Bernd – Wolfgang Meyer
DER SINN DES UNSINNS
eine satirische Gegenwartsabhandlung
copyright by Bernd-Wolfgang Meyer
published by epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN: 978-3-8442-4083-2
“Sicher. Setzen wir ein Inserat in die Zeitung. Fliesenarbeiten, preiswert.”
Bernd hatte seinen Zeitungskiosk vor zwei Monaten verkaufen müssen. Für 35 000 Mark, von denen 500 Mark nach der ethischen Verpflichtung den Gläubigern gegenüber verblieben waren. Die Gläubiger waren Freunde. Bis dahin.
Der anschließende Pornohandel im Direktvertrieb mit Anja hatte außer Benzinkosten nichts gebracht. Die Leute wollten Magazine ansehen; nicht dafür zahlen.
Backe war fortwährend pleite. Ganz besonders, wenn die Autoversicherungen beharrlich die Zahlung verweigerten. Karambolagen waren zu einem schwierigen Geschäft geworden.
So hatten sie sich an diesem Tag bei trübem Wetter in dem Haus, das Bernd bewohnte und mit eigenen Händen errichtet hatte, in der festen Absicht getroffen, der Armut ein rasches und nachhaltiges Ende zu bereiten.
“Wird 20 Mark kosten. Hast du 20 Mark?”
“Nein”
“Wir geben die Annonce über Telefon auf. Dann kommt die Rechnung später”.
“Mein Telefon ist abgestellt. Reinrufen geht noch”.
Backes Mutter half mit 50 Mark aus, die für Werbung und ein wenig Benzin ausreichten. Das Inserat brachte Erfolg. Eine ältliche Rentnerin beauftragte sie gegen Pauschalpreis einschließlich Material, ihre Küchenwand oberhalb der Arbeitsplatte zu befliesen.
“Wir suchen einen Kleber für Fliese auf Fliese” erkundigte sich Bernd hoffnungsvoll bei dem Berater im Baumarkt.
“Fliesenkleber” erkannte der sofort.”Fliesenkleber klebt auf Fliesen”
“Darunter und darüber?”
“Aber sicher, da könnt ihr Dispersionskleber im Eimer nehmen”.
“Wird das auch richtig sein?”Fragte die Rentnerin. “Ich möchte das das alles hält”.
Nachdem die Kundin die Material Rechnung bezahlt hatte, fuhren sie gemeinsam in Bernds altem Ford 12M, der Badewanne, zur Baustelle und richteten diese unverzüglich dergestalt ein, daß sie von jedem beiläufigen Besucher als solche nicht zu verkennen war.
“Wie soll ich in die Küche kommen, wenn auf dem Flur sich all die Oberschränke und Küchenmöbel stapeln. Wie kann ich kochen. Wie lange wird das noch dauern.”Die Bauherrin trug ihre Entmutigung zur Schau.
“Es ist eine Baustelle,” gab Backe nicht gerade geistreich von sich und schwitzte stark.
Sie stapelten die Möbel im Wohnzimmer und im Schlafzimmer zu gleichen Teilen auf. So konnte die gute Frau beginnen, Kaffee zu brühen und Kekse zu reichen.
Beim Bauabschlußbier in einer Eckkneipe machten sie Kassensturz, nachdem die Rentnerin ohne Abzug gezahlt und den avisierten Anschlußauftrag, Überfliesung des Küchenbodens sorgsam aus dem Abschiedsgespräch herausgehalten hatte.
“Was ist mit dem Küchenboden?” Backe mangelte es in solchen Dingen an Takt.
“Die Fugen der darunterliegenden alten Fliesenschicht schienen mir aber irgendwie glatter” Die Rentnerin setzte einen zweifelnden Gesichtsausdruck auf und zog die Stirn in Falten.
“Das wird noch. Die Fugenmasse muß erst aushärten. Dann wird sie schön glatt”.
“Wir werden jetzt gehen müssen,”hatte Bernd gesagt, in der Absicht guten Willen zu bekunden,”Wir werden anderswo erwartet” Und zog Backe am Arm aus der Tür.
“Wieviel Geld haben wir jetzt?” Backe nippte an seinem Bier.
“Gar nichts”entgegnete Bernd “ Es reicht für eine neue Annonce, etwas mehr und besseres Werkzeug, einen halben Tank voll Benzin und ein wenig Brot und Fett”
“Wir müssen unsere Telefonrechnungen bezahlen bevor die Post sie abklemmt.”
“Ein neuer Auftrag muß her. Rasch.”
