rechnungen. Von 18 bis 20 Uhr lieferte er die Matratzen, zu Rollen verschnürt, im Kofferraum des Mercedes 230 den Kunden in die Wohnungen. Nach 20 Uhr ging es öfters per Bahn nach Westdeutschland, um die nicht gestohlenen, aber unterschlagenen Mietwagen nächtens bei den Polizeirevieren einzusammeln, sobald sie wieder aufgetaucht waren. Fielen die Bahnfahrten aus, mußten die Mietwagen gesäubert, gewaschen, repariert werden.
“Sie werden uns noch steinreich werden,” behauptete Frau Schacke,
“für den Fall, daß sie zuvor nicht ableben,”
“Meyer,” sagte der Nachbar,” wenn du dich im Spiegel sehen könntest, würdest du deine Lebenserwartung reduzieren wollen.”
Jacqueline wurde als Tagesverkäuferin in der Zeitungsbude eingestellt. Die Bekanntschaft ihrer Mutter gemacht. Der 16 Stunden Arbeitstag wurde auf 12 Stunden reduziert. Da verblieb dann auch wieder Zeit zum Saufen. Die Tradition aufrecht zu erhalten. Bei der Seefahrt hieß es verbindlich : einmal die Woche besoffen oder eine Woche im Monat besoffen.
Ein Gutteil des Konsums wurde in der kleinen Kellerbar, die Köwenick mit dem Erlös aus den Zigarettenautomaten , die viel Arbeit machten, wenig einbrachten, aber hübsch anzusehen waren, mit Anja eingerichtet hatte und die nicht lief, aber praktischerweise neben dem Heimweg lag, getätigt. Die Geschäftsidee war; Paare hinunterzulocken und Mischsex zu verkuppeln.
“Kuppelei läuft immer.” Sagte er und überlegte ob er noch Kapital aus seinem Taxigeschäft nachschießen sollte. “Allemal.” Unterstützte ihn Anja überzeugt.
“Na endlich finde ich dich Bernd ,” Jacqueline kam atemlos und erregt in das Restaurant in Moabit, wo Bernd gerade Schach mit Charly dem Kuli aus dem Pelzladen spielte und soeben einen genialen Zug getätigt hatte, was nicht oft vorkam.
“Das Haus brennt.” Charly erstarrte und wurde blaß, wie selbstbetroffen. “Dein Zug”, sagte Bernd. “Das Haus brennt,” murmelte Charly. “Das Haus brennt,” wiederholte Jacqueline.
Charly warf das Spielbrett um. “Wie lange?” fragte Bernd.
Als Jacqueline und Bernd in Bernds Auto die Heimstatt erreichten, war die Feuerwehr gerade mit dem Rückzug beschäftigt. Ein Mann stand auf dem Flachdach, das unbeschädigt aussah und schlug mit einer großen Axt große Löcher in das Dach, damit es hineinregnen mochte. “Ich schaue nach Glutherden,” sagte er fröhlich.
Innen sah es wüst und schwarz aus. Die Schaumstoffmöbel waren mit der Tapete und der Decke verbrannt.
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