In der Folge ging es schleppend, jedoch mit einiger Beständigkeit voran. Sie hatten gelernt, daß man das Fugenmittel nach Einhaltung einer gewissen Trocknungszeit mit dem Handtuch beinahe mühelos abzuwischen vermochte.
“Ihr könnt doch nicht eure Kleberschmiere mit meinem Badetuch abwischen,” brüllte der Rentner des nächsten Auftrages plötzlich los, nachdem er reglos, wie erstarrt, einige Sekunden auf der Türschwelle gestanden hatte.
“Fugenmittel. Das ist Fugenmittel.” Backe versuchte zu beruhigen, “man kann das ausschütteln”. Er wedelte heftig mit dem Tuch um darzustellen, wie einfach das war. Eine erstickende Wolke feinsten Staubes begann von der Küche über den Flur in die Wohnstube zu wabern und sich auf den Möbeln niederzulassen.
Der Rentner prallte zurück, hustete und wechselte die Gesichtsfarbe in ein tiefes Rot.
“Meine Wohnung. Mein Heim. Ihr zerstört mein Heim,” brüllte er mit schrill sich steigerndem Zorn, den man ihm gar nicht zugetraut hätte. “Die Gesellenbriefe. Ich will die Gesellenbriefe sehen. Ich will gar nichts zahlen. Ich werde auf Schadensersatz pochen. Wie heißt ihr. Die Polizei wird sich für euch interessieren.”
Im Treppenhaus hörte man schon die Türen aufklappen.
“Die Polizei wird sich für Sie interessieren, “Der Anrufer klang erbost und verbittert, “Sie inserieren ohne Berechtigung. Das ist illegal und
strafbar. Sie führen unerlaubterweise Bauarbeiten aus. Wir sind die Handwerkskammer. Wir haben Vollmacht, Mißbrauch zu ahnden.”
“Ich mache nur eine Marktanalyse,” beschwichtigte Bernd.
Aber Marktanalysen empfand der Mann von der Handelskammer nicht wesentlich sympathischer.
In der unverzüglich anberaumten Krisensitzung wurde ein Entschluß gefasst.
“Wir müssen ein Gewerbe anmelden. Bautenschutz. Und wir brauchen einen Meister als Konzessionsträger.”
“Wir müssen unsere Telefonrechnungen bezahlen,” drängelte Backe.
“Sie suchen einen Konzessionsträger Fliesen,” sagte der Mann am Ende der Leitung,
“Ich habe ihr Inserat gelesen. Ich bin Meister. Wir müssen uns treffen.”
Bernd traf den Meister Meysel auf dem Parkplatz hinter dem Mietshaus in dem er wohnte.
“Schön,” sagte der Meister, “schön daß wir jetzt ein Auto haben. Sowas ist sehr nützlich.”
Er betrachtete wohlwollend Bernds Rostlaube. “Fahren wird es wohl?””Kommen Sie, ich muß ihnen meine Frau vorstellen.”
Die Frau des Meisters schüttelte Bernds Hand herzlich und überschwenglich und setzte einen Topf Kaffee auf.
“Ich bin Rentner und habe ein Holzbein,” sagte Meister Meysel.
“Die Auftragslage ist zur Zeit sehr schlecht,” sagte Bernd.
“Ich habe Verbindungen zur Kirche. Da können Sie Maurerarbeiten machen.”
“Maurerarbeiten?”
“Maurerarbeiten!”
“Es ist so schön wieder einen Gesellen zu haben,” unterbrach die Frau des Meisters die Monotonie des Dialogs.
“Fliesenarbeiten.”
“Fliesenarbeiten?”
“Ja ich mache Fliesenarbeiten,”
“Fliesenarbeiten ? Das hätten Sie mir sagen sollen. Ich bin Fliesenmeister. Ich habe Verbindungen zur Kirche. Da können Sie Fliesenarbeiten machen.”
“Im Turm?”
“Warum nicht im Turm? Bekommt ihnen die Höhe nicht?”
“Es ist so schön, daß wir jetzt wieder einen Gesellen haben.” Die Frau des Meisters strahlte und reichte Gebäck.
“Morgen,” sagte der Meister,” morgen gehen wir los und verschaffen Ihnen einen Auftrag.”
“Sie kommen dann immer zum Essen,” sagte Frau Meysel, “alle unsere Gesellen haben wir immer wie Familienmitglieder aufgenommen. Sie mögen doch sicher Erbsensuppe?”
Bernd fuhr irritiert nach hause. Andererseits hatte der Meister nicht von Geld gesprochen.
Das glich einiges aus. Und er wollte lukrative Aufträge beschaffen. Man
könnte mal wieder die Pacht für das Grundstück leisten. Und den Strom bezahlen.
